Die balearische Landesregierung arbeitet - nach Tourismusrahmen- und Raumnutzungsgesetz - auf Hochtouren am nächsten großen Wurf der Legislatur: einem umfassenden Agrargesetz. Obwohl die Rohfassung eigentlich noch in den Schubladen des Landwirtschaftsministeriums liegt, ist vorzeitig ein Detail publik geworden, das schon für Wirbel sorgt: Künftig sollen Bauernhöfe und Agrarbetriebe auf ihren Anwesen Läden und Restaurants eröffnen dürfen. Dahinter, so heißt es, stecke die Absicht, Mallorcas ländlichen Raum zu beleben, damit die Kulturlandschaft erhalten bleibt - statt mehr und mehr sich selbst überlassen zu bleiben.

Eigentlich also keine schlechte Idee, könnte man meinen. Doch ausgerechnet der Umweltverband Gob preschte mit einer Pressemitteilung vor, in der er das Vorhaben der Landesregierung scharf verurteilt. Die Umweltschützer befürchten, dass der ländliche Raum weniger für Ackerbau und Viehzucht genutzt als vielmehr Bebauung und Spekulation preisgegeben werde. Und wenn das Landwirtschafts­ministerium künftig Genehmigungsanträge bearbeite, verlören damit nicht nur Inselrat und Gemeinden ihre Zuständigkeiten, sondern es drohe auch die Gefahr, dass jedes Projekt abgesegnet werde - um ja keine Investoren wegen mangelnder Rechtssicherheit zu verschrecken.

Biel Torrens dagegen, der Vorsitzende von Mallorcas Bauernverband „Unió de Pagesos", will sich noch nicht zu dem Gesetzentwurf äußern, solange dieser nicht offiziell veröffentlicht ist. Doch die Kritik des Gob tue ihm im Herzen weh. „Wir Bauern sind doch die größten Umweltschützer." Er hält die Pläne der Landesregierung deshalb für begrüßenswert - wenn es denn tatsächlich darum geht, dass Landwirte ihre selbst erzeugten Produkte verkaufen und auch bei Verköstigungen oder in einem kleinen Restaurant anbieten dürfen. „Wenn das Genehmigungsverfahren dafür in Zukunft erleichtert würde, wäre das sehr positiv für unsere Branche", sagt Torrens, der in Ruberts in der Gemeinde Sencelles einen Biohof betreibt. „Damit wäre vor allem den kleinen Bauern sehr geholfen."

Dass man dabei etwa für ein kleines Café den Zucker, die Milch und auch den Kaffee von einem Lieferanten beziehe, sei natürlich nötig - und auch völlig in Ordnung. „Aber wir wollen keine Supermärkte, die alle möglichen Waren anbieten, oder Nobelrestaurants mit ausgefallenen Gerichten oder gar Hotels. Das Land ist dazu da, um bestellt zu werden."

Restaurants sind laut derzeitiger Gesetzeslage tabu. Sogenannte centros de degustación, in denen die auf dem Hof erzeugten Produkte gleich verspeist werden können, werden hingegen jetzt schon erlaubt, erklärt Torrens. Zumindest theoretisch. In der Praxis gebe es zwar eine Reihe Bodegas und Olivenplantagen, auf denen auch probiert werden dürfe. „Aber als richtiges Restaurant ist mir nur die Wachtelfarm Son Bascos in Montuïri bekannt."

Ebenso waren auch bislang schon kleine Hofläden zulässig, in denen nicht zwangsweise nur Produkte aus eigener Herstellung verkauft werden. Bekannte Beispiele sind der Hofverkauf auf der Finca Sa Teulera bei Manacor, die Mallorcas Ökopionier Joan Adrover gehört, oder der Bioladen auf Peter Maffays Finca Can Sureda bei Pollença. Dafür sei lediglich eine Erlaubnis wie für jedes andere Geschäft erforderlich, erklärt Torrens.

Doch wer sich um eine solche bemühte, musste bisher viel Geduld und langen Atem haben. Die Kanadierin Connie Mildner, die vor 13 Jahren einen Bioladen auf der Finca Son Barrina bei Llubí eröffnete, kann sich noch gut daran erinnern. „Ich erhielt damals von der Stadt Inca eine Lizenz, das Landwirtschaftsministerium war ja überhaupt nicht zuständig. Aber einfach war das nicht." Dass die gesetzliche Grauzone nun geregelt werden soll, hält sie deshalb nicht für verkehrt.

Ganz anders Mallorcas Einzelhändler und Gastronomen. Wenngleich Bartomeu Servera, der Vorsitzende des Einzelhandelsverbands, kein Problem mit der Gesetzesneuerung hätte, wenn auf den Höfen nur Produkte verkauft würden, die auch dort erzeugt werden. „Falls sie aber alles anbieten dürfen, besteht Grund zur Sorge."

Pilar Carbonell, die Vorsitzende des Restaurant- und Gaststättenverbands, sieht zudem die Gefahr, dass diese neuen Restaurants bevorteilt werden könnten, falls sie nicht den gleichen strengen Auflagen und Kontrollen unterliegen wie herkömmliche Gastronomiebetriebe.

Landwirt Biel Torrens mahnt indes zur Besinnung: „Hier wird über Dinge geurteilt, die überhaupt noch nicht spruchreif sind." Der Bauernverband wolle deshalb erst einmal abwarten, bis der Gesetzentwurf vorliegt, bevor er Stellung nimmt. Schließlich komme es vor allem auf die Details an: Was darf verkauft werden? Wie groß dürfen die Verkaufsflächen sein? Dürfen es nur die Eigentümer oder auch Investoren? „Erst wenn wir all das wissen, können wir sagen, ob das geplante Gesetz für uns Landwirte eine Verbesserung oder Verschlechterung bringen wird."

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