Mehr als zwei Jahre lang haben Jaime Olascoaga Enseñat und seine Kollegen im balearischen Landwirtschaftsministerium darüber gebrütet - nun hat das Balearen-Parlament am Dienstag (2.12.) das erste Agrargesetz in der Geschichte von Mallorca verabschiedet. Das Gesetz wurde mit den Stimmen der mit absoluter Mehrheit regierenden konservativen Volkspartei (PP) angenommen. Die oppositionellen Sozialisten stimmten dagegen, das Linksparteienbündnis Més per Mallorca erklärte sich mit Teilen des Gesetzes einverstanden, warnte aber davor, dass der Spekulation Tür und Tor geöffnet werden könnte. Das folgende Gespräch mit Jaime Olascoaga haben wir im Juli nach der Fertigstellung des Gesetzesentwurfs geführt.

Warum ist das Agrargesetz so wichtig für Mallorca?

Weil die Landwirtschaft zugrunde geht. Sie befindet sich bereits im freien Fall. Während die Landwirte spanienweit in den Jahren 2000 bis 2010 ihren Gewinn um acht Prozent steigern konnten, ist der Verdienst der Bauern auf den Balearen im selben Zeitraum um 40 Prozent zurückgegangen. Das liegt daran, dass die Produktionskosten hier wegen der Insellage im Schnitt 45 Prozent höher sind als auf dem Festland. Dennoch erhalten die Balearen wesentlich weniger Subventionen als andere Inselregionen. Auf die Kanaren etwa fließen aus den entsprechenden Fördertöpfen 268 Millionen Euro pro Jahr, auf die Balearen nur knapp 33 Millionen. Das Agrargesetz wird uns nicht mehr Geld bringen, aber es soll den Landwirten Werkzeuge an die Hand geben, mit denen sie ihre Lage verbessern können - um zu überleben. Wir müssen die Landwirtschaft wieder rentabel und damit attraktiv machen. Nur so können wir die nachkommende Generation dafür gewinnen. Und nur so können wir den primären Sektor retten.

Welche Werkzeuge sollen das sein?

Es geht vor allem darum, „ergänzende Tätigkeitsfelder" neben der eigentlichen Landwirtschaft zu schaffen, die den Bauern zusätzliche Einnahmen bringen. Zum Beispiel soll ein Landwirt auf seinem Hof eine Ölmühle oder eine Bodega betreiben dürfen, um seine Ernte weiterzuverarbeiten und das Olivenöl und den Wein, aber natürlich auch Sobrassada oder Käse, direkt an den Konsumenten zu verkaufen. Daran verdient er wesentlich besser, als wenn er die Trauben an einen Winzer liefert. Allerdings darf er auch nicht mehr produzieren, als der eigene Anbau hervorbringt, der Zukauf etwa von Trauben vom Festland ist verboten. Andersherum wird auch keine Mindestproduktions­menge erforderlich sein. Wenn jemand also nur zehn Hektar bewirtschaftet, reicht das auch. Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse des einzelnen Bauern.

Das klingt nach dem Abbau bürokratischer Hürden.

Ganz genau. Solche Projekte müssen künftig nicht mehr zu einem Vorhaben „von allgemeinem Interesse" erklärt werden - das dauert in der Regel drei Jahre bis zur Genehmigung. Auch der Inselrat muss nicht mehr zustimmen. Für den Bau einer Bodega reicht künftig eine Lizenz aus dem Landwirtschaftsministerium und von der Gemeinde.

Schon bevor der Gesetzentwurf veröffentlicht wurde, überschlugen sich Umweltschützer mit Kritik, weil man damit Investoren Tür und Tor öffne und bald überall in der Tramuntana Hotels und Apartmentanlagen aus dem Boden sprießen könnten.

Das ist alles nur Polemik. Zum einen haben all diese Möglichkeiten nur professionelle Bauern, die nachweislich mindestens 50 Prozent ihrer Einkünfte aus der Landwirtschaft beziehen. Zum anderen dürfen, abgesehen vom Bau einer Bodega oder einer Ölmühle, die es vorher auf einem Hof nicht gab, keine Neubauten errichtet werden. Man darf lediglich bestehende Gebäude in Herbergen oder Touristenunterkünfte umwandeln - was im Übrigen den Nebeneffekt hat, dass wertvolle Gebäude renoviert und vor dem Verfall bewahrt werden, und das ist ja vom Denkmalschutz her zu begrüßen. Allerdings müssen die Gebäude nicht mehr vor 1960 erbaut worden und das Grundstück mindestens 21.000 Quadratmeter groß sein, wie es bis jetzt laut Tourismusgesetz Vorschrift für die Eröffnung eines Agroturismo-Hotels ist.

Dennoch fürchten die Hoteliers die Konkurrenz und schlagen Alarm.

Das Modell Ferien auf dem Bauernhof hat sich in ganz Europa seit den 70er Jahren entwickelt. Nur ist es eben so, dass es hier auf Mallorca bisher nur agroturismos der gehobenen Preisklasse gibt. Dagegen habe ich nichts - abgesehen davon, dass diese Hotels mit Landwirtschaft meist nicht viel zu tun haben. Aber man sollte endlich auch ein Angebot für Touristen mit kleinem Budget schaffen, Leuten die Möglichkeit bieten, in ehemaligen Schafställen zu übernachten oder auf einem Hof zu zelten. Wir haben mit diesem Gesetz nicht das Rad neu erfunden. Wir wenden nur an, was in ganz Europa, basierend auf EU-Gesetzen, längst gang und gäbe ist. Ein mallorquinischer Bauer soll endlich die selben Rechte haben wie einer in Frankreich oder Deutschland.

Ein Großteil von Mallorcas landwirtschaftlicher Fläche ist bewaldet. Welche Rolle spielt der Wald im Agrargesetz?

Es soll es Waldbesitzern beispielsweise erleichtern, auszuholzen und Bäume zu fällen. Wenn du heutzutage eine Kiefer umsägen willst, ist das, als wenn du deine eigene ­Mutter töten wolltest. Vor allem die jungen Leute meinen, man muss die Bäume schützen. Dabei stehen hier viel zu viele Kiefern, und wir müssen in den Wälder endlich aufräumen, um das Waldbrandrisiko zu senken.

Sind die Holzpreise nicht viel zu niedrig, als dass Holz rentabel sein könnte?

Das ist das andere Problem. Wir wollen deshalb die Herstellung von Holzpellets für Biomasseanlagen fördern. Wenn die Hotels irgendwann auf solche Anlagen umsteigen, hätte das enormes Potenzial. Allerdings muss dann auch der Nachschub gesichert sein - was wiederum heißt: Bäumefällen muss möglich sein. Das Gesetz enthält aber noch eine andere Sache, die ich ganz toll finde und mit der die Bauern Profit aus ihren Wäldern schlagen können: Indem sie sie nicht nur, wie jetzt schon üblich, an Jäger verpachten, sondern beispielsweise auch an Pilze-, Schnecken- oder Kräutersammler. Auf diese Weise können auch diese wildwachsenden Produkte vermarktet werden.

Ein Kapitel des Gesetzes widmet sich den erneuerbaren Energien. Darin heißt es, dass Bauern bei der Verteilung von Fördergeldern Vorrang haben sollen. Dabei gibt es derzeit gar keine Subventionen.

In spätestens fünf Jahren wird es wieder welche geben. Und das Thema Fotovoltaikanlagen für den Eigenverbrauch, bei denen ein Teil des erzeugten Stroms direkt genutzt und der Rest gegen eine Vergütung ins Netzt eingespeist wird, liegt zwar in Spanien derzeit auf Eis, aber in einigen Jahren wird auch das geregelt sein. Mit diesem Gesetz wollen wir uns schon mal für die Zukunft rüsten. Wenn es soweit ist, sollen die Bauern die Ersten sein, die von der Förderung profitieren. Viele kleine Solarflächen sind schließlich besser als riesige Solarparks, die ausländische Investoren hier aufstellen - nicht nur für die Landwirte, sondern auch für die Landschaft.

Dieses Interview erschien in der MZ-Printausgabe am 31. Juli 2014.