Das EU-Parlament benötigte gerade einmal fünf Minuten, um Spanien für seine Besiedlungs- und Küstenschutzpolitik abzustrafen. "Bei der Bekanntgabe des Ergebnisses hätte ich am liebsten sofort laut gejubelt, aber ich wollte natürlich nicht von der Tribüne verwiesen werden", sagt Nordhild Köhler. Die Deutsche, die auf Mallorcas Nachbarinsel Formentera selbst betroffen ist von den im spanischen Küstengesetz vorgesehenen Enteignungen, war eigens nach Straßburg gereist, um bei der Abstimmung dabei zu sein.

Die Annahme des Berichts der dänischen EU-Abgeordneten Margrete Auken feiern die Betroffenen nun als wichtigen Etappensieg. Die Parlamentarier stimmen ihm am Donnerstag (26.3.) mit 349 Stimmen bei 110 Gegenstimmen und 114 Enthaltungen zu. Die Grünen-Politikerin kritisiert in ihrem Bericht vor allem die Exzesse in der Baupolitik und fordert die spanische Regierung auf, alle Bauvorhaben zu stoppen, die nicht den Kriterien der Nachhaltigkeit gerecht werden. Falls nicht, will das Parlament Spanien auch Mittel aus den Kohäsionsfonds streichen.

Im Fall des Küstengesetzes fordert der Bericht die Regierung auf, Vorhaben aufzugeben, ?die nicht den Schutz des rechtmäßigen Eigentums von legal erworbenen Immobilien garantieren". Eine Enteignung dürfe sich in keinem Fall auf ein Gesetz stützen, das nach dem Erwerb des Grundstücks verabschiedet worden sei.

Genau das sieht das Küsten- gesetz von 1988 aber vor: Häuser in erster Strandlinie sollen demnach nach einer Übergangsfrist von maximal 60 Jahren enteignet werden, Eigentümer erhalten lediglich die Möglichkeit, eine zeitlich begrenzte Konzession zu beantragen (MZ berichtete). Das Gesetz hat vor allem an der Festlandküste Tausende Betroffene gegen das spanische Umweltministerium aufgebracht, auf den Balearen sind bislang besonders Residenten auf Formentera betroffen.

"Die Abstimmung über die mehr als fünfjährige Arbeit des EU-Petitionsausschusses ist ein Schritt auf dem Weg zur Wiedereinsetzung in unsere legitimen Rechte", sagt Köhler. Nun könne man auf einen ?gemäßigteren Ton" bei den Küstenschutzbehörden hoffen und vor allem darauf, dass viele Familien auf Formentera ?die Grundstücke ihrer Vorväter als rechtmäßige Eigen- tümer behalten können". Die Deutsche kämpft zudem auch um ein vor fast 30 Jahren gekauftes Reihenhäuschen, das nun hoffentlich ihrer Familie erhalten bleibe.

Auch auf Mallorca wird die Entscheidung begrüßt, allerdings sind hier bislang wenige betroffene Besitzer von Mallorca Immobilien bekannt. Unter ihnen ist auch eine Deutsche aus Cala Blava, die nun einen Anwalt in Madrid eingeschaltet hat. ?Die Situation auf Mallorca ist besorgniserregend", sagt Pedro Rodríguez, der auch Betroffenenverbände auf dem Festland vertritt. Er geht davon aus, dass auf der Insel vor allem Ausländer betroffen sind, die noch gar nicht mitbekommen hätten, dass ihnen ihr Haus am Strand gar nicht mehr gehöre.

"Das Problem an sich ist nicht das Küstengesetz, sondern seine Auslegung", sagt Rodríguez. Die jetzige Entscheidung in Straßburg werde eine wichtige Grundlage sein für nun geplante Gespräche mit Politikern, um gegen das "missbräuchliche Vorgehen der spanischen Behörden" vorzugehen. Denn in vielen Fällen ließe sich auch eine andere Lösung als eine Enteignung finden, um den öffentlichen Zugang zur Küste zu garantieren.

Die spanische Regierung hat sich zu möglichen Konsequenzen bislang nicht geäußert. Abgeordnete der Sozialisten (PSOE) und der Volkspartei (PP) waren mit Gegenanträgen zum Auken-Bericht gescheitert und geben sich nun gegenseitig die Schuld dafür, dass Spanien als "Bananenrepublik" dastehe, wie es der PP-Abgeordnete José Manuel García-Margallo formulierte. Die PP hatte gegen den Auken-Bericht gestimmt, die Sozialisten enthielten sich.

Der Kampf gegen das Küstengesetz hat indessen auch das Lager der Betroffenen gespaltet. So hat die bisherige Präsidentin Carmen del Amo neben der "Plataforma Nacional de Afectados por la Ley de Costas" eine neue Initiative gegründet, die ?Asociación Europea de Perjudicados por la Ley de Costas". Beide Vereinigungen hoffen nun, dass das Küstengesetz in wichtigen Punkten geändert wird.

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