An diesem Dienstagabend (20.9.) spielt sich das Drama der Schließung der deutschen Viva-Schule auf der Terrasse des Tennisclubs von Costa de la Calma ab. Dorthin hat die zuständige Gemeinderätin Esperanza Català (PP) die rund hundert betroffenen Familien bestellt, um ihnen zu erklären, warum es ihre Schule nicht mehr geben darf. In den knapp zwei Stunden, in denen Català mit Hilfe von Übersetzerin Susanne Dickmann den aufgebrachten Eltern Rede und Antwort steht, argumentiert die Politikerin immer wieder, dass die Schuld nicht bei der Gemeinde, sondern bei den derzeitigen und früheren Betreibern liege. Die Kommune folge mit der Maßnahme lediglich den gesetzlichen Vorgaben.

So durchsteht sie den Abend, an dem bei vielen Anwesenden die Nerven blank liegen. Eltern rufen auf Spanisch und Deutsch durcheinander, andere sitzen mit ernsten Gesichtern da und scheinen die Hoffnung bereits verloren zu haben. Auch viele Schüler verfolgen die Diskussion der Erwachsenen über ihre Zukunft.

Català beginnt mit einer Darstellung der Lage. „Die Schule hat immer noch nicht alle Sicherheitsmängel behoben, und es gibt keine Betriebserlaubnis." Das Gelände sei gemäß dem Bebauungsplan der Gemeinde nicht für den Schulbetrieb zugelassen. „Dort sind 50 Prozent für gewerbliche Nutzung vorgesehen." Deswegen sei auch dem Antrag der früheren Betreiber auf eine Betriebserlaubnis aus dem Jahr 2009 nie stattgegeben worden. Um eine Lizenz erteilen zu können, müsse erst der Inselrat einer Änderung des Bebauungsplans zustimmen.

Zwar habe die Schule in den vergangenen Tagen an der Erfüllung der Sicherheitsauflagen gearbeitet, weiterhin aber sei ein großer Teil nicht erfüllt, sagt Català. Die Gemeinde habe Betreiber Gerhard Kollmann bereits am 23. März 2011 über die Defizite informiert. Im April habe sich dann auch das balearische Kultusministerium bei der Kommune nach der Situation der Schule erkundigt. Der in Santa Ponça Anfang 2006 mit der Vorgängerschule Deutsche Schule Mallorca Südwest begonnene Schulbetrieb sei nur möglich gewesen, weil die Gemeinde den alten und derzeitigen Eigentümern so lange Zeit gegeben habe, die Unregelmäßigkeiten in Ordnung zu bringen. „Die Schließung war der letzte Schritt."

Die Erläuterungen von Català machen Sinn, aber die meisten Eltern interessiert in erster Linie etwas anderes. Sie wollen, dass die Gemeinde trotz aller Missstände beide Augen zudrückt und für die Fortführung der Schule eine praktische Lösung findet. Viele können trotz aller behördlicher Logik nicht verstehen, warum die Schule plötzlich wegen einer fehlenden Genehmigung geschlossen werden muss, wo sie doch jahrelang ohne funktionierte. „Ist eine Lizenz am Ende wichtiger als die Ausbildung unserer Kinder? Ich glaube, dass andere Interessen dahinter stehen", wirft eine Mutter in die Runde.

Die von der Kommune wiederholt beanstandeten Sicherheitsmängel an der Schule machen auf die Eltern wenig Eindruck. „Mein Vorschlag ist, Sie geben uns eine weitere Frist von drei oder sechs Monaten zur Behebung der Mängel. In der Zeit reichen wir einen den Vorschriften entsprechenden Projektantrag ein, und wir Eltern unterschreiben, dass wir die Verantwortung übernehmen, wenn den Kindern etwas passiert", sagte eine Mutter. Català, die sich im Laufe des Abends vom Zusammenhalt der Eltern beeindruckt zeigt („Ich sehe schon, Ihr seid eine Familie."), verspricht schließlich, dass die Gemeinde einen Antrag der Schule bevorzugt behandeln werde.

Ihr Vorschlag, die deutschen Kinder auf andere öffentliche und private Schulen in der Gemeinde Calvià zu verteilen, findet keine Zustimmung. „Die meisten Kinder sind doch hier ohne Familie, nur mit Mama und Papa. Die Schule ist auch ihr Zuhause. Meinen Sie, es bringt etwas, den Kindern auch noch ihre Freunde wegzunehmen", entgegnet ihr eine Mutter. Und als es auf der Tennisanlage schon dunkel wird, erklärt eine ältere Schülerin mit tränenerstickter Stimme. „Ich war schon auf einer öffentlichen Schule, wo alles gebröckelt hat, dort hat kaum jemand mit mir gesprochen, nur zwei Fächer waren auf Spanisch, der Rest auf Katalanisch, ich wurde nicht unterstützt. Warum muss unsere Schule plattgemacht werden? Wir wollen doch nur lernen." Auf die Nachfragen der Eltern, was genau noch an der Schule getan werden muss, um die Sicherheitsauflagen zu erfüllen, antwortet Català ausweichend. Sie verweist allerdings auf eine Mängelliste von eineinhalb Seiten.

Am Ende gehen Eltern und Lehrer enttäuscht nach Hause. „Die Politiker sind doch nicht an einer wirklichen Lösung interessiert. Das sind Paragrafenreiter, denen es nicht um die Menschen geht. Die interessiert nicht, ob die Schüler hier ihre Abschlüsse machen können", sagt der ­pädagogische Schulleiter Thomas Scholz. Die Auseinandersetzung um die Schule, für die er sich seit vier Jahren mit vollem Einsatz engagiert, setzt ihm schwer zu. Am vergangenen Wochenende brach er zusammen, war kurz im Krankenhaus. „Es stehen hier auch Existenzen auf dem Spiel", sagt er. Die insgesamt 20 Lehrer, zwei Erzieherinnen, eine „regulär angestellte" Putzfrau und der Hausmeister bangen um ihre Jobs. „Ich habe Anspruch auf vier Monate Arbeitslosengeld, aber andere Kollegen sind erst kürzer da und würden gar nichts bekommen", sagt eine Grundschullehrerin. Eine andere Lehrerin ist erst zum neuen Schuljahr – mit dem Job an der Viva-Schule in der Tasche – nach Mallorca gezogen. „Ich fand dort das Arbeitsklima so gut – aber jetzt bin ich enttäuscht."

Schulbetreiber Gerhard Kollmann sucht indessen nach einem anderen Gebäude für die Schule. „Eine Nachbargemeinde hat uns bereits Räume angeboten. Außerdem gibt es ein weitgehend leer stehendes Schulgebäude mit allen Genehmigungen auf Mallorca. Auch das ist im Gespräch." In den nächsten Tagen werde sich wahrscheinlich herausstellen, ob der Unterricht an einem anderen Ort fortgeführt werden kann. Für die Oberstufe und den Kindergarten soll es bereits Lösungen geben.Auch die Eltern engagieren sich. Vater Rainer Beutner kündigte an, nach Madrid zu fahren und eine „von allen unterschriebene Petition" König Juan Carlos vorzulegen. „Ich habe gute Kontakte zum Königshaus, er war schon bei mir auf dem Schiff", sagt der Kapitän.

Bereits am Montag (19.9.) hatten Eltern, Schüler und Lehrer gegen die Schließung der Schule vor dem Rathaus in Calvià demonstriert. Viele Kinder hielten Blumen in der Hand, die sie Bürgermeister Manuel Onieva (PP) überreichen wollten. Dieser ließ sich aber nicht blicken, stattdessen bewachten zeitweise neun Ortspolizisten und vier Guardia-Civil-Beamte den Eingang. Während draußen Plakate („Liebe Herren, bitte macht unsere Schule wieder auf", „Wir wollen in unserer Schule lernen") hochgehalten und Lieder gesungen wurden, erklärte die für Bildung zuständige Gemeinderätin Català, die auch stellvertretende Bürgermeisterin ist, in ihrem Büro einer Abordnung von Eltern die Gründe für die umstrittene Maßnahme. Darunter war auch Vater Sven Vavrik. Nach dem Gespräch zeigte er Verständnis für die Haltung der Gemeinde. „Kollmann hat den Eltern gegenüber Informationen zurückgehalten."

Trotzdem hält Vavrik die Viva-Schule weiterhin für die beste Einrichtung für seinen Sohn (12). „Die Lehrer sind unwahrscheinlich engagiert, sie kümmern sich super, und die Kinder haben Vertrauen zu ihnen." Die Vavriks kamen erst vor wenigen Monaten auf die Insel. Sie zogen nach Calvià, weil ihr Sohn im benachbarten Santa Ponça auf die deutsche Schule gehen konnte. „Wir haben leider auch den Fehler gemacht, ein ganzes Jahr im Voraus zu bezahlen." Nun hofft Vavrik, wie auch mehrere andere Eltern, dass die rund 6.500 Euro nicht flöten gehen.

Andere Eltern befürchten, dass sie nun gezwungenermaßen nach Deutschland zurückgehen müssen. „Für uns gibt es keine andere Alternative", sagt Mutter Sabine Scheller aus Sineu. Ihre Tochter Viktoria (8) will auf keinen Fall wieder auf eine spanische Schule gehen. „Sie kam mit der Sprache nicht zurecht, in Santa Ponça ist sie hingegen total begeistert." Mutter Andrea Keppler (37) sieht wegen der Schulprobleme ihren Job in Gefahr. „Ich bin alleinerziehend und mein Chef findet das langsam nicht mehr lustig, dass ich immer eher weg muss." Ihre Töchter Goia (5) und Alessia (15) sind beide auf der Viva-Schule. In vielen Familien sind die Eltern genauso traurig wie die Kinder. „Ich könnte heulen", sagt Beate Imberg. Seit sie auf Mallorca lebt, besuchen ihre Kinder (7, 11 und 14) die Viva-Schule. „Meine Tochter wollte dort ihren Realschulabschluss und das Abitur machen."

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 22. September (Nummer 594) lesen Sie außerdem:

- Was bisher geschah: Das Drama der Schließung

- Ausweichschulen: Eurocampus und British School

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