Teure Autos, schnelle Yachten sowie Reise- und Übernachtungsgutscheine im Wert von mehreren tausend Euro – was Anke Klarmann* (*Name geändert) aus Palma von einem Vertriebspartner der Firma TVI Express versprochen wurde, klang verlockend. Alles, was sie dafür tun müsse: einmalig eine Aufnahmegebühr in Höhe von 200 Euro bezahlen und zwei neue Mitglieder anwerben. Weitere Kosten würden nicht anfallen. Dass sich dahinter ein illegales Schneeballsystem versteckt, ahnte Anke Klarmann noch nicht.

„Der Mann wirkte seriös", sagt sie. Er trug einen Anzug, machte einen gebildeten Eindruck und arbeitet hauptberuflich als Vertreter einer großen deutschen Versicherung auf Mallorca, erinnert sie sich. Allein wegen seines guten Rufes als Versicherungsfachmann habe sie ihm zunächst vertraut.

Allerdings machte es sie stutzig, dass sie noch nichts von der Firma TVI (Travel Ventures International) gehört hatte. Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, wie aus 200 Euro Einsatz nach kurzer Zeit 10.000 Dollar und mehr werden sollten, ohne dass eine greifbare Gegenleistung erbracht wird. Denn außer neue Mitglieder zu rekrutieren, musste nach Aussage des TVI-Werbers keine Leistung erbracht werden.

Klarmann informierte sich im Internet über das Unternehmen. Googles Suchmaschine spuckt nach Eingabe von „TVI Express" mehr als drei Millionen Treffer aus. Viele führen zu Werbeseiten auf Englisch, Deutsch oder Spanisch, auf denen mit großer Schrift und bunten Bildern das Unternehmen präsentiert wird, zum Beispiel www.tviexpress.com.

Auf der Startseite versprechen die Macher finanzielle Freiheit und Reichtum für alle – unabhängig von Ausbildung, Alter und Herkunft. Tausende Menschen aus mehr als 50 Ländern würden bereits mitmachen – Tendenz steigend. Ihre Arbeitszeit könnten sie selbst bestimmen, genauso wie die Partner, mit denen sie zusammenarbeiten wollen. Eine Einkommensgrenze gebe es nicht. Für Anke Klarmann war das zu viel des Guten – die Mallorca-Deutsche lehnte ab.

Andere konnten nicht widerstehen. Timo Meißner* – ebenfalls Versicherungsverkäufer auf der Insel – ist Mitte November eingestiegen. Er zahlte per Kreditkarte 200 Euro und hat mittlerweile seine Eltern sowie einen guten Freund geworben. Durch sein Engagement ist er in der Hierarchie aufgestiegen und hat Gutscheine bekommen. „Die habe ich aber nicht eingelöst, sondern reinvestiert, um noch weiter aufzusteigen." Das sei lukrativer als sich die vouchers auszahlen zu lassen.

Es gibt aber auch TVI-Mitglieder, die ihre Gutscheine einlösen wollten, aber nicht konnten, zum Beispiel die Schwester eines gewissen „wagemut". Über mehrere Textbeiträge hinweg berichtet er auf www.gutefrage.net von den Anstrengungen, die sie unternommen hat, um an die Leistungen zu kommen. Er warnt die Nutzer davor, bei TVI Mitglied zu werden: „ (...) Es wird hier ganz übelst mit Hoffnungen von Leuten gespielt, die sowieso schon im finanziellen Aus stehen (...)." Versprochen werde viel, gehalten nichts.

Das sieht Rechtsanwalt Thorsten Meinicke von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein ähnlich. „Nach meiner Rechtsauffassung handelt es sich um ein illegales Schneeballsystem." Das Konzept offenbare die typischen Merkmale: TVI verspreche sehr hohe Verdienstmöglichkeiten und teure Geschenke bei einem verhältnismäßig geringen Einsatz. Zudem werde nicht erklärt, wie das alles finanziert werden soll.

Meinicke kritisiert zudem, dass sich die Verantwortlichen nicht zu erkennen geben. Auf der offiziellen Seite tauchen zwar die Kontaktdaten eines vermeintlichen Ansprechpartners in Zypern auf. Allerdings ist nicht ersichtlich, in welcher Funktion die genannte Person auftritt oder ob sie überhaupt ein Mitarbeiter von TVI ist. Darüber hinaus führt die angegebene Telefonnummer jeden Anrufer in ein anonymes Callcenter nach England.

Auch für Pressevertreter sind TVI-Repräsentanten nicht zu sprechen. Eine Anfrage der Mallorca Zeitung blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Selbst der Werber von Anke Klarmann hält sich bedeckt. Gegenüber der MZ wollte er über TVI und sein Engagement nicht reden: „Das ist Privatsache."

„Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das alles ein großer Betrug", sagt Meinicke. Nach Auffassung des Rechtsexperten täuschen die Hintermänner des Systems die potenziellen Mitglieder über deren – nicht bestehende – Ertragschancen und motivieren sie auf diese Weise, Geld zu investieren. Vermutlich würden die Verantwortlichen gewerbsmäßig handeln und möglicherweise die Absicht haben, sehr viele Menschen zu betrügen. Laut Paragraph 263 Strafgesetzbuch droht ihnen für diesen Betrug eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.

Darüber hinaus greife Paragraph 16, Absatz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Demnach könnten die Anbieter nach einer Anklage wegen „strafbarer Werbung" zu einer hohen Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verurteilt werden.

TVI zu verklagen, hätte aber kaum Aussichten auf Erfolg. „Für 200 Euro lohnt sich der Aufwand nicht." Nach Meinickes Einschätzung ist das Geld verloren.

Lufthansa, Avis und Marriott hingegen haben rechtliche Schritte eingeleitet, denn TVI wirbt fälschlicherweise mit ihnen als Kooperationspartner. Ihre Logos erscheinen auf Firmenpräsentationen, gemeinsam mit anderen namhaften Unternehmen aus dem Reise- und Tourismusbereich. Lufthansa hat mit ihrer Schwestergesellschaft Swiss nach Aussage einer Sprecherin zuvor bereits versucht, TVI abzumahnen. „Leider war es bisher nicht möglich, an die Firma heranzukommen, da Briefe als unzustellbar zurückgekommen sind."

Das System von TVI Express: Ohne neue Mitglieder bricht es zusammen

Travel Ventures International (TVI) verspricht seinen Mitgliedern unbegrenzte Verdienstmöglichkeiten. Doch zunächst muss jedes neue Mitglied eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 200 Euro zahlen. Dadurch rutscht es in ein hierarchisch aufgebautes Empfehlungssystem, das aus zwei Bereichen besteht, sogenannten boards, die wie Baumdiagramme aufgebaut sind: Die neuen Mitglieder stehen auf der untersten Stufe, die alten Hasen entsprechend weit oben – je nachdem, wie viele Personen sie schon geworben haben.

Um in diesem System aufzusteigen, muss jeder mindestens zwei weitere zahlungsfreudige Mitglieder für TVI gewinnen. Die wiederum werden angehalten, das Gleiche zu tun. Dadurch wächst die Gruppe. Wie schnell, hängt vom Engagement ihrer Mitglieder ab beziehungsweise von der Bereitschaft der Außenstehenden, dem System beizutreten. Beide Faktoren beeinflussen auch die Geschwindigkeit, mit der ein Mitglied aufsteigt. Wenn die Gruppenmitglieder immer wieder neue Personen anwerben, haben sie irgendwann beide Bereiche durchlaufen.

Nach jedem Aufstieg soll es einen Geldgutschein geben, erst 500 Dollar, dann 10.000 plus einen Reisegutschein im Wert von 5.000 Dollar. Später würden Laptops, Luxusautos, Yachten und Privatjets folgen. Sogar fürstliche Gehälter werden versprochen.

Das Problem am System: Es läuft nur, wenn immer wieder neue Mitglieder geworben werden, die bereit sind, die Aufnahmegebühr zu bezahlen. Versiegt diese Geldquelle, bricht das ganze System zusammen und die meisten gehen leer aus. Gewonnen haben höchstens jene, die von Anfang an mitgemacht haben und ganz oben in der Hierarchie stehen – also vermutlich nur die Gründer.

In der Printausgabe vom 25. Februar (Nummer 512) lesen Sie außerdem:

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