Eines steht fest: Vor Mallorcas Küste sind größere Quallen-Bänke gesichtet worden. Ob sie an die Strände getrieben werden, ist ungewiss. Und wenn, sollen die Urlauber möglichst nichts davon erfahren. Das stellen sich zumindest Mallorcas Touristiker so vor. Die Branche hat sich vergangene Woche gegenüber dem balearischen Umweltministerium gegen ein System ausgesprochen, das täglich über lokale Quallen-Sichtungen informiert. Auch eine spezielle Quallen-Warn-Flagge wurde abgelehnt.

Mit Informationskampagnen über das Auftreten der Nesseltiere werde dem Image der Insel kein Gefallen getan, argumentiert Aurelio Vázquez, Vorsitzender der Vereinigung der Hotelketten auf Mallorca. Es handle sich um ein vorübergehendes Problem, das nicht übertrieben werden dürfe.

Greenpeace-Mitarbeiter hatten vergangene Woche rund 20 Kilometer vor der Nordküste Menorcas sowie zwischen Mallorca und Ibiza große Kolonien der Nesseltiere gesichtet - vor allem Feuerquallen. Von bis zu fünf Quallen pro Quadratmeter war die Rede. Bei Wassertemperaturen über 22 Grad und entsprechendem Wind könnten die Quallen an die Strände getrieben werden, hieß es.

Unnötige Panikmache? Greenpeace-Sprecher Sebastián Losada verweist auf das Recht der Touristen zu wissen, wo sich Quallen befänden. Auch Ricardo Aguilar, Forschungsleiter der Meeresschutzorganisation Oceana, spricht sich dagegen aus, den Urlaubern Erkenntnisse vorzuenthalten. In diesem Jahr sind bislang vergleichsweise wenige Quallen an Mallorcas Küsten geschwemmt worden. Aguilar macht dafür die starken Regenfälle im Frühjahr verantwortlich, in deren Folge an den Küsten mehr Süßwasser ins Meer gespült wurde - diese unsichtbare Grenze hält die Quallen, in der Zoologie Medusen genannt, ab. ?Auch dieses Jahr gibt es zahlreiche Exemplare", betont Aguilar - ?die Frage ist, wie viele an die Küste gelangen."

Im balearischen Umweltministerium verweist man darauf, dass das Quallen-Vorkommen bislang eine der geringsten der vergangenen Jahre sei. Deswegen gebe es derzeit auch keine konkreten Pläne für Informa-tionskampagnen oder -systeme. Gearbeitet wird stattdessen hinter den Kulissen: Von einem Flugzeug aus sichten Mitarbeiter nicht nur schwimmenden Müll, sondern auch Quallenbänke und melden diese. Die Informationen gehen an 40 Müllfischer-Boote der Landesregierung, die ihre Netze auch nach den Nesseltieren auswerfen. Über den Stand der Verhandlungen mit den Fischern, die auch bei der Quallenjagd helfen sollen, weiß man im Umweltministerium nichts - das liege im Zuständigkeitsbereich der Zentralregierung und sei derzeit nicht aktuell. In der Gemeinde Calvià gibt es seit vergangenem Jahr zudem ein Warnsystem für die Strände mit einer täglich aktualisierten Website (www.calviasin medusas.com). An den Playas der Gemeinde sind im Sommer Helfer im Einsatz gegen angetriebene Quallen. Sie wie auch die Quallenfischer haben bisher wenig zu tun.

Die Quallen und ihre Vorkommen seien relativ schlecht erforscht, sagt Ricardo Aguilar von Oceana. Nur wenn die Quallen-Bestände auch auf hoher See untersucht würden, wisse man mehr darüber, unter welchen Bedingungen sie an die Strände gelangten. Bislang würden zwar akribisch die Opfer der Quallen an den Stränden gezählt - weitgehend unbekannt sei dagegen beispielsweise, in welchem Umfang sich die Nesseltiere auf hoher See von Fischlarven ernähren. Greenpeace und das Meeresforschungsinstituts des spanischen Wissenschaftsrats CSIC haben versucht, die Zahl und Spezies der Quallen vom Schiff aus zu bestimmen.

Dass sich die Medusen im Mittelmeer seit mehreren Jahren stärker ausbreiten, führen Experten hauptsächlich auf zwei Gründe zurück: Wegen Überfischung haben die von Plankton lebenden Quallen kaum noch natürliche Feinde wie Thunfische, Schwertfische oder Schildkröten. Zudem begünstige das infolge des Klimawandels ungewöhnlich warme Wasser die Vermehrung.

Es gehe nicht darum, Alarmstimmung auszulösen, sondern auf einen möglichen Wandel im Ökosystem hinzuweisen, so Sebastián Losada von Greenpeace. Wenn Quallen-Plagen häufiger würden, sei dies ein Anzeichen für ein größeres Problem. Den Hoteliers und Tourismus-Managern empfiehlt der Umweltschützer, ihren Beitrag gegen den Klimawandel und zum Energiesparen zu leisten - nur so sei den eigentlichen Ursachen beizukommen. Und von den Landespolitikern sei mehr Lobby-Arbeit wie beispielsweise beim Roten Thun gefragt. Zum Schutz des vom Aussterben bedrohten Fisches hat das Balearen-Parlament bereits eine Resolution verabschiedet. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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