Ein Monat ist bereits ins Land gezogen, seit Ermittlungsrichter Eloy Velasco in Madrid seinen Abschlussbericht vorgelegt hat. Zwei Wochen hat er der Staatsanwaltschaft darin Zeit gegeben, um gegen die von ihm beschuldigten 55 Mitglieder und Sympathisanten der Hells Angels, darunter Rockerboss Frank Hanebuth, Anklage zu erheben. Doch passiert ist seitdem - nichts. Gonzalo Boye, Hanebuths in Madrid ansässiger Anwalt, kann seinen Missmut über das Vor­gehen in dem Ermittlungsverfahren gegen seinen Mandanten auch im Telefon­interview mit der MZ nicht verbergen.

Herr Boye, wird es Ihrer Meinung nach zu einer Anklage kommen?

Die für mich einzig logische Schlussfolgerung nach drei­jährigen Ermittlungen und fast zweijähriger Untersuchungshaft lautet, dass es auf jeden Fall zur Anklage kommen muss. Allerdings hat nun erst einmal die Staatsanwaltschaft Velascos Bericht angefochten und weitere Ermittlungen gefordert. Das heißt, entweder Velasco akzeptiert das und schafft zusätzliches Beweismaterial heran. Lehnt er das ab, wird die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen, also die Strafkammer der Audiencia Nacional anrufen, die ihn dann zu weiteren Ermittlungen verpflichten könnte. Bis über eine Anklage entschieden wird, können deshalb noch viele Monate vergehen. Zumal auch zahlreiche Beschuldigte Einsprüche gegen den Abschlussbericht eingelegt haben, die nun ebenfalls bearbeitet werden müssen.

Haben auch Sie als Hanebuths Verteidiger Widerspruch ein­gelegt?

Nein, weil das nach meiner Rechtsauffassung keine Verteidigungsstrategie ist, und ich vor allem nicht möchte, dass sich das Verfahren noch länger hinaus­zögert.

Was sagen Sie zu den Anschuldigungen, die der Richter gegen ihren Mandanten erhebt?

Nun ja, alles was der Richter in dem Bericht sagt, ist, dass irgendwelche Leute dies und jenes geplant oder getan haben. Es ist an keiner einzigen Stelle von einer Straftat die Rede, die Hanebuth angeblich selbst verübt hat. Es wird lediglich spekuliert, dass er davon gewusst hat oder alles von ihm abgesegnet werden musste. Bei der Schwere der ­Vorwürfe hätte ich mir etwas konkretere und ernsthaftere Beweise erwartet.

Wird man Hanebuth am Ende nichts nachweisen können?

Es gibt schlichtweg keine Beweise. Sie werden in den ganzen Ermittlungsunterlagen keinen einzigen Anruf finden, der seine Mittäterschaft beweist. Weil die Ermittler solche Telefonate nicht mitgehört haben - und weil sie überhaupt niemals stattfanden. Und die Staatsanwaltschaft sieht das offenbar genauso.

Was an dem Ermittlungsbericht unabhängig vom Inhalt auffällt, ist, dass unter anderem die Namen der Beschuldigten ständig falsch geschrieben werden.

Und nicht nur das! In dem Absatz, wo es um das Geld geht, das die Hells Angels angeblich von Istanbul in die Schweiz schaffen wollten, wird eine ´Deustche Zuriche Bank´ erwähnt, wo die Summe einbezahlt und dann auf andere Konten weiterüberwiesen werden sollte. Eine Bank mit einem solchen Namen gibt es nicht. Der Richter gründet auf solch vermeintlichen Fakten seine Anschuldigung wegen Geldwäsche - eine Straftat, auf die immerhin eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Jahren steht. Das ist doch absolut unseriös, ja vielmehr absurd! Die ganze Geschichte kann ja nicht ernst gemeint sein: Wie will man denn eine so riesige Geldmenge Bargeld (in den Ermittlungsakten war von 500 Millionen Euro die Rede, Anm. d. Red.) auf Paletten und in Containern in die Schweiz bringen, ohne dass es dem Zoll oder an der Grenze auffällt? Zumal dann ja in irgend­einem Land die Geldscheine ausgehen müssten. Oder nehmen wir die Stelle, wo es um den Aufbau des Mallorca-Chapters geht, das im Übrigen nie im spanischen Vereinsregister auftauchte und auch nicht zu den landesweit neun Hells Angels-Clubs zählt: Der Richter spricht von Hanebuth als Anführer. Einziger Beweis ist aber offenbar die Kutte, die man bei ihm gefunden hat. Aber hat die irgendjemand mal gesehen? Und solche Beispiele könnte ich Ihnen noch zig andere geben. Der ganze Bericht ist voller Fehler. Da wurde einfach unsauber und schlecht gearbeitet.

Kommen solche Schlampereien in Spanien öfter vor, oder haben wir es mit einem Ausnahmefall zu tun?

Das ist ein sehr untypischer Fall. Ich bin überzeugt, dass Hanebuth nur im Gefängnis sitzt, weil er Deutscher ist. Wenn die Beschuldigten Spanier wären, wäre es niemals so weit gekommen.

Versuchen Sie nach wie vor, ihn aus der Untersuchungshaft rauszuholen?

Wir haben es ein paar Mal versucht, aber vergeblich. Dabei wissen wir immer noch nicht, warum er eigentlich eingesperrt ist und wegen was man ihn anklagen will. Noch ein kurioses Detail: In der Liste der Beschuldigten, die Velasco aufführt, steht Hanebuth auf Platz fünf. Von den Vieren vor ihm, die mutmaßlich schlimmere Sachen begangenen haben, sind allerdings alle außer Khalil Youssafi längst wieder auf freiem Fuß. Ich weiß nicht, was hier vorgeht. Das ist wie ein Kampf gegen Windmühlen.

Nachdem eine deutsche Tageszeitung vergangene Woche behauptete, der Hells Angels-Prozess müsse auf Mallorca stattfinden, berichtigte Fernando Noya, der Sprecher der Generalstaats­anwaltschaft, um­gehend: Verhandelt werde an der Audiencia Nacional in Madrid. Wie sehen Sie die Sache?

Ich bin durchaus der Meinung, dass der Prozess nach Palma gehört. Laut Gesetz ist die Strafkammer der Audiencia Nacional nämlich überhaupt nicht zuständig. Sie wäre es im Fall von Drogen­handel, aber nur dann, wenn er von Banden oder organisierten Vereinigungen betrieben wird und Auswirkungen in verschiedenen Provinzen des Landes hat. Diese Voraussetzung sehe ich bei den Ausführungen des Richters Velasco nicht. Alle Drogen­delikte, die er schildert, haben sich auf Mallorca zugetragen. Und übrigens ist auch die Meldung, dass nun die Antikorruptions-Staatsanwaltschaft der Balearen die Ermittlungen übernommen hat, falsch, da muss es sich wohl um ein Missverständnis gehandelt haben.