Damit sich im Herbst Früchte bilden, blüht die Steineiche im April. Die männlichen Blüten sitzen an hängenden Stängeln, auch Kätzchen genannt, die weiblichen sind zwar unscheinbar, doch sie bilden die Frucht, die im Deutschen Eichel, im Spanischen bellota und im Katalanischen aglà genannt wird. Die meisten von ihnen schmecken bitter und sind eine bevorzugte Nahrung für Nutztiere. Dass es Eicheln auf der Insel aber auch in einer süßen Version gibt, ist wenig bekannt.

Die Suche

Aina Socies von der Vereinigung der Züchter lokaler Obst- und Gemüsesorten, der Associació de Varietats Locals, machte sich im vergangenen Winter auf die Suche nach den süßen Früchten. Die MZ begleitete sie damals bei einem Besuch auf die Plantage der Finca von Joan Llompart zwischen Llubí und Inca. Im Januar lagen noch einige Nussfrüchte unter den Bäumen. Socies sammelte und steckte sie, wie auch kleine Äste mit Blättern, in einzelne Beutel und beschriftete sie sorgfältig. Landwirt Llompart ritzte währenddessen mit dem Messer die braune Schale von ein paar Eicheln auf und reichte sie den Besuchern. Die etwa zwei Zentimeter langen Kerne schmeckten süß, der Geschmack erinnerte an Kastanien. Das kommt nicht von ungefähr, denn Eichen und Kastanien gehören beide zur Familie der Buchengewächse.

Beim zweiten Besuch der MZ im April blühten dann auf der Finca neun süße Steineichen (Quercus ilex L. subsp. ballota bot., carrasca span., alzina d'aglans dolços kat.). Die älteste von ihnen, ein Erbe des Großvaters, ist rund hundert Jahre alt. Der Landwirt zeigt auf die Stelle an dem einen Meter Durchmesser dicken Stamm, wo sich die Rindenstruktur verändert. Hier ist vor langer Zeit eine neue Sorte aufgepfropft worden. „Ein Laie kann Steineichen mit bitteren Früchten nicht von denen mit den süßen Eicheln unterscheiden", sagt Llompart. Zwar hieße es, dass die Blätter der süßen die Form einer Ellipse mit kleiner Spitze haben, doch eine Identifizierung wäre bei der Vielzahl von Blattformen unmöglich.

Die Sorten

Auch Andreu Adrover, der auf dem Biohof Sa Taulera bei Manacor arbeitet, ist auf der Suche nach den alten Sorten. Von seinem Großvater hörte er erstmals von den wohlschmeckenden Eicheln. Der padrí führte ihn zu den Bäumen der Sorten Monja Riera, Campaneta, Pere Andreu, Avellaneta oder Castanyenca und berichtete von einem Fest, das Mallorquiner früher zu Ehren der anglans dolços analog dem katalanischen Kastanienfest gefeiert haben.

Mit anderen Mitgliedern von Varietats Locals katalogisiert der Mallorquiner die Namen der Landgüter sowie Sorten und Fruchtgröße. Auf einem Feld sollen als Unterlagen herkömmliche Steineichen gepflanzt werden. Sind diese groß genug, werden sie mit Ästen aus dem Verzeichnis der süßen Steineichen veredelt. Geplant sind Modellversuche und Studien in verschiedenen Inselregionen, auch Baumschulen sollen künftig an der Züchtung beteiligt werden.

Experte für süße Eicheln ist außerdem Joan Montserrat von der Baumschule Balanotrees im katalonischen Tarragona. Er berichtet, dass Steineichen mit süßen Früchten in der Extremadura und in Katalonien wachsen, diese jedoch alle aus dem Kern einer Eichel gezüchtet worden sind und keine Sortenreinheit garantierten. Für die Balearen wären die Kernzüchtungen ungeeignet, weil sie die Angewohnheit hätten, sich durch den Wind mit ihren wilden Vorfahren in den Wäldern zu paaren. Mallorca sei der einzige Ort auf der Welt, so der Katalane, an dem Steineichen durch Aufpfropfen veredelt worden seien und die Sorten sogar Namen trügen. Der Grund dafür könnte sein - abgesehen von der Bestäubungsgefahr durch wilde Steineichen -, dass die Mallorquiner immer schon ein Händchen für dieses Handwerk hatten. Olivenhaine etwa gibt es auf der Insel, weil auf die Wildolive ullastre die größere und besser schmeckende Speiseolive aufgepfropft worden ist. Der Zitronenbaum diente hier schon immer als Unterlage für Orangen, der Mandelbaum für viele Steinobstsorten.

Die Kampagne

Noch haftet den Eicheln der Ruf des Tierfutters an. Da jedoch etwa auch den Produzenten von Johannisbrot der Imagewandel im Fall der Inselschote gelungen ist - sie erzielt heute als Superfood gute Marktpreise -, ist nicht ausgeschlossen, dass dies auch mit Mallorcas süßer Eichel gelingen könnte. Noch stehen die bellotas in erster Linie

für Qualitätsschinken. Nicht von ungefähr kommt der Satz, dass das beste Fleisch auf den Bäumen wachse. Doch es gibt noch mehr Vorurteile: Bevor der Homo sapiens sesshaft wurde, hatte er sich als Sammler unter anderem von Eicheln ernährt. Deshalb würden, so der Katalane, bittere oder auch süße Eicheln heute noch als die typische Speise der Nomaden, Wilden und Barbaren gelten.

Dabei enthielten die Früchte ungesättigte Fettsäuren, sie seien außerdem reich an Kohlenhydraten, Ballaststoffen, B-Vitaminen und Mineralien. Durch ihren Gerbstoffgehalt haben sie laut Montserrat eine große antioxidative Kraft und zählen, als ob es des Guten nicht genug wäre, zu den heute so begehrten glutenfreien Lebensmitteln.

Neue Bäume

Die Suche von Varietats Locals ist Erfolg versprechend. Nicht nur Joan Llompart veredelt wieder wilde Bäume, auch andere Landwirte sind auf die alten Sorten aufmerksam geworden. Auf den Plantagen gedeihen sie prächtig, weil sie nicht wie die wilden Verwandten im Wald mit ihren Nachbarn konkurrieren müssen. Auch hinsichtlich der Schädlinge, die es auf Holz und Blätter abgesehen haben, eignen sich die Steineichen für Trockenplantagen ebenso gut wie für den ökologischen Anbau, wie auf Llomparts Finca zu sehen ist.

In seiner Baumschule hat Joan Montserrat dieses Jahr schon tausend Jungbäumen süße Sorten aufgepfropft, die auf Abnehmer warten. Doch wer sich die Jungpflanzen auf die Insel holt, braucht Geduld. Frühestens nach sieben Jahren bilden die Bäumchen süße Früchte. Die Investition lohnt sich dennoch: Die süßen Eicheln sind eine gute Gelegenheit, einen Teil der Inselkultur in die Gegenwart zu holen, damit sie nicht verloren geht.

Junge Bäume bestellen: Bei Joan Montserrat in Tarragona, www.balanotrees.org