Im Amtszimmer von Mateo Isern (Volkspartei, PP) läuft leise Klassikmusik, die Atmosphäre ist entspannt – zumindest bis im Interview das Thema Fahrradweg zur Sprache kommt. Der politische Quereinsteiger hat bis vor kurzem als Anwalt gearbeitet, als Politiker versteht sich der 52-Jährige auch nach mehr als hundert Tagen im Amt nicht. Der Rathaus-Manager löste im Frühjahr die Sozialistin Aina Calvo im Amt ab und regiert seitdem mit absoluter Mehrheit.

Können Sie in vier Sätzen zusammenfassen, wie Ihr Palma der Zukunft aussehen soll?

Sogar in einem Satz: Arbeitsplätze schaffen und uns in dieser Zeit so intensiv wie möglich um sozial Schwache kümmern. Wenn wir das erreicht haben, können wir über andere Dinge sprechen.

Mit welcher Summe steht Palma derzeit in der Kreide?

Stadtverwaltung und städtische Unternehmen haben rund 600 Millionen Euro Schulden. Die offenen Rechnungen belaufen sich zudem auf rund 150 Millionen Euro. Das Mitte-Links-Bündnis hat in den vergangenen vier Jahren die Bankschulden verdoppelt und die Rechnungsschulden vervierfacht.

Jetzt wollen Sie in zwei Jahren 10 Millionen Euro einsparen, unter anderem durch das Streichen von Überstunden der Angestellten.

Das ist eine von vielen Initiativen, die wir gerade mit den Gewerkschaften abstimmen. Mit dem Wegfall von Ämtern und Beratern sparen wir allein 7,8 Millionen Euro. Weniger politische Posten und mehr Beamte – wir wollen die Stadtverwaltung professionalisieren.

Die Landesregierung hat noch immer keinen Plan zur Begleichung ihrer Schulden vorgelegt. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Wir zahlen inzwischen erste Rechnungen. Wir haben einen neuen Kredit über 17 Millionen Euro aufgenommen, damit können wir 2.000 bis 3.000 Rechnungen kleiner Unternehmer bezahlen und bald auch die restlichen Rechnungen.

Das heißt wann?

Das hängt von den Einnahmen ab, ich hoffe aber, dass wir in ein bis anderthalb Jahren die Rechnungen in 90 bis 100 Tagen begleichen.

Einschnitte gehen immer auf Kosten der Sozialpolitik. Wie wollen Sie den zunehmenden sozialen Problemen in Vierteln wie Son Gotleu begegnen, wo es gerade zu Ausschreitungen kam?

In Son Gotleu gab es Probleme, wir sind aber sofort aktiv geworden.

Sie erschienen erst zwei Wochen später vor Ort …

Aus strategischen Gründen. Das Rathaus besteht nicht nur aus dem Bürgermeister, meine Stadträte agieren eigenständig. Ich wäre sozusagen als Joker zum Einsatz gekommen, wenn die Gespräche ins Stocken geraten wären. Das war aber nicht der Fall. Jetzt hat eine neue Ära begonnen, das Viertel steht ganz oben auf unserer Prioritätenliste. Wir sind von Anfang an mit Polizei, den Stadtwerken Emaya und Sozialarbeitern vor Ort. Nach diesem Sofortprogramm werden wir das weitere Vorgehen mit der Opposition und den Anwohnern besprechen. Die große Mehrheit will dabei helfen, dass Son Gotleu ein Viertel wie jedes andere wird.

Emaya ist bislang vor allem für Korruptionsskandale bekannt, ausgerechnet im Sommer nahmen viele Mitarbeiter Urlaub, die Straßen blieben schmutzig. Welche Konsequenzen ziehen Sie?

Sicherheit und Sauberkeit sind wichtige Stichworte meines Wahlprogramms. Emaya wollen wir nun in ein modernes, effizientes Unternehmen verwandeln und Schluss mit der Vetternwirtschaft machen. Emaya wird umstrukturiert, es gibt neue Verantwortliche für Personalplanung und Strategie, viele andere unnötige Posten wurden gestrichen. Mit den Mitarbeitern werden wir einen Tarifvertrag aushandeln, damit sie nicht gerade dann in Urlaub gehen, wenn die meiste Arbeit anfällt. Emaya hat genügend personelle und technische Ressourcen, damit Palma eine saubere Stadt ist. In zwei Wochen werden wir dafür eine Strategie vorlegen.

Sie wollen die Wirtschaft in Palma mit Hilfe privater Investoren reaktivieren. Wer sollte das sein?

Ich war überrascht von der großen Zahl von Projekten, die in den vergangenen vier Jahren umgesetzt werden sollten, die Mitte-Links aber wegen interner Streitigkeiten nur verzögert hat.

Können Sie die Projekte konkretisieren?

Lieber nicht, sie sollen nicht zerredet werden. Diskretion ist derzeit das Beste. Aber in den kommenden Wochen werden wir sehr bedeutende Vorhaben zu sehen bekommen.

Ein Megaprojekt wurde jetzt für das Tourismusgebiet Magaluf vorgestellt (S. 4-5). Läuft es der Playa de Palma den Rang ab?

Das Modernisierungsprojekt der vergangenen Jahre war falsch ausgerichtet. Wenn die PP nun wohl bald in Spanien an die Macht kommt, wird vieles einfacher.

In Magaluf geht die Initiative aber von Privatinvestoren aus.

Das soll auch bei uns so sein, es stehen sehr große Investitionen an. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen in der Stadtplanung schaffen.

Trauen Sie sich, ein Datum für die erste Veranstaltung in Palmas Kongresspalast zu nennen?

Ich wage es: Im März, April 2013 wird er fertig sein – falls keine neuen Komplikationen auftreten. Nicht die Stadt hat die Zahlungsengpässe verschuldet, sondern die Zentralregierung. Unsere Vorgänger haben zudem das Geld für andere Dinge verwendet.

Wie kommen Sie eigentlich täglich zur Arbeit?

Zu Fuß. Ich bin begeisterter Fußgänger, dabei komme ich mit Bürgern ins Gespräch. Autofahren in Palma macht mich nervös. Ich fahre auch gerne Fahrrad, aber nicht beruflich, weil man zu sehr schwitzt. Am liebsten fahre ich nach Arenal am Meer entlang, auf dem Fahrradweg, den meine Partei angelegt hat.

Der Fahrradweg des Innenstadtrings gefiel Ihnen nicht, der Rückbau stößt bei vielen deutschen Residenten auf Unverständnis. Bereuen Sie diesen Schritt?

Den Fahrradweg benutzen 700 bis 800 Personen in beiden Richtungen, Autos verkehren 18.000 pro Tag in nur eine Richtung. Sehen Sie da eine Berechtigung für einen Fahrradweg? Darf er die Hauptverkehrsader der Stadt beeinträchtigen? Wir haben zudem eine Alternativroute angelegt. Erklären Sie Ihren Landsleuten, dass der Weg mit der geplanten Straßenbahn ohnehin wieder verschwunden wäre. Die nötigen 200.000 Euro standen im Haushalt zur Verfügung. Nicht zuletzt haben wir ein Wahlversprechen erfüllt.

Ist Verkehrsplanung für Sie nur Reaktion auf Nachfrage statt Steuerungsinstrument?

Die Alternativroute führt mitten durch die Stadt und belastet die Hauptverkehrsader nicht. Glauben Sie nicht, dass wir viel größere Probleme als den Radweg haben? Müssen wir ständig darüber reden, wenn gerade mal 50 Personen dafür auf die Straße gehen?

Anders gefragt: Wie sieht Ihr Modell für den öffentlichen Nahverkehr der Zukunft aus?

Derzeit arbeite ich daran, dass es überhaupt einen Nahverkehr gibt. Die Verkehrsbetriebe EMT haben ein jährliches Defizit von 9,5 Millionen Euro, unter anderem weil auf manchen Strecken die Taktfrequenzen zu hoch und damit unrentabel sind. 23 der 47 Millionen Euro Einnahmen sind ohnehin nicht rückzahlbare Beihilfen. Wenn ich den Betrieb auf eine gesunde finanzielle Basis gestellt habe, können wir über andere Dinge reden. Ich bin nun mal Pragmatiker.

… ohne langfristige Vision?

Ich muss Probleme lösen. Mich interessiert nur die Gegenwart.

Sie haben im Wahlkampf stets betont, dass Sie sich nicht als Politiker fühlen. Wie sieht es jetzt aus?

Ich will keine Politik machen, sondern managen – mich hinter meinen Schreibtisch setzen und Probleme lösen, rationalisieren und sparen.

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