In der Dorfbar in Pina isst der kleine Marius (10) Sobrassada-Brötchen und unterhält sich in fließendem Mallorquinisch mit den Senioren des Orts. Nach vier Jahren auf der Insel ist der junge Deutsche perfekt integriert. Seine Mutter Kirsten Koopmann führt dies zu einem großen Teil darauf zurück, dass der Unterricht ihres Sohnes an der öffentlichen Schule in Algaida fast ausschließlich auf Katalanisch abläuft. „Die Mallorquiner haben das Recht, ihre Sprache zu bewahren. Dazu ist eine massive Förderung notwendig. Wir Ausländer müssen uns da anpassen", sagt sie.

Mit ihrer Überzeugung liegt Koopmann ganz auf der Linie des balearischen Kultusministeriums. Viele andere Mallorca-Deutsche, andere Ausländer auf der Insel, aber auch Festlandspanier und Mallorquiner, deren Muttersprache Spanisch ist, halten die Bevorzugung des Katalanischen in den Schulen indessen für übertrieben und wünschen sich mehr Unterricht auf Spanisch.

Sicherlich auch mit Blick auf ihre Stimmen hat der balearische PP-Chef und Bürgermeister von Marratxí, José Ramón Bauzá, Anfang Oktober angekündigt, bei einem Wahlsieg die Katalanisch-Vorschriften zu lockern (siehe Interview und Kasten). Mit seinem Vorstoß handelte er sich allerdings nicht nur Ärger mit dem politischen Gegner, sondern auch in der eigenen Partei ein. Anders als Bauzá in seiner Gemeinde Marratxí am Dienstag (30.11.), unterstützten die Konservativen in Inca, Alaró, Sa Pobla und Pollença einen Antrag der nationalistischen PSM zur Verteidigung der Sprachen-Verordnung für die Schulen.

Dabei wäre eine Änderung der gesetzlichen Regelung wohl gar nicht unbedingt notwendig, um mehr Spanisch in die Klassenzimmer der Insel zu bringen. Denn ausdrücklich vorgeschrieben ist lediglich die Verwendung von mindestens genauso viel Katalanisch wie Spanisch. In der Praxis jedoch wird dieser Anspruch in den öffentlichen und öffentlich anerkannten Schulen deutlich übererfüllt.

Beispiel: In der Sekundar­schule Bendinat, wo auch viele deutsche Kinder unter den Schülern sind, ist 87 Prozent des schriftlichen Materials wie Bücher und Arbeitsblätter auf Katalanisch. Rund 70 Prozent des Unterrichts läuft auf Katalanisch ab, 25 Prozent auf Spanisch und 5 Prozent in Fremdsprachen wie Englisch oder Französisch. Jeder Lehrer muss zu Beginn des Schuljahres angeben, in welcher Sprache er seinen Unterricht geben wird. Am Ende des Schuljahres muss er erneut darüber berichten, in welcher Sprache tatsächlich im Klassenzimmer gesprochen wurde. So wird die Einhaltung des Mindestanteils an Katalanisch sichergestellt.

„Wir empfehlen den Lehrern die Verwendung des Katalanischen, aber ohne Druck zu machen", sagt Schulleiterin Margarita Gomila. In der Praxis werde das Sprachenthema flexibel gehandhabt. So könne es etwa passieren, dass der katalanischsprachige Mathematikunterricht auf Spanisch umgestellt werde, wenn viele ausländische Kinder in der Klasse Verständnisprobleme haben. Öfter komme es auch vor, dass der Lehrer Katalanisch spreche, ein Schüler aber auf Spanisch antworte. „Meistens haben wir aber keine Probleme, weil die Kinder schon die Vor- und Grundschule auf Katalanisch gemacht haben."

Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Glauben wird auch an den colegios concertados, den meist kirchlichen öffentlich anerkannten Schulen, hauptsächlich auf Katalanisch unterrichtet. „Das hier mehr Unterricht auf Spanisch stattfindet, ist ein Klischee, das nicht viel Grundlage hat", sagt Juan Ramón Reus, Leiter des katholischen San Josep Obrer in Palma. Katalanisch-Anteil hier: etwa 80 Prozent.

Dabei betont auch Ramón Reus, dass er seinen Lehrern keine Vorschriften mache. „Solange der Mindestanteil des Katalanischen erfüllt ist, können sie die Sprache wählen, in der sie sich wohler fühlen." Diese natürlich gefühlte Unterrichtssprache sei allerdings immer mehr das Katalanische. „Das ist eine Konsequenz des Systems. Die jungen Lehrer, die neu zu uns kommen, haben bereits ihre ganze eigene Schullaufbahn auf Katalanisch durchlaufen." Ältere Lehrer, die selbst auf Spanisch unterrichtet wurden, wechseln dagegen immer mal wieder – mitunter ungewollt – ins Spanische. Und trotz der intensiven Katalanisch-Praxis gebe es weiterhin Schüler, die sich besser auf Spanisch ausdrücken, wenn die Eltern Spanisch sprechen.

Die für die Sprachenverwendung zuständige Abteilungsleiterin im Kultusministerium widerspricht dem vielfach von Eltern vorgebrachten Argument, die Absolventen des balearischen Schulsystems würden Defizite im Spanischen haben. „Wir führen regelmäßig Tests in der Grund- und Sekundarstufe durch. Die Ergebnisse für Spanisch und Katalanisch halten sich dabei die Waage", sagt Maria Gener (PSOE). Sprachliche Mängel führt sie eher darauf zurück, dass viele Kinder und Jugendliche kaum lesen. „Wenn dagegen jemand ein gutes Niveau in einer Sprache hat, hat er das meist auch in der anderen."

Der vergleichsweise hohe Gebrauch des Katalanischen sei notwendig, um den starken Einfluss des Spanischen aus dem restlichen Umfeld der Schüler auszugleichen. „Wenn die Schule das Katalanische nicht besonders fördert, lernen die Schüler es nicht gut genug." Zwar werde an vielen Schulen bis zu 80, 90 Prozent auf Katalanisch unterrichtet, es gebe aber auch einzelne Klassen, an denen nicht einmal der Mindestanteil eingehalten werde.

Von zentraler Bedeutung sei die Vorschule auf Katalanisch. „Es ist wichtig, dass die Kinder zunächst auf Katalanisch lesen und schreiben lernen. Das Lautsystem ist umfangreicher als im Spanischen und erleichtert später das Erlernen von Fremdsprachen", sagt Gener. Wenn Vorschulkinder noch nicht oder nur wenig Spanisch sprechen, sei das normal. „Sie sprechen eben in ihrer Muttersprache." Genauso verhalte es sich mit dem Einfluss des Katalanischen auf das Spanische, wenn etwa typische Satzkonstruktionen oder Wörter einer Sprache in der anderen angewendet werden. „Das kommt bei zwei Sprachen in so engem Kontakt immer vor. Je älter die Kinder werden, desto besser können sie aber die Strukturen unterscheiden."

Wer sich auf Mallorca mehr Unterricht auf Spanisch wünscht, dem bleibt nur der Besuch von kostenpflichtigen Privatschulen. Wenn diese nach dem spanischen System arbeiten, sind sie zwar auch dem Sprachendekret verpflichtet, legen dieses aber weniger streng aus. „Viele Eltern wollen eine bessere Balance zwischen Spanisch, Katalanisch und Englisch. Das ist einer der Gründe, warum sie zu uns kommen", sagt Padre ­Pablo, Leiter der Schule San Cayetano, die auch von vielen Deutschen besucht wird. Am Colegio Son Verí Nou werden etwa die Kernfächer auf Spanisch gegeben und am Colegio Luis Vives in Palma kann zwischen Katalanisch und Spanisch als Hauptsprache gewählt werden.

So steht es in der Sprachen-Verordnung für die Schulen

Die rechtliche Grundlage für die Unterrichtssprache in den Schulen auf den Balearen bildet das Dekret 92 aus dem Jahr 1997 (decreto de mínimos). Die Verordnung soll sicherstellen, dass nach dem verpflichtenden Schulbesuch (10. Klasse) alle Schüler gleich gut Katalanisch und Spanisch beherrschen. Laut der Verordnung muss in jeder Schulstufe mindestens genauso viel Katalanisch wie Spanisch benutzt werden. In der Vorschule soll gemäß der Verordnung vorzugsweise der jeweilige lokale Dialekt verwendet werden. Nach dem Besuch der Vorschule sollen die Kinder dem Unterricht sowohl auf Katalanisch als auch auf Spanisch folgen können. Jede Schule muss ein Sprachkonzept (projecte lingüístic) vorlegen, in dem die Unterrichtssprache der einzelnen Fächer festgelegt ist.

Genauere Vorschriften macht das Dekret für die Grund- und Sekundarstufe. In der Grundschule (1. bis 6. Klasse) muss verpflichtend das Fach Heimat- und Sachkunde (coneixement del medi natural, social i cultural) auf Katalanisch unterrichtet werden. In der Sekundarstufe (6. bis 10. Klasse) müssen die Fächer aus dem Bereich Sozial­wissenschaften, Geografie, Geschichte und Naturwissenschaften auf Katalanisch unterrichtet werden. Die Unterrichtssprache in allen weiteren Fächern legt die jeweilige Schule in ihrem Sprachkonzept fest. Idealerweise soll auch bei Veranstaltungen der Schulen außerhalb der Klassenzimmer Katalanisch gesprochen werden.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem ein Interview mit dem PP-Vorsitzenden José Ramón Bauzá.

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