Normalerweise geht die Erzählung so: Es war einmal ein alteingesessenes Geschäft im historischen Stadtkern, das irgendwann aufgeben musste. Es schloss seine Türen und verlegte sich fortan auf den Handel im Internet, und dabei blieb es. Auch im Fall der geschichts-trächtigen, antiquarischen Buchhandlung Librería Ripoll in Palma deutete alles darauf hin: Inhaber Manuel Ripoll sah sich 2015 aus finanziellen Gründen gezwungen, den 1930 eröffneten Laden, der 1941 in den Carrer Sant Miquel umgezogen war, zu schließen, und stieg auf die Online-Plattform Abebooks um. „Es war sehr traurig. Wir hatten damals das Gefühl, dass ein Buch endet, nicht nur ein Kapitel", sagt seine Tochter, Carolina Ripoll.

Jetzt sorgt sie selbst für eine überraschende Wendung der Geschichte: Aus einem spontanen Impuls heraus entschloss sich die heute 26-Jährige, das Familiengeschäft zu übernehmen und ihm neben der digitalen Existenz zu einer analogen Wiedergeburt zu verhelfen - quasi zurück in die Zukunft. Das war im November 2019. Die Halb-Österreicherin, die in Palma aufwuchs, saß gerade in der Bibliothek in Wien und unterhielt sich mit ihrer Mutter, der Ludwig-Salvator-Biografin Helga Schwendinger. „Plötzlich hat es klick gemacht und ich habe gesagt: Ich mache die Librería Ripoll wieder auf", erzählt sie im MZ-Gespräch. Die Eltern, die keines ihrer drei Kinder je zu diesem Schritt gedrängt hatten, reagierten mit großer Begeisterung.

Im Herzen des Familienhauses

Carolina Ripoll selbst durchlief seitdem verschiedene Phasen: Erst die Anfangseuphorie, dann die Nervosität. Inzwischen ist sie zwar entspannt, muss sich aber in Geduld üben. Denn der Plan lautet, die neue alte Buchhandlung im Haus der Familie einzurichten, im Carrer Can Sanç Nummer 8. Und derzeit lässt die Genehmigung der Umbauarbeiten vonseiten des Rathauses noch auf sich warten. Im ersten Stock des schmucken historischen Gebäudes haben Vater und Tochter Ripoll zwischen wertvollen Büchern, Antiquitäten und roten Samtsesseln ihre Büros eingerichtet, im zweiten und dritten Stock wohnen sie selbst. Das Antiquariat soll im Zwischengeschoss einziehen, das direkt hinter dem Eingangstor über eine Treppe zu erreichen ist, sodass der Hof und der private Wohnbereich abgetrennt bleiben können. Wenn der Umbau losgehen kann, rechnet Ripoll etwa mit einem halben Jahr bis zur Eröffnung des Antiquariats.

Langeweile dürfte bis dahin keine aufkommen, denn die Nachwuchs-Buchhändlerin, die fünf Jahre lang Afrikawissenschaften an der Universität Wien studierte, wird derzeit von ihrem Vater auf die neue Herausforderung vorbereitet. Jeder Arbeitstag ist anders: „Ich bin Sekretärin, gehe zur Post, inventarisiere und putze die Bücher", sagt Ripoll. Neben dem ewigen Kampf gegen den Staub gibt es viel Neues zu lernen: Wie man alte Bücher behandeln und konservieren muss oder wie man präzise, kurze Beschreibungstexte verfasst. „Vor allem musste ich lernen, dass das Lernen kein Ende nimmt", sagt Ripoll. Das Gefühl, irgendwann am Ziel zu sein, wird sich wohl schon deshalb nicht einstellen, weil eine wahre Mammutaufgabe wartet: Von dem Bestand aus geschätzt 100.000 Objekten, darunter alte Bücher, Manuskripte, Druckschriften, Illustrationen und Fotografien, sind bislang etwas mehr als 14.000 inventarisiert. Es fehlen also noch rund 86.000.

Doch die junge Antiquarin, die ihre Worte stets mit lebhaften Gesten unterstreicht, wirkt nicht so, als ob sie schnell der Mut verlässt. Sondern vielmehr wie jemand, der mit den Hufen scharrt, eine rasche Auffassungsgabe und jede Menge Energie mitbringt. Manchmal ein wenig zu viel für ihren eigentlich seit über zehn Jahren pensionierten Vater (75): „Er will alles in Ruhe angehen, und das ist für mich manchmal ein bisschen zu langsam", gesteht Ripoll. Im Interview ruft sie einmal ganz zeiteffizient ein lautes „Papá!" und eine Frage in den Nebenraum hinüber.

Modern ist ein Reizwort

Neben dem unterschiedlichen Tempo ist die größte Schwierigkeit bei der sonst sehr harmonischen Zusammenarbeit der beiden wohl die Tatsache, dass „modern" für Manuel Ripoll ein Reizwort ist. „Ich habe ihm gesagt, wir müssen im 21. Jahrhundert ankommen", erklärt die Tochter. Aber ein „modernes" Design für die Einrichtung? Auf keinen Fall! Nach geduldigen Erklärungen gelänge es ihr jedoch in der Regal, die väterliche Akzeptanz für ihre Ideen zu gewinnen. Tatsächlich schwebte der Tochter niemals eine futuristische Ausstattung mit Glas und Metall vor. Aber eben auch keine antiken Prunkmöbel, die von den Büchern ablenken würden.

Carolina Ripolls Vision für die zukünftige Librería ist ein großer offener Raum mit einladender Atmosphäre statt überladenen Schränken, mit schlichten Bücherregalen an den Außenwänden und Leseecken an den Fenstern. Die Bücher selbst sollen wieder Protagonisten sein, wie damals, als ihr Großonkel Tomás Ripoll Sastre das erste Geschäft an der Plaça de Quadrado eröffnete. Denn in Sant Miquel habe sich zuletzt das Angebot stärker der Nachfrage angepasst: Touristen und Laufkundschaft, die eher an Postkarten und schönem Papier als an teuren antiquarischen Schmökern interessiert waren. In den etwas versteckten Carrer Can Sanç werden sich wohl weniger Passanten verirren.

Ripoll ist überzeugt, dass sich der Trend umgekehrt hat und Bücher wieder punkten. Sie selbst zählt sich zu einer neuen Generation von jungen Buchhändlern, die eine andere Perspektive auf die Welt der Bücher hat, auf Instagram und Facebook aktiv ist. Alte Schinken und neue Medien sind dabei kein Widerspruch. „Ich habe immer zu meinem Vater gesagt: Wir haben so schöne Bücher, ich will sie zeigen. Die Welt soll sie sehen", sagt Ripoll, die inzwischen einen Instagram-Account des Antiquariats pflegt. So kann sie andere daran teilhaben lassen, wenn sie besondere Schätze entdeckt, wie kürzlich etwa ein ausgesprochen hübsches Buch mit Samt und Goldlettern über den Bau eines Tunnels in den Alpen.

Gute Startvoraussetzungen

Die Buchhändlerin geht ihre neue Aufgabe mit viel Optimismus an. „Vielleicht, weil ich jung bin und denke: Es wird funktionieren", sagt sie. In jedem Fall sind die Voraussetzungen, das Geschäft zu reaktivieren, wesentlich besser als im Jahr 2015, allein schon durch den Standort. „Wir werden ganz geringe Kosten haben und zahlen keine Miete", erklärt sie. „Nur ich werde hier arbeiten, und wenn kein Geld reinkommt, dann habe ich allein das Problem. Aber ich muss niemanden bezahlen." In fernerer Zukunft wäre sie natürlich dankbar über ein paar helfende Hände.

Bis dahin wird sie die Zeit, wenn keine Kundschaft kommt, weiter nutzen, um die Bücher zu sichten und in einer Datenbank zu erfassen - der weitaus größere Teil der Arbeit als der Verkauf. Obwohl das Haus aus einem Labyrinth aus zum Bersten gefüllten Lagerräumen und verwinkelten Regalreihen besteht, verläuft sich Ripoll übrigens nie. „Es gibt Fotos von mir, auf denen ich zwei oder drei Jahre alt bin und zwischen den Büchern und in den Schachteln sitze", erzählt sie. „Ich war immer hier, das ist meine Welt."