Eine kurze Rundfahrt durch die Tramuntana und schon sprudeln die Ideen, wie Mallorca grüner werden kann. Gunter Pauli tritt als Öko-Macher auf, im bewussten Gegensatz zu Bio-Romantikern, Umstürzlern und Weltuntergangspropheten. Der 53-jährige Belgier, der am Montag (21.9.) von der Camper-Stiftung zu einem Vortrag in den Landsitz Son Fortesa bei Alaró eingeladen wurde, fordert „unternehmerisches, positives Denken" im Kampf für die Umwelt. Seine Ideen verbreitet der Mitstreiter des Club of Rome und Gründer von ZERI (Zero Emissions Research and Initiatives) mit Büchern, Vorträgen und Coachingprogrammen.

Sie leben in Tokio, reisen ständig. Nun ist Reiseverkehr eine der Hauptursachen der Umwelt-misere. Technologische Lösungen zeichnen sich keine ab. Ihr Vorschlag?

Zum einen habe ich mich an Initiativen beteiligt, durch die in 25 Jahren 8.000 Hektar Regenwald aufgeforstet wurden. Aber man sollte das Thema nicht so eng betrachten und sich beim Transport nicht an das Problem Auspuff und Abgase klammern. Wenn Sie nach Schuldigen suchen, finden Sie immer welche. Wer Pilze isst, um die Natur zu schonen, schadet in Wahrheit den Eichenwäldern in China – dort kommen sie her. Wir befassen uns zu viel mit den Problemen und viel zu wenig mit Lösungen. Wir sind in Wahrheit Homo non-sapiens: Nichts wissende Menschen.

Die Umweltstiftung WWF hat berechnet, dass ein zweiwöchiger Mallorca-Urlaub pro Person 925 Kilo CO2 produziert, großteils durch Transport. Die Lösung?

Nur ein Beispiel: Ich bin heute ein wenig durch die Tramuntana gefahren und habe sofort gedacht: ein ideales Gebiet für Jatropha-Pflanzungen. Man könnte zunächst 20.000 Hektar anbauen, und zwar dort, wo heute nichts wächst, auf trockenem, steinigem Grund. Jatropha ist extrem genügsam und eignet sich hervorragend für die Produktion von Ökosprit. Das ist viel besser, als etwa Mais zu Sprit zu verarbeiten.

Und wie überzeugen Sie den Konsumenten, für den in der Krise Geiz geiler ist denn je?

Mallorca hat jährlich elf Millionen Besucher. Auf deren Umweltbewusstsein muss man abzielen. Autovermieter könnten sagen: Bei uns startet Ihre Reise mit Biosprit!

Stichwort Krise: Fluch oder Segen für Ihre Ideen?

Ein Segen! Wir haben 20 Jahre lang mit Geld gewirtschaftet, das eigentlich nicht existiert hat, wir fanden es normal, risikofrei und ohne Arbeit acht oder zehn Prozent Zinsen zu erhalten, und nun ist das Absurde an diesem Modell offensichtlich und die Notwendigkeit des Wandels deutlicher denn je. Gleichzeitig erweist sich die Nachhaltigkeit origineller Initiativen, für die man vor wenigen Jahren noch belächelt wurde.

Wo funktioniert bereits, was Sie propagieren?

Brasilia, die Hauptstadt Brasiliens. Sie wurde in den 60er Jahren errichtet, hatte damals 200.000 Einwohner und hat heute zwei Millionen. Und versorgt sich bis dato selbst mit Nahrungsmitteln, denn man plante damals die Nahversorgung durch Bauern ein.

Wo sehen Sie in Europa beispielgebende Modelle?

Die Wirtschaft, die sich rund um die Slow-Food-Philosophie im Piemont entwickelt hat. In einer Zeit, als Elektronik-, Flugzeug- und Autoindustrie als zukunftsweisend galten, sagten sich die kleinen Produzenten dort: Wir erzeugen Mehrwert mit Lebensmitteln. 600 Parmigiano-Sorten statt Standardisierung. Wein, Käse, Pasta – und die europäischen Konsumenten haben es angenommen. Diese ´altmodischen´ Betriebe beschäftigen heute mehr Menschen als die Elektronik-, Flugzeug- und Autoindustrie zusammengenommen.

Was hat die Umwelt davon?

Es geht darum, aus dem, was die Natur herstellt, mehr Wert herauszuholen. Simples Beispiel: Ein Kaffeetrinker nutzt lediglich 0,2 Prozent der vom Bauern geernteten Biomasse, 99,8 Prozent sind Abfall. Und Greenpeace hat noch nie eine Kampagne gegen das Kaffeetrinken gestartet! Ich schlage Lösungen vor. Auf Kaffeesatz lässt sich bestens Shiitake züchten, ein gesundes Nahrungsmittel, heute noch sehr teuer, aber je mehr man produziert – auf Kaffeesatz! – umso preiswerter wird es.

Warum macht man das nicht?

Weil die Firmen noch einem überholten Geschäftsmodell verpflichtet sind, zu eng denken und operieren. Die wollen sich nur auf ihr ´Core Business´ konzentrieren. Ich plädiere für Vielseitigkeit.

Sie gehören dem Club of Rome an, der in den 60ern das nahe Ende der Rohstoffe prophezeite. Wie spät ist es auf Ihrer Welt- untergangs-Uhr?

Wenn man die schlechten Nachrichten aneinanderreiht: sehr spät. Aber ich meine: Es ist nicht zu Ende, es geht erst richtig los!

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Wirtschaftskrise: Die Angst vor dem harten Winter

- Palma setzt auf umweltfreundlichen Transport

- Gas marsch: Mallorca an Pipeline angeschlossen

- Umzugspläne von deutscher Schule geplatzt

- Aufregung um 25 hohen Radarturm in Cala Millor

- Der Trick mit der Goldmine: Wie Dividium Capital Anleger prellte