Eine Woche Heimaturlaub in Berlin, dann wollte Mallorca-­Residentin Clarissa Müller (Name geändert) mit ihrer Familie wieder zurück auf die Insel fliegen. Mit Easyjet, für 39 Euro pro Person und Strecke ein Schnäppchen. „Wenn wir geahnt hätten, welchen Ärger wir uns damit einhandeln, hätten wir auf alle Fälle bei einer anderen Fluggesellschaft gebucht", sagt Müller.

Denn die Billig-Airline sagte den für vergangenen Sonntag (29.8.) um 19.55 Uhr vorgesehenen Flug am Tag zuvor per SMS und E-Mail ohne Angabe von Gründen einfach ab. Eine Odyssee begann: Von der nicht erreichbaren Kunden-Hotline über die erfolglose Suche nach zeitnahen Alternativ-Flügen auf der Easyjet-Internetseite bis zu der Erkenntnis, dass die Familie nur mit einer teuren Last-Minute-

Buchung bei einer anderen Airline wieder rechtzeitig zurück in Palma sein konnte. Schließlich musste Müllers Mann am Montagmorgen dort wieder im Büro antreten. Dies schaffte die Familie schließlich nur knapp mit einem Air-Berlin-Flug für 225 Euro pro Person. Für sie steht fest: „Nie wieder Easyjet."

Mit ähnlichen Problemen vergrault die britische Fluggesellschaft immer mehr Passagiere. Neben Flugausfällen und Verlegungen macht sich Easyjet auch mit Verspätungen und mangelndem Service und einer Verzögerungstaktik bei berechtigten Schadensersatzforderungen unbeliebt. Im Internet wimmelt es in Medienberichten, privaten Seiten und sozialen Netzwerken von Beschwerden und Warnungen vor der Fluggesellschaft. Eine kürzlich veröffentlichte Statistik des Londoner Flughafens Gatwick belegte, dass mehr als die Hälfte der

Easyjet-Flüge verspätet sind. Auf der Online-Seite www.finance­markets.co.uk erklärten daraufhin Angestellte der Airline die Probleme mit zu knapp bemessener Belegschaft. Es seien mehr Flüge angesetzt, als Crews verfügbar sind. Den Piloten werde außerdem eingetrichtert, nicht die wahren Gründe von Verspätungen anzugeben, um so Schadensersatzforderungen aufgrund von „außergewöhnlichen Umständen" ablehnen zu können.

Firmengründer Stelios Haji-Ioannou, gebürtiger Zypriote, ist indessen so erbost über die Vorgänge bei Easyjet, dass er mit dem Entzug des Markennamens „Easy" droht, wenn die Standards bis Oktober nicht verbessert werden. Die Vorwürfe zu ihren Schwachpunkten weist die Airline nach außen hin als Einzelfälle zurück. „Vereinzelte Flugausfälle sind bei allen Fluggesellschaften üblich, nicht nur bei uns", sagt Sprecher Oliver Aust.

Die anderen Mallorca-Flieger wie Air Berlin, Condor und Tui-fly widersprechen dieser Aussage allerdings übereinstimmend. Ohne außergewöhnliche Umstände könne es bei Kurz- und Mittelstrecken allenfalls Verzögerungen um mehrere Stunden geben, nur in seltenen Ausnahmefällen verschiebe sich ein Flug auf einen anderen Tag.

Auch bei Branchen-Insidern ist Easyjet als schwarzes Schaf bekannt. Die Zahl der Verspätungen und Annullierungen bei der Airline gehe weit über das normale Maß hinaus, heißt es. Der Billigflieger spekuliere wohl darauf, dass viele Passagiere angesichts der günstigen Ticketpreise und des Firmensitzes im Ausland nicht die Mühen einer Klage auf sich nehmen wollen. Dennoch liegen beim deutschen Luftfahrtbundesamt bereits Klagen vor.

Bei der Verbraucherzentrale Berlin beschweren sich unzufriedene Kunden vor allem über die mangelnde Erreichbarkeit der Airline. Auch bei Familie Müller brach die kostenpflichtige Hotline (14 Cent pro Minute) ständig ab. Die Familie will jetzt von Easyjet die ihnen nach der EU-Verordnung 261/2004 zustehende Entschädigung von 400 Euro pro Person und die Übernahme der Kosten des Ersatzfluges einfordern.

In der Printausgabe vom 9. September (Nummer 540) lesen Sie außerdem:

- Soziale Schieflage droht: Produktivität steigt, Einkommen sinkt

- Kampf dem Schneckentempo: Langes Warten auf schnelles Internet

- Erste Strafgebühren beim ICP-Schalter: Gesa-Endesa bittet Kunden zur Kasse

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