Wer in Can Picafort auf Mallorca wohnt, der arbeitet - bis auf wenige Ausnahmen - im Tourismus. Die Freizeit, die im Sommer bleibt, verbringt der Canpicaforter häufig im Schwimmbad Mar y Paz - dem Treffpunkt für Einheimische schlechthin. Aktuell liegt beides im Argen: Der Tourismus läuft nur schleppend an. Und das Schwimmbad soll einem betonierten Platz weichen, weil der seit einer gefühlten Ewigkeit immer wieder gewählte Bürgermeister von Santa Margalida es so will. Die MZ hat bei einem Ortstermin versucht, den Geist des Küstenorts zu ergründen.

In der Vormittagssonne könnte ein Edel-Beachclub kaum einladender daliegen als das Terrain rund um das Schwimmbad Mar y Paz am östlichen Rand von Can Picafort. Vom Becken aus blickt man aufs offene Meer, bunte Sonnenliegen laden zum Verweilen ein. Und dabei kostet ein kleines Bier an der Poolbar nicht einmal zwei Euro. „An Wochenenden wimmelt es hier von Einheimischen", sagt Juan Llabrés. Die Familie des 34-Jährigen stammt seit Generationen aus dem Küstenort. Als Kind hat er im Mar y Paz geplanscht, als Jugendlicher hing er dort ab, heute ist er oft mit seiner jungen Familie dort. „Das wahre Can Picafort ist genau hier, im Mar y Paz", sagt Llabrés. Und deshalb will der Oppositions­politiker der Lokalpartei Can Picafort Unit alles daran setzen, um die Pläne der regierenden Parteien im Rathaus zu vereiteln. „Es tut weh, dass sie uns diesen Ort nehmen." Kein Zweifel: Das Thema ist emotionsgeladen.

Das wird auch in den sozialen Netzwerken deutlich. Seit Bürgermeister Joan Monjo im Mai verkündete, dass im kommenden Sommer mit den Umbauarbeiten begonnen werden soll, ist eine Welle der Empörung ausgebrochen. Auch die Oppositionsparteien PSOE und Ind­­ependents stellen sich gegen das Vorhaben. Und egal, wen die MZ auf der Straße darauf anspricht: Niemandem scheint es zu gefallen, dass anstelle des Schwimmbads hier ein Amphitheater-ähnlicher Platz entstehen soll, mit Springbrunnen und einem Kiosk.

„Das ist doch nur politische Hetze. 90 Prozent der Menschen sind mit mir einer Meinung", schimpft Bürgermeister Monjo im Telefoninterview. Wie so oft bei brisanten Themen in seiner Gemeinde blendet er konträre Blickweisen aus. Monjo fährt seit Jahren einen geradezu autoritär anmutenden Führungsstil. Das war 2016 so, als die Diskussion um die Strandbar in Son Serra de Marina inselweit für Aufregung sorgte, und das war im vergangenen Sommer so, als Monjo trotz Gegenwinds die Ehrenbürgerschaft von Franco-Financier Joan March aufrechterhielt. Und doch: Monjo, selbst Unternehmer, Ingenieur und im Küstenort zu Hause, wird letztlich immer wieder gewählt. Mit der PP hat seine Lokalpartei Convergència einen Partner gefunden, der ihm weitgehend freie Hand lässt.

Selbst Oppositionspolitiker Jaume Llabrés glaubt nicht, dass das Streitthema Schwimmbad Monjo das politische Genick brechen wird. „Obwohl wir die Hoffnung natürlich nicht aufgegeben haben." Monjo sei ein Meister darin, die Schuld erfolgreich bei anderen abzuladen. Im Fall von Mar y Paz ist es die Küstenbehörde in Madrid. Das Schwimmbad war im Jahr 1970 an der Küste aus dem Boden gestampft worden. Bis 1995 wurde die private Betreiberlizenz immer wieder verlängert, danach stellte sich die Küstenbehörde quer. Seitdem ist der Betrieb in einer rechtlichen Grauzone, zuletzt lehnte Madrid einen Antrag der Mar-y-Paz-Betreiber 2020 ab. „Das Schwimmbad ist ohnehin nicht zu retten. Und das Küstengesetz bevorzugt öffentliche vor privater Nutzung. Also haben wir vom Rathaus im April 2019 beantragt, die Verfügung über den Standort zu bekommen, und vor gut einem Monat wurde dem stattgegeben", sagt Monjo.

Den Vorschlag der Opposition, das Terrain wenigstens in seinen ursprünglichen Zustand - Felsen und einen kleinen Sandstrand - zurückzubauen, wischt er als „Quatsch" vom Tisch. „Dann haben wir beim nächsten Sturm das Wasser auf der Strandpromenade."

Was die Mallorquiner bewegt, tangiert die Urlauber kaum. Überhaupt sind hier, in der östlichen Ecke von Can Picafort, die Einheimische nur als "Son-Bauló-Viertel" oder „das wahre Herz des Ortes" bezeichnen, die Bewohner klar in der Überzahl. Es gibt Touri-Restaurants, vor allem aber auch kleine Bars, die Spanier anziehen, hinzu kommen Wohnhäuser, die Polizeiwache und die Außenstelle des Rathauses der Gemeinde Santa Margalida - alles im unmittelbaren Umfeld vom Mar y Paz.Hoffen auf ein Aufwachen

Das touristische Zentrum erreicht man, wenn man vom Son-Bauló-Viertel aus in westlicher Richtung der Promenade folgt. Eigentlich müsste hier im Juni deutlich mehr Trubel sein als in der Hochburg der Einheimischen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Isabel Maria Poquet rückt einen Ständer mit Lederarmbändern zurecht. Günstige Souvenirs. Für die Touristen. Wenn sie denn kommen. Die Fußgängerzone vor dem Geschäft „Colón II" liegt, um es vorsichtig auszudrücken, ruhig da. Nur wenige Menschen sind unterwegs. Und viele von ihnen sind nicht einmal Urlauber.

„Die Einheimischen kaufen nicht bei uns", sagt Poquet. Das war schon vor 20 Jahren so, als sie anfing, hier als Verkäuferin zu arbeiten. Und das ist auch heute noch so. Nur, dass sich damals teilweise lange Schlangen vor dem Laden bildeten und heute dank Corona kaum einer eintritt. Also wartet Poquet - und mit ihr all die anderen Gastronomen und Gewerbetreibenden im Küstenort. Auf das Ende der Pandemie, auf die Öffnung der Hotels. Darauf, dass der viel zu lange Winterschlaf endlich ganz vorbeigehen möge. 17 der insgesamt 41 Hotels sind zwar geöffnet, aber kaum ausgelastet, 20 weitere wollen bis Juli folgen.

Man sieht: Es gibt sie, die hoffnungsvollen, mutigen, vielleicht auch verzweifelten Unternehmer, die wie Poquets Chefin entschieden, trotz des geringen Urlauberaufkommens schon einmal zu öffnen. Weil schon Mitte Juni ist. Weil das letzte Jahr ein Desaster war. Und weil die Saison in Can Picafort seit eh und je auf das Sommerhalbjahr begrenzt ist. Und so baumelt hier und da das typische aufblasbare Wasserspielzeug vor den Läden, und vor einigen Bars schlürfen deutsche Urlauber ihren café con leche in der Sonne. Besucher anderer Nationalitäten sind kaum vertreten. Die Briten, die normalerweise knapp ein Drittel der Urlauber ausmachen, fallen wegen der Reiseregelungen ganz aus.

So ruhig wie sonst im April, und das bei warmer Junisonne - nicht alle stört die Ausnahmesituation. „Es ist erschreckend, wie viel leer steht", sagt zwar Marco Koenig aus Bayern, der schon oft in ­­­Can Picafort Urlaub gemacht hat. „Aber für uns ist es auch ein Vorteil, dass alles grade so ruhig ist", sagt seine Tochter Natalie. Für den perfekten Urlaub mit ihren Eltern, ihrem Mann und ihren zwei Zwillingsbabys braucht sie weder Menschenmassen am Strand noch ein ausgeprägtes Nachtleben.

„Viele Urlauber, die nach Can Picafort kommen, sind auf der Suche nach Ruhe", bestätigt Laura Garrido. Sie steht an der Rezeption des Hotels Vent-i-Mar, zwischen der Fußgängerzone und der parallel verlaufenden Strandpromenade. Das 16-Zimmer-Hotel ihres Vaters öffnete Ende Mai ohne jegliche Reservierungen. Jetzt gerade seien immerhin zwei Zimmer belegt. „Seit die Auflagen für den PCR-Test bei der Einreise gefallen sind, gehen aber immer mehr Buchungen ein", sagt sie hoffnungsvoll.

Hoffnung, davon sprechen alle im Gastgewerbe von Can Picafort. Auch Lauras Vater Eugenio Garrido, der nicht nur Besitzer des Vent-i-Mar-Hotels und mehrerer angrenzender Lokale an der Promenade ist, sondern auch zweiter Mann im Rathaus und Tourismusdezernent. „Zumindest eines meiner Restaurants werde ich diesen Sommer öffnen. Es ist ein Ausnahmejahr, aber es geht bergauf", sagt er. Immerhin sei Can Picafort ein beliebter Urlaubsort. Und man habe im Rathaus einiges getan, um das zu untermauern. Durch die Verkehrsberuhigung der Ladenzeile vor einigen Jahren. Oder die Restaurierung des Peilturms im Frühjahr. Gerade arbeite man Routen aus, um Gästen historische Kulturgüter in der Umgebung näherzubringen. Auch über die Dreharbeiten für die RTL-Serie „König von Palma" im April und Mai plaudert Eugenio Garrido gern. „Das war ein Riesenspektakel", schwärmt er. Nur zum Thema Mar-y-Paz-Schwimmbad will er sich nicht äußern. Das ist in Can Picafort eben Chefsache.