Natka Georgieva streicht mit ihrem Bogen gekonnt über die Saiten ihrer Geige. Der Verstärker, der neben ihr in der Carrer Sant Miquel in Palma steht, spuckt die passende Begleitung zu Mozarts „Kleiner Nachtmusik" aus. Einige wenige Passanten werfen Geld in den aufgeklappten Geigen-Koffer vor ihr.

Es könnte sein, dass die 60-jährige Bulgarin, die seit fünf Jahren als Straßenmusikantin auf der Insel unterwegs ist, bald Probleme mit der Polizei bekommt. Da sich viele Wirte, Ladenbesitzer und Anwohner durch Natka Georgieva und andere Künstler belästigt fühlen und sich daher in der Vergangenheit immer wieder bei der Polizei beschwert haben, hat das Rathaus nun eine neue Straßenmusiker-Verordnung auf den Weg gebracht. Sie soll im März endgültig beschlossen werden.

Das Regelwerk sieht vor, dass die músicos callejeros künftig alle 30 Minuten ihren Platz wechseln müssen und ihre Lieder an diesem nicht wiederholen dürfen. Mit der musikalischen Darbietungen dürfen sie zudem die zumutbare Lautstärke nicht überschreiten und weder Verstärker noch Schlaginstrumente benutzen.

Vom Inhaber eines jeden Geschäftes, vor dem sie sich platzieren, müssen sich die Musiker darüber hinaus vorab eine Erlaubnis einholen. Das Rathaus hat einige Bereiche außerdem zu besonderen Schutzzonen erklärt. Die Sicht auf historische Gebäude, Denkmäler oder andere Kulturgüter dürfen die Künstler nicht versperren. Zwischen 22 Uhr (21 Uhr in der Altstadt) und 10 Uhr sowie von 14 bis 17 Uhr darf gar nicht musiziert werden.

Die meisten Musiker wissen von diesen Regeln offenbar noch nichts. Ohnehin halten sie die meisten städtischen Vorgaben für unnötige Schikane. „In 30 Minuten könnte ich oft nicht einmal einen Euro machen", erklärt Natka Georgieva, die daher nur alle eineinhalb Stunden den Ort wechselt. Auch vom bereits bestehenden Verstärker-Verbot weiß sie, benutzt ihr Gerät aber trotzdem: „Die anderen machen es schließlich auch."

Opernsängerin Naida Abanovich ist eine echte Touristen-Attraktion – eine Urlaubergruppe umkreist die Weißrussin und lauscht dem Gesang. Sie würde ihren Platz an der Plaça am Olivar-Markt durchaus einmal wechseln, sagt sie. Etwa mit dem Akkordeon-Spieler Valeri Stoianofs, der ein paar hundert Meter weiter sitzt. Der würde von seinem Platz jedoch nicht weichen.

Vom Platzwechselverbot und auch den anderen Vorschriften will Stoianofs tatsächlich nichts wissen. Er spiele schon seit zehn Jahren hier, jeder kenne ihn, und er störe niemanden, sagt der 53-jährige Bulgare.

Naida Abanovich selbst kann durchaus nachvollziehen, dass sich einige Verkäufer und Anwohner wegen ihr beschweren: „Wer klassische Musik nicht mag und sie dennoch den ganzen Tag hören muss, reagiert früher oder später gereizt. Komisch nur, dass gegen die Lautsprechermusik aus dem Laden direkt neben mir niemand etwas sagt."

Eine Mitarbeiterin der nahe gelegenen Parfümerie sagt: „Die Musik stört uns. Erstens haben wir selbst welche laufen, und zweitens arbeiten wir hier schließlich und kommen nicht zum Musikhören." Oscar Campos aus der Apotheke nebenan hingegen fühlt sich durch die Musik nicht gestört. „Im Gegenteil: Sie sorgt für eine gewisse Stimmung in der Fußgängerzone. Wenn ein Musiker allerdings zwei bis drei Stunden vor unserem Laden steht und immer dieselben Lieder spielt, bin ich auch genervt."

Nedko Ankov und Alexandar Boydev können mit ihrem Repertoire auf Akkordeon und Tamburin momentan zwei Stunden füllen. Als ein Restaurant-Betreiber die Bulgaren vor kurzem fragte, warum sie ihre Liedauswahl nicht einmal ändern, hat Alexandar ihm erklärt: „Genauso wie du deine Speisekarte nicht so leicht ändern kannst, kann ich auf einem einzigen Instrument nicht einfach unzählige neue Lieder spielen."

Die beiden Mittvierziger hören zum ersten Mal von den geplanten Regelungen und bitten die MZ-Reporterin, sie ihnen schriftlich zukommen zu lassen. Bei den Besitzern der Restaurants auf der Plaça Major, auf der sie häufig spielen, hätten sie bisher sowieso um Erlaubnis gefragt.

Luis Romero, Mitarbeiter der dort ansässigen Pizzeria Il Grotto, berichtet, wie so etwas üblicherweise abläuft: „Die Musiker kommen zu uns, trinken einen Kaffee, den wir ihnen oft schon billiger geben, weil wir wissen, dass sie kaum Geld haben, und fragen uns anschließend, ob sie nun bitte Musik machen dürfen." Das ­Problem sei, dass viele einfach schlecht spielten und nur ein kurzes Lied zum Besten gäben, um dann schon um Geld zu betteln. Gegen wirklich professionelle Musiker wie Naida Abanovich, die er maravillosa findet, habe er nichts.

Auch deren Publikum kennt offensichtlich den Unterschied zwischen bettelnden Möchte-gern-Musikern und den wirklich talentierten, denen man gerne und von selbst Geld gibt. Trudel und Günther Stein (beide 75) sind begeistert von Naida Abanovich: „So etwas findet man nicht an jeder Ecke. Man hört sofort, dass sie eine ausgebildete Sängerin ist. Bei uns in Wiesbaden sitzen überall Russen, die ein bisschen auf ihrer Gitarre herumzupfen und dafür auch noch Geld möchten. Das ist nicht zu vergleichen mit dem, was diese Sängerin abliefert."

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