So hatten sie sich ihren Ruhestand auf Mallorca nicht vorgestellt: Statt ein sorgloses Dasein unter der Mittelmeersonne zu genießen, müssen die britischen Rentner Peggy und Brian Watson nun jeden Cent zweimal umdrehen. Statt im Pub trinken sie jetzt zu Hause ihr Bier, statt ins Restaurant zu gehen, kochen sie selbst und außerdem hoffen sie zutiefst, dass ihr Kühlschrank und ihre Waschmaschine noch lange durchhalten. Denn für Sonderausgaben haben sie kaum noch Reserven. Der Hauptgrund für die Misere: Das britische Pfund, die Währung, in der die Mallorca-Residenten ihre Rente beziehen, hat in den vergangenen Monaten bis zu 40 Prozent an Wert verloren. Dies bedeutet für viele der rund 3.300 auf Mallorca gemeldeten britischen Senioren - und auch für die nicht gemeldeten - gleichsam das Ende des Traums von einem paradiesischen Lebensabend.

Das Geld für Annehmlichkeiten ist dahin. Während die Watsons aus Nottingham vor einem Jahr noch rund 2.100 Euro für die 1.500 Pfund bekamen, die sie zusammen als Rente beziehen, liegt die Auszahlungssumme bei ihrer spanischen Bank heute nur noch knapp über dem Wert in Pfund - fast 600 Euro, die den Watsons monatlich fehlen. Während ihre Einkünfte dramatisch sanken, sind ihre Ausgaben gestiegen. Für ihre Wohnung in Son Caliú, für die sie beim Einzug vor fünf Jahren 600 Euro Miete zahlten, müssen sie mittlerweile monatlich 800 Euro hinblättern. Gerade noch schafften sie es, die Eigentümerin von der nächsten Erhöhung auf 840 Euro abzuhalten. Mit ihrer Rente unterstützen sie auch noch ihre 31 Jahre alte Tochter und ihre drei Jahre alte Enkelin.

Ihr Spielraum zum Sparen ist nicht groß. "Wir haben uns ein Limit von 50 Euro für Lebensmittel pro Woche gesetzt", sagt Peggy Watson. Früher konnten es schon mal bis zu 100 Euro sein. Außerdem nutzt die 68-Jährige ihr Wissen als gelernte Köchin, um aus Essensresten neue Mahlzeiten zu zaubern. "Wenn wir Fleisch kaufen, gibt es erst ein roast, dann essen wir es kalt und am dritten Tag mache ich daraus ein stew mit gemischtem Gemüse. Das ist manchmal im Angebot", erklärt sie. Der Winterkälte trotzen sie - soweit möglich - mit Decken und dicken Pullovern. Erst bei Gänsehaut wird die Gasheizung angeworfen.

Trotz der Schwierigkeiten wirken die Watsons nicht verbittert. Abgesehen von dem finanziellen Engpass, biete die Insel noch genügend Pluspunkte. "Wir fühlen uns wohl hier. Die Leute sind viel geselliger als in England. Wir haben viele nette Bekannte und Freunde gefunden", sagt Peggy. Die Watsons genießen es, als Senioren die öffentlichen Schwimmbäder der Gemeinde Calvià gratis nutzen zu können, und schätzen das spanische Gesundheitssystem. Außerdem könnte es schließlich noch viel schlimmer sein, viele ihrer Landsleute auf Mallorca müssten mit weniger Geld auskommen. "Wir haben noch Glück", sagt Brian Watson.

Tatsächlich leiden viele britische Rentner noch weitaus mehr unter dem Pfundverlust. Das ­bestätigt Jackie Codd Moore. Die 58 Jahre alte Britin ist die Mallorca-Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins Age Concern, der sich um die Belange von Senioren kümmert. Age Concern organisiert Veranstaltungen wie Ausflüge oder Mittagessen, hilft aber auch in Notlagen. "Seit der Umtauschkurs so den Bach runtergegangen ist, haben die Hilferufe bei uns stark zugenommen", sagt Codd.

Besonders schwierig sei die Situation oft bei Witwen, denen nach dem Tod des Ehemannes dessen Pension fehlt. "Wir kümmern uns zum Beispiel um eine 80-Jährige, die nur 280 Euro zur Verfügung hat - unmöglich, davon die Miete zu zahlen und zu essen." Age Concern gibt Essenspakete aus oder begleitet die Rentner, die meist kaum Spanisch sprechen, zu Behörden und zum Arzt. Die finanziellen Schwierigkeiten ziehen psychosoziale Probleme nach sich. "Weil es sich viele Rentner nicht mehr leisten können auszugehen, bleiben sie zu Hause vor dem Fernseher und vereinsamen", sagt Codd. Viele würden auch still vor sich hin leiden, ohne um Unterstützung zu fragen. "Die Briten sind stolz."

Wer seine kompletten Ersparnisse auf Mallorca bereits aufgebraucht hat, kann sich auch nicht einfach mit der Rückkehr nach Großbritannien retten. Denn der Verwaltungsprozess zur Wiederaufnahme ins dortige Sozialsystem dauere bis zu einem halben Jahr. "Wer das Land länger als sechs Monate verlassen hat, muss erst beweisen, dass er wieder fest dort lebt, zum Beispiel mit einer Stromrechnung auf den eigenen Namen", erklärt Codd. Das Problem: Wie finanziert man die Übergangszeit, wo kommt man unter? "Viele haben dort kein Wohneigentum mehr, weil sie alles verkauft haben, um sich ihre Existenz hier aufzubauen. Andere haben ihre Altersvorsorge in der Finanzkrise verloren." Die Lage sei ernst, sagt Codd. "Die Leute müssen jetzt mit wenig auskommen. Viele kennen das ja noch aus dem Krieg."

Wirtschaftlich wirkt sich die geschwundene Kaufkraft der britischen Senioren wohl am stärksten bei den Immobilienmaklern aus. "Der englische Markt ist tot für uns", sagt Lutz Minkner, Inhaber des Immobilienunternehmens Minkner & Partner. Früher seien etwa 45 Prozent der Kaufinteressenten Briten gewesen, in manchen Monaten bis zu 80 Prozent. "Früher", das ist erst zweieinhalb Jahre her. Und noch vor wenigen Monaten habe sein Unternehmen mit mehreren Briten verhandelt.

"Einige aus der Generation 50, 55 plus suchten nach einem Zuhause für ihren Lebensabend auf der Insel." Doch kurz vor der Unterschrift platzten die Geschäfte. Der Verlust ihrer Währung - und damit ihrer Ersparnisse und ihrer voraussichtlichen Rente - war so dramatisch, dass ein Hauskauf auf Mallorca für sie nicht mehr in Frage kam. Dagegen weiß Minkner von britischen Rentnern, die demnächst ihre Finca bei Llucmajor verkaufen wollen, um sich mit dem Euro-Gewinn ein neues Leben in England aufbauen zu können. "Er ist über 70, sie Mitte 60."

Wer helfen will, meldet sich bei Age Concern. Tel.: 971-23 15 20,

Spendenkonto bei Banca March: 0061 0139 01 0091750116.

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