Beim ersten Anblick des Messestandes der Balearen überwiegt ungläubiges Staunen. Obwohl Tourismusminister Carlos Delgado (Volkspartei, PP) angekündigt hatte, dass die Inseln in diesem Jahr erstmals keinen eigenen Stand auf der Internationalen Tourismusmesse ITB in Berlin haben würden, ist die Überraschung unter Hoteliers, Reiseveranstaltern und Fachbesuchern groß. „Das ist ja peinlich", lautet der meistgeraunte Satz an diesem Mittwoch (7.3.), dem Eröffnungstag der ITB.

Ja, wo ist er denn?

Gerade einmal 45 Quadratmeter umfasst der Messeauftritt der ­Balearen am Stand des spanischen Fremdenverkehrsinstituts Turespaña. Während Regionen wie Katalonien und Andalusien dank riesiger Schilder schon von außerhalb der Halle gut zu erkennen sind, findet man die Inseln eigentlich erst, wenn man direkt davor steht. Manch einer findet sie gar nicht.

Nur die Gemeinden Calvià, Alcúdia und Capdepera haben einen eigenen Stand. Ute Moser vom Tourismuskonsortium Alcúdia ist eine der wenigen, die wirklich zufrieden wirkt. Ihr Stand, den Gemeinde und Hotelverbände gemeinsam finanziert haben, misst 21 Quadratmeter. „Wir hatten schon sehr viele Gespräche, mehr als sonst am ersten Tag üblich." Grund sei die gute Lage direkt an einem der Gänge. „Viele glauben, hier sei der Balearen-Stand", sagt sie und lacht. Und in der Spanien-Halle gebe es auch deutlich mehr Publikumsverkehr als in den abgelegeneren Hallen, in denen sich die Inseln bisher präsentierten.

Noch im vergangenen Jahr verfügten die Balearen bei der weltgrößten Tourismus-Messe über zwei eigene Hallen mit einer Gesamtfläche von über 600 Quadratmetern. Die Kosten betrugen um die 650.000 Euro. In diesem Jahr kostet der Messeauftritt etwa 120.000 Euro. Die Balearen wechseln somit von einem Extrem ins andere und stoßen so manchen vor den Kopf. Und während sich Besucher in den Vorjahren auch satt essen konnten, gibt es in diesem Jahr nicht einmal eine Tasse Kaffee. Auch nicht für Geschäftskunden.

Ebenfalls auffällig: Am ersten Messetag ist weit und breit kein Politiker zu sehen. Während in den Vorjahren stets der Eindruck entstand, die gesamte politische Klasse der Inseln sei zum Gruppenausflug nach Berlin gereist, glänzten die Verantwortlichen für Tourismuspolitik in diesem Jahr zunächst mit Abwesenheit. Vielleicht, so spekulieren viele Hoteliers, wolle sich kein Politiker für den Stand rechtfertigen.

Vicent Marí, PP-Bürgermeister von Santa Eulària auf Ibiza, ist einer der wenigen, der seinem Unmut deutlich Luft macht. Er hoffe, der diesjährige Messeauftritt sei ein Wendepunkt. „Der Stand ist in diesem Jahr einfach ärmlich", so Marí. „Hier kann man ja nicht ernsthaft Fachbesucher einladen."

Tatsächlich sind nicht nur die Ausstellungsflächen geschrumpft. Für geschäftliche Besprechungen steht pro Insel genau ein Tisch mit vier Stühlen zur Verfügung. „Die Geschäfte schließe ich dieses Jahr in Andalusien ab", sagt ein Hotelier, der namentlich nicht genannt werden will. Am Nachbarstand der Südspanier gibt es tatsächlich ausreichend Sitzgelegenheiten.

„Einen solchen Messeauftritt haben wir nicht verdient", urteilt Toni Horrach, Vorsitzender von HM Hotels. Joan Massanet vom Hotelverband Capdepera wird noch deutlicher: „Angesichts dieses Standes wäre es vielleicht besser gewesen, gar nicht auf die Messe zu kommen." Dabei ist Joan Massanet selbst hochzufrieden mit dem Auftritt seiner Gemeinde.

Wowereit läuft vorbei

Als der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit auf seinem Rundgang in der Spanien-Halle vorbeikommt, hält er folgerichtig nicht etwa am Stand von Mallorca an. Es wäre auch niemand da gewesen, um ihn zu begrüßen. Wowereit steuert stattdessen zielstrebig auf den Stand von Capdepera zu, freut sich über das Foto von Canyamel, wo er selbst gerne Urlaub macht, und lässt sich mit den stolzen Vertretern der Gemeinde fotografieren.

Tourismusminister Delgado erscheint am späten Mittwochnachmittag. Den extrem reduzierten Messeauftritt der Balearen sieht er als „wegweisend" für andere ­Regionen an. Die Präsenz auf Tourismusmessen mache ohnehin von Jahr zu Jahr weniger Sinn, so Delgado, der Großteil des Tourismusgeschäftes spiele sich heute im Internet ab. Außerdem sei es momentan wichtiger, die Ressourcen in die Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen für den Tourismus zu stecken. Viele Hoteliers hätten ihm zu dem Messeauftritt gratuliert, und auf die Buchungszahlen habe die Größe des Messestandes ohnehin keinen Einfluss.

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