Der Landesminister für Tourismus, Carlos Delgado, sorgt mit seinen Plänen für ein neues allgemeines Tourismusgesetz weiter für Unmut auf der Insel. Nun haben sich der Einzelhandel, die Betreiber von Discotheken und die Gewerkschaften zu Wort gemeldet und wettern gegen die vermeintliche Bevorzugung der Hoteliers. Die Händler befürchten, dass durch die sehr freizügige Regelung für Hotels in den touristischen Küstengebieten der Insel eine Art "großer China-Basar" entstehen könnte, und sehen die restlichen Geschäfte im Nachteil.

Anstoß nehmen die kleinen und mittleren Unternehmen an dem Artikel 32 des von Delgado vorgelegten Gesetzesentwurfs. Dort steht im Abschnitt 4, dass ein Unternehmen, das als Tourismusunternehmen gemeldet ist, auch Nebengeschäfte (usos secundarios) betreiben kann, ohne dafür über eine gesonderte Genehmigung verfügen zu müssen. Ein Hotel darf also zum Beispiel auch gewerbliche, kulturelle, sportliche oder andere Freizeitaktivitäten anbieten.

Im Klartext heißt das: Ein Hotelier darf nicht nur Zimmer vermieten, sondern innerhalb seiner Anlagen gleichzeitig eine öffentlich zugängliche Discothek, einen Konzertsaal, einen Tennisclub oder eben einen Laden für Lederhandtaschen betreiben. Und das, ohne dafür eine weitere Betriebsgenehmigung mit entsprechenden Auflagen vorlegen zu müssen. Hintergrund der neuen Regelung dürfte unter anderem der Streit um das Themenhotel ­Mallorca Rocks in Magaluf sein: Einzelhändler und Gastronomen forderten dort ein Konzertverbot, konnten sich damit jedoch nicht gegen die lange von Carlos Delgado geführte Gemeinde Calvià durchsetzen.

Da es den Hoteliers gleichzeitig ohne große bürokratischen Hürden erlaubt werden soll, die Hotelanlagen baulich zu erweitern, fürchten sowohl die Einzelhändler als auch die Betreiber von Sportanlagen oder Konzertsälen eine ungeregelte, kaum kontrollierbare und somit unlautere Konkurrenz in den Urlauberhochburgen.

Der Vorsitzende des Einzelhändlerverbandes Afedeco, Bartolomé Servera, nahm bei seiner Kritik kein Blatt vor den Mund und bezeichnete den Gesetzesentwurf des Tourismusministers als "geisteskrank". Es bräche das Chaos aus, wenn "eine Bar plötzlich auch Parfüm verkaufen oder ein Ladenbesitzer nebenbei Hamburger braten" könne. In kurzer Zeit würden sich die touristischen Geschäftsmeilen in unkontrollierbare ?China-Basare" verwandeln.

Auch der Verband der Discothekenbetreiber sieht sich bedroht. Der stellvertretende Vorsitzende Bartolomé Sbert warnte davor, dass sich durch diese Konkurrenz ein Preiskampf entwickeln könnte, der die Qualität des Angebots und damit den Ruf der Branche beschädigen könne. Ebenso dagegen: die Gewerkschaften CCOO und UGT sowie das Linksbündnis PSM-IV-ExM. Die Einnahmen aus dem Tourismus würden durch derlei Regelungen in einige wenige Hände fließen statt vielen kleineren Unternehmen zugutezukommen.

Auf der anderen Seite verteidigte die im Mai 2011 gewählte konservative Balearen-Regierung unter José Ramón Bauzá das Gesetzesvorhaben. Es ginge keinesfalls darum, den Hoteliers "einen Blankoscheck auszustellen". Vielmehr wolle man den Tourismus der Balearen der Zeit anpassen und zu Investitionen animieren. Damit solle das touristische Angebot erneuert werden, stellte der Sprecher der Landesregierung, Rafael Bosch, klar. Er verwies auch auf die Konkurrenz in anderen Ferienregionen, in denen es keine so engen Beschränkungen für das touristische Angebot gebe, ohne allerdings konkrete Beispiele zu nennen.

Lob erhielt das geplante Gesetz vom mallorquinischen Hoteliersverband (FEHM). Mit dem Entwurf werde endlich eine schon "lange aufgeschobene Aufgabe angegangen", indem man nicht nur die Gesetzeslage für neue Hotels verbessere, sondern auch die Spielräume bereits bestehender Häuser erweitere, erklärte die Geschäftsführerin Inmaculada de Benito. Das Gesetz fördere die Investition und stelle ein "wirksames Instrument" dar, um den Tourismus auf den Inseln nach vorne zu bringen.

Über die Weihnachtsfeiertage ist die Frist abgelaufen, Änderungsvorschläge für das Gesetz einzureichen. Die Landesregierung kündigte an, die eingegangenen Vorschläge zu prüfen, um das Gesetz zu verbessern, ohne aber von der ursprünglichen Stoßrichtung abzuweichen. Bis zum Sommer 2012 soll es beschlossen werden und in Kraft treten.