Langsam rollt der Ball übers Grün. Richtung und Geschwindigkeit scheinen zu stimmen. Doch nur wenige Zentimeter vor dem Loch bleibt der kleine Weiße liegen. Eine typisch-tragische Golfplatz-Szene, wie sie sich so oder ähnlich tagtäglich auf einem der rund zwei Dutzend Insel-Plätze abspielt.

Dennoch: Nirgendwo sonst passt das Bild des kurz vor dem Ziel gescheiterten Putts derzeit so treffend wie auf den Club von Golf de Andratx. Erst vor wenigen Tagen musste die seit Jahren in finanziellen Schwierigkeiten steckende Anlage im Südwesten Mallorcas Insolvenz anmelden, nachdem die Frist für ein beantragtes Vor-Insolvenzverfahren Ende April ergebnislos verstrichen war. Der Versuch, in den vergangenen Monaten einen Geldgeber zu finden, der die ausstehenden Verpflichtungen in Millionenhöhe begleicht, schlug fehl - ebenso, wie ein zu kurz gespielter Golfball auf dem Green.

Immerhin: Vom drohenden Aus der seit seiner Eröffnung vor 14 Jahren als Aktiengesellschaft geführten Anlage ist auf und neben dem Platz nichts zu spüren. Business as usual möchte man meinen. „Der Spielbetrieb läuft weiter reibungslos. Greens und Fairways befinden sich im tadellosen Zustand. Und daran wird sich auch trotz der aktuellen finanziellen Umstände nichts ändern", versichert Golfclub-Managerin Ana Galindo. Entwarnung gibt sie auch bezüglich der möglicherweise ungewissen Situation aller 22 Angestellten. „Es sind derzeit keine Entlassungen vorgesehen."

Dass sie oder der Vorstand über Personalfragen im Club noch lange zu entscheiden haben, scheint jedoch fraglich. Sollte dem Insolvenzantrag in den kommenden Wochen stattgegeben werden, könnte schon sehr bald ein vom Gericht bestellter Verwalter die Führung der Geschäfte von Golf de Andratx übernehmen.

Galindo zeigt sich darüber keinesfalls beunruhigt. „Das Geschäft läuft gut. Wir haben im vergangenen Monat über 20 Prozent mehr Besucher verbucht als im gleichen Vorjahreszeitraum. Die Einnahmen aus dem Greenfee-Verkauf decken derzeit alle laufenden Betriebskosten."

Dank zahlreicher Promi-Events und Turniere begriff sich Golf de Andratx in der Vergangenheit gern als Spielplatz der Reichen und Schönen. Dass man so tief in die Miesen gerutscht sei, hänge mit der „weltweite Wirtschaftskrise" zusammen, die auch die Golfbranche auf der Insel „hart getroffen" habe, argumentiert Ana Galindo. Neben ausbleibenden Golf-Touristen habe auch die von der spanischen Zentralregierung vor zwei Jahren verabschiedete Erhöhung der Mehrwertsteuer für Golfplätze und Sportanlagen von 4 auf gleich 21 Prozent den Betrieb erschwert.

Die eigentlichen Gründe für die Insolvenz dürften allerdings sehr viel weiter zurückliegen. Die Schwierigkeiten begannen bereits beim Bau der im Jahr 2000 eröffneten 18-Loch-Anlage, dessen Gesamtkosten aufgrund von Fehlkalkulationen weitaus höher ausfielen als ursprünglich geplant. Mit Hilfe von Bankkrediten und privaten Bürgschaften versuchte die damalige Clubführung um den Ex-Hockeyspieler Stefan Blöcher und dem vor zwei Jahren verstorbenen Hauptaktionär Herbert Ebertz die in Folge des steigenden Zinsdrucks größer werdenden Haushaltslöcher zu stopfen.

Dazu gesellte sich im Laufe der Jahre ein immer tieferer Bruch zwischen einem Teil der rund 400 Mitgliedsaktionäre und dem Management. „Laut Clubsatzung muss für jede Aktie ein jährlicher Beitrag zwischen 500 und 2.000 Euro entrichtet werden", sagt einer von ihnen, Holger Diekmann. Doch die damaligen Mehrheitsaktionäre Herbert Ebertz und der georgische Prinz Zourab Tchkotoua, die zusammen 470 der insgesamt 1.007 Aktien hielten, hätten nie Beiträge gezahlt. „So konnte der Club gar nicht auf einen grünen Zweig kommen."

Für Dieckmann und viele andere Mitglieder gibt es jetzt nur noch eine Lösung: „Das Gesellschafts­kapital muss vom Konkursverwalter liquidiert und der Club zur Versteigerung freigegeben werden." Da die Golfplatz-Aktien eh kaum etwas wert seien, träfe die Aktionäre der finanzielle Verlust nur geringfügig. Durch den Verkauf müsste allerdings die derzeitige Grundschuld der Aktiengesellschaft in Höhe von

5,5 Millionen Euro ausgelöst werden. Kreditgeber seien jedoch keine Banken, sondern Privatleute, mit denen sich gewiss noch verhandeln ließe, glaubt Dieckmann.

Darüber, wer den Golfclub im Falle einer insolvenzbedingten Liquidation übernehmen könnte, wird derzeit angeregt spekuliert. Die Hotelgruppe Dorint, die dank eines eigenen Fünf-Sterne-Hauses in unmittelbarer Nachbarschaft zu Golf de Andratx als möglicher Käufer immer wieder ins Spiel gebracht worden ist, hatte vor wenigen Monaten mitgeteilt, nicht mehr länger an der Übernahme des Golfplatzes interessiert zu sein.

Gerüchte darüber, dass die Nigorra-Familie - Besitzer des Santa-Ponça-Golfresorts sowie der Anlage Real Golf Bendinat - an Golf de Andratx interessiert sei, werden von Geschäftsführer Luis Nigorra auf MZ-Anfrage ebenfalls dementiert. „Es gibt derzeit keine konkreten Pläne zur Übernahme von Golf de Andratx", so Nigorra.

Ana Galindo und der Clubvorstand wollen in den kommenden Wochen zusammen mit dem Insolvenz­verwalter nach einer Lösung suchen. Sicher ist für sie dabei nur eines: „In Golf de Andratx wird weiterhin Golf gespielt. Komme, was wolle."

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