Es ist erst ein paar Wochen her, dass die Umrichter-Station in Santa Ponça, wo der Festlandstrom über das Unterseekabel auf Mallorca ankommt, auch offiziell eingeweiht wurde. Doch schon gibt es Pläne für ein zweites Kabel, mit dem die Insel noch enger an das Stromnetz Spaniens angeschlossen werden soll. Weitere Stromkabel sollen zudem Ibiza, Formentera und Menorca anbinden. Während die balearische Landesregierung auf mehr Versorgungssicherheit hofft, kritisiert der Ex-Monopolist Endesa die Pläne als übertrieben. Ziel der Investition ist auch mehr Flexibilität und Wettbewerb auf dem Insel-Strommarkt.

Die Kosten für das neue Festlandkabel: 750 Millionen Euro - die Verbindung soll nicht nur leistungsstärker sein, geplant ist gleich ein Doppelstrang inklusive Glasfaserkabel. „Dann könnten sogar alle Kraftwerke auf Mallorca gleichzeitig ausfallen, und es gäbe trotzdem keinen Stromausfall", sagt Jaime Ochogavía, Generaldirektor für Energie im balearischen Handels- und Industrieministerium. Die Inseln seien dann letztendlich genauso ins spanische Stromnetz integriert wie eine Festlandregion - mit dem Unterschied, dass die Kabel am Meeresgrund verlaufen.

Weitere Vorteile: Der Strom, der in Zukunft auf die Insel fließt, sei nicht nur zu einem größeren Anteil ökologisch produziert, sondern auch günstiger, so Ochogavía. Angesichts der enormen Vorteile amortisiere sich die Investition durch den spanischen Netzbetreiber Red Eléctrica de España (REE) deswegen in absehbarer Zeit.

Während die spanische Regierung in anderen Bereichen derzeit besonders knausrig ist und die Investitionen auf den Balearen auf ein Rekordtief gesenkt hat, wird in Energiefragen geklotzt statt gekleckert. Alle neuen Stromkabel auf den Balearen zusammen sollen knapp 1,4 Milliarden Euro kosten. Das Geld zahlt allerdings nicht die Zentralregierung direkt, sondern REE als öffentliche Körperschaft.

Das Stromkabel von Santa Ponça, das seit Ende 2011 im Probe­betrieb funktioniert, liefert inzwischen rund zehn Prozent der Insel-Energie. Noch immer läuft der Strommarkt auf den Balearen aber nach anderen Regeln ab als auf dem Festland. Fast alle Kraftwerke sind in der Hand von Endesa, der Anteil regenerativer Energien liegt ohne Stromkabel bei rund zwei Prozent - auf dem Festland dagegen bei über 20 Prozent. Die Stromerzeugung auf einer Insel ist zudem teurer, da die Anlagen kleiner und der Speicherbedarf höher ausfallen. Die Kosten für eine Megawattstunde lagen 2010 bei 141 Euro auf den Balearen - auf dem Festland aber nur bei knapp 52 Euro. Da der Standardtarif für Privathaushalte (TUR) jedoch staatlich garantiert ist, muss die Regierung die Differenz zuschießen, „das sind 504 Millionen Euro pro Jahr", so Ochogavía.

Das Stromkabel kann derzeit maximal 25 Prozent der auf Mallorca nötigen Energie beisteuern. Bei zwei Gelegenheiten im vergangenen Jahr bewahrte es die Insel vor einem größeren Stromausfall, am 28. August und am 14. November. Mit weiteren Kabeln sei die Insel noch sicherer, so Ochogavía: „Das ist so ähnlich wie einem Tisch, der mehr als nur drei Beine hat."

Im Gegensatz zum ersten Kabel, das 237 Kilometer zwischen ­Sagunto (Valencia) und Santa Ponça misst, soll das zweite von Castellón direkt nach Palma führen, dort, wo 60 Prozent der auf den Balearen benötigten Energie verbraucht werden. Abgesegnet werden muss das Projekt nur noch von der spanischen Energiekommission, bis zum Bau vergehen voraussichtlich aber noch einige Jahre. Los gehen soll es aber bereits in diesem Monat mit dem Kabel nach Ibiza - die Insel stellte bislang mit Formentera ein ebenfalls isoliertes System dar, während Mallorca und Menorca schon länger durch ein Kabel verbunden sind.

Überhaupt nicht begeistert ist man über die Pläne beim Platzhirschen Endesa. Man habe schon jetzt mehr als genug Energie, lässt der Bereichsleiter Balearen, Joan Jaume, in der Insel-Presse wissen. Selbst zu Spitzenzeiten seien 900 Megawatt übrig, ohnehin sei der Stromverbrauch in Folge der Wirtschaftskrise gesunken. Im Falle eines zweiten Kabels könne man dann wohl das neu errichtete gasbetriebene Kraftwerk Cas Tresorer bei Palma ganz abschalten - und die Gas-Pipeline zum Festland verliere ihre Daseinsberechtigung. Wegen der hohen Amortisierung der Stromkabel drohe letztendlich sogar eine Erhöhung der Stromtarife.

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Im balearischen Handelsministerium hält man von den Argumenten des früheren Alleinanbieters wenig - dass die Einsparungen durch das neue Kabel in absehbarer Zeit beim Endkunden ankommen, sieht allerdings auch Ochogavía nicht. In erster Linie werde der spanische Staat sparen, und der habe es dringend nötig. Schließlich hat die jahrelange Subventionierung der Stromerzeugung in Spanien ein Milliarden-Defizit angehäuft.

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Die Gas-Pipeline habe auch bei einem Ausbau der Stromkabel ihre Berechtigung, so der Generaldirektor. Der Energieträger werde schließlich nicht nur für Kraftwerke gebraucht, sondern auch für die Privathaushalte, die nach und nach angeschlossen werden, sowie in Zukunft auch für den Verkehr - dann, wenn etwa erdgasbetriebene Busse oder auch Schiffe zum Einsatz kommen.

„Bei unserer Planung denken wir an Übermorgen", so Ochogavía, „wir brauchen mehr Flexibilität und mehr Wettbewerb". Das Kabel sei eine wichtige Voraussetzung für die Einspeisung erneuerbarer Energien, die schließlich nicht gleichmäßig erzeugt werden, sondern je nach Intensität der Sonneneinstrahlung oder Windstärke. Und nicht zuletzt könnte Mallorca dank der Totalverkabelung auch selbst Strom anbieten. „Das geht aber natürlich nur zu marktüblichen Preisen", so Ochogavía - ein Seitenhieb auf Endesa.

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