Wolfgang Bosbach (CDU) ist gelernter Einzelhandelskaufmann und Rechtsanwalt und leitet seit 2009 den Innenausschuss im Deutschen Bundestag. Nach Mallorca kommt er mehrmals pro Jahr zum Urlaubmachen. Ebenso wie die CSU schwächt er seine Aussagen im Nachhinein bei der Autorisierung wieder ab.

Herr Bosbach, finden Sie denn an dem Vorstoß der Schwesterpartei CSU gar nichts Verwerfliches?

Zu betonen, dass deutsche Sprachkenntnisse für die Integration in Deutschland von Bedeutung sind, halte ich in der Tat für nicht verwerflich. Neun von zehn Kritikern dürften den Antrag der CSU wohl nicht ganz gelesen haben. Anders kann ich mir die Heftigkeit der Proteste nicht erklären. Nirgendwo ist von Pflicht, Zwang oder Kontrolle die Rede. Sprachkenntnisse sind nicht nur für die gesellschaftliche Integration wichtig, sondern auch und gerade für schulischen und beruflichen Erfolg. Jede Sprache ist eine zusätzliche Kompetenz.

Sind die Muttersprachen der in Deutschland lebenden Ausländer keine Bereicherung?

Jede Sprache ist es - darüber gibt es überhaupt keinen Streit. Jede Familie wird auch weiterhin individuell entscheiden, welche Sprache sie bei welcher Gelegenheit spricht, und das ohne jede staatliche Einflussnahme. Das ist übrigens in jedem Land so, nicht nur in Deutschland.

Sie sind regelmäßig auf Mallorca zu Gast. Sprechen Sie Spanisch?

Mit meinen bescheidenen spanischen Sprachkenntnissen könnte ich allenfalls überleben, mich aber nicht in die spanische Gesellschaft integrieren. Ich verbringe auf Mallorca aber auch nur meinen Urlaub und nicht mein ganzes Leben. Für Residenten hingegen ist die Situation eine ganz andere.

Deutsche, die hier leben, sollten also Spanisch oder gar Katalanisch lernen?

Bevor jetzt behauptet wird, Bosbach fordert deutsche Residenten auf, zukünftig nur noch Spanisch zu sprechen, sage ich in aller Deutlichkeit: Es ist die Entscheidung eines jeden Einzelnen, wie er sich verhält, auch in punkto Integration. Sollte ich mich irgendwann einmal dauerhaft in Spanien niederlassen, würde ich mich selbstverständlich darum bemühen, Spanisch oder Katalanisch in Wort und Schrift zu lernen, und zwar so gut wie möglich. Wenn andere das anders sehen, auch gut. Vielleicht gibt es ja Residenten, die überhaupt keinen Wert darauf legen, sich in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren und stattdessen lieber unter sich bleiben.

Ist es denn eher vertretbar, dass ein Mallorca-­Resident sich nicht um Integration bemüht als ein Zuwanderer in Deutschland?

Noch einmal: Eine rechtliche Verpflichtung zur Integration gibt es in Deutschland nicht und wohl auch nicht in Spanien. Beim Spracherwerb gibt es dagegen tatsächlich rechtliche Verpflichtungen. Die sind aber nicht soeben von der CSU erfunden worden, sondern seit Jahren geltendes Recht. Wenn zum Beispiel Personen auf Sozial­leistungen angewiesen sind, weil sie mangels Sprachkenntnissen keine Stelle finden, kann der Besuch eines Sprach- und Integra­tions­kurses verpflichtend vorgeschrieben werden. Auf Mallorca gemünzt hieße das: Wenn jemand wegen fehlender Spanischkenntnisse sich seinen Lebensunterhalt nicht selbst verdienen kann, könnte man ihm den Besuch eines Sprachkurses vorschreiben. Anders wäre die Lage bei denen, die eigenes Einkommen oder genügend Vermögen haben, um ohne staatliche Hilfe auf Mallorca zu leben.

Und welche Sprachen sollten deutsche Residenten zu Hause sprechen?

Jeder entscheidet ganz individuell, welche Sprache er wo spricht. Wenn man allerdings in Spanien eine spanische Schule besucht, dann sind spanische Sprachkenntnisse von großer Bedeutung. Je besser ein Kind die Sprache eines Landes und damit die Unterrichtssprache beherrscht, desto erfolgreicher wird die Schulkarriere verlaufen.

Maria Antònia Font ist ausgebildete Lehrerin und Sprecherin der Bildungs-Gewerkschaft Stei-i, die unter anderem vehement gegen das Drei-Sprachen-Modell TIL und die Zurückdrängung der Inselsprache Katalanisch an den Schulen kämpft. Vom CSU-Vorstoß erfährt Sie erst beim Anruf der MZ, bei dem - fast im Wortlaut - dieses Interview geführt wurde.

Frau Font, Deutschlands konservativste Partei sorgte soeben mit dem Vorschlag, dass ausländische Familien auch zu Hause Deutsch sprechen sollten, für mächtig Wirbel ?

Wie bitte? Zu Hause?

Ja. Erscheint Ihnen das übertrieben?

Was die Menschen zu Hause tun, kann doch kein Gesetz vorschreiben. Das ist doch ein Eingriff in die Privatsphäre und überhaupt nicht kontrollierbar.

Welche Sprachen sollten Ausländer denn auf Mallorca lernen?

Hier auf den Balearen haben wir zum einen die Amtssprache Spanisch, die wir laut Verfassung alle verpflichtet sind zu sprechen - und die jeder, der hier lebt und arbeitet automatisch lernt, da Spanisch allgegenwärtig ist: auf der Straße, im Fernsehen, im Kino, in der Freizeit. Zum anderen gibt es die Inselsprache Katalanisch, die hier seit Jahrhunderten historisch verwurzelt ist und den sozialen Zusammenhalt gewährleistet. Sie gilt deshalb als sogenannte Aufnahmesprache, die alle Zuwanderer lernen müssen. Aber ich würde nie fordern, dass Ausländer auch zu Hause Katalanisch sprechen. Und in Ländern wie Deutschland oder Frankreich, wo es eh nur eine Sprache gibt, die überall allgegenwärtig ist, halte ich ein solches Gebot noch für viel überflüssiger.

Die eigenen vier Wände sollten also der Sprache des Herkunftslandes vorbe­halten sein?

Ja, und zwar egal ob das Deutsch, Englisch, Marokkanisch oder Senegalesisch ist. Zu Hause können die Leute ihre Kultur und ihre Sprache pflegen. Sich zu integrieren heißt schließlich nicht, seine Wurzeln aufzugeben. Sprachliche Vielfalt ist doch eine Bereicherung. Übrigens auch an den Schulen. Ideal wäre doch, wenn dort nicht nur die beiden Amtssprachen gelernt würden, sondern im Unterricht auch mit den Sprachen der Einwandererkinder gearbeitet würde. Die Chance, dass auf Mallorca so viele Nationalitäten vertreten sind und es so viele Ausländer gibt, sollte man nutzen. Dazu muss man aber erst einmal dafür sorgen, dass sich an den öffentlichen Schulen keine Ghettos bilden, wo nur noch Einwanderer­kinder versammelt sind. Wenn wir wollen, dass die Ausländer Katalanisch lernen, sollten wir auch ein bisschen offener sein für deren Sprache und Kultur und uns um Austausch und Interkulturalität bemühen. Multikulti allein bringt doch nichts.

Gerade aber mit dem Katalanischen tun sich viele Ausländer schwer. Würde es da nicht helfen, wenn die Politik ein wenig nachhelfen würde?

Eine Familie, die hier herkommt, wird Katalanisch lernen, vor allem die Kinder durch den Schulbesuch. Bei Erwachsenen und Rentnern mag das anders sein. Wobei es auch da viele gibt, die sehr bemüht sind und sich sogar sehr für die katalanische Sprache und Kultur interessieren. Im Endeffekt hängt das doch von jedem Einzelnen ab. Ich bin der Meinung, dass man Sprachen nur lernen kann, wenn man Freude daran gefunden hat. Was Deutschland da erwägt, ist deshalb absolut kontraproduktiv. Zumal es da ja nicht um ausländische Mallorca-Residenten geht, die sich ein schönes Leben machen wollen, sondern Migranten, die in ein anderes Land gehen, es dort erst einmal schwer haben, keine Arbeit finden - da kann man doch nicht mit einer Deutsch-Pflicht kommen. Die erste Einwanderer-Generation lernt die Landessprache nie perfekt, das haben auch die ersten Zuwanderer, die in den 60er Jahren vom spanischen Festland kamen, nicht getan. Aber ihre Kinder und Enkel sprechen längst perfekt mallorquí.

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