Es passierte nicht weit draußen auf dem Atlantik oder irgendwo im fernen Asien. Es passierte auch nicht einer unbekannten oder als unzuverlässig bekannten Airline. Die Maschine stürzte direkt vor der Haustür ab, auf einer Route, die jeder Mallorca-Resident oder Urlauber auf dem Weg Richtung Deutschland schon überflogen hat - sei es, weil man in Barcelona umsteigen musste, sei es, weil das Mallorca-Flugzeug nach dem Überqueren des Mittelmeers von Marseille aus in Richtung Alpen fliegt.

Es ist wohl auch diesen Umständen geschuldet, dass der Flugzeugabsturz vom Dienstag (24.3.) den Menschen auf Mallorca besonders nahe geht. Am Sonntagmorgen (22.3.) - also gerade einmal 48 Stunden vor dem Unglück - war der Airbus A320 mit dem Kennzeichen D-AIPX zuletzt auf Palmas Flug­hafen gelandet, gegen 11 Uhr hatte er von dort aus wieder abgehoben - in Richtung Düsseldorf, also zu dem Zielflughafen, an dem die Germanwings-­Maschine am Dienstag nicht mehr ankommen sollte.

In Son Sant Joan ging am Tag des Absturzes alles seinen gewohnten Gang. Das erlebte auch Martina Feyerherd, Redakteurin der deutschen Touristik-Fachzeitschrift „fvw", die am Dienstag zu einem von dem Magazin organisierten viertägigen Workshop für Mitarbeiter und Eigentümer von Reisebüros auf die Insel kam. Erst nach der Landung erfuhr sie von dem Unglück. „Am Flughafen war nichts zu spüren, außer dass Kollegen aus Berlin wegen der Umstände verspätet ankamen", berichtet sie.

Natürlich sei das Thema am Nachmittag unter den Profis intensiv diskutiert worden. „Der Mitarbeiter eines Reisebüros erhielt wegen des Absturzes den Anruf eines Kunden, der seine Familie statt auf eine auf zwei verschiedene Maschinen buchen wollte, damit im Falle eines Falles nicht die ganze Familie auf einmal ausgelöscht wird", so Feyerherd. „Es ging aber wohlgemerkt nicht um eine

Stornierung."

Die Erfahrung zeige, dass solcherlei Unfälle kaum Auswirkungen auf das Reiseverhalten hätten: „Die Touristen sind hart im Nehmen geworden", es passiere schlicht zu viel auf der Welt. Aber dieser Absturz ging auch der Journalistin besonders nah: „Es war natürlich nicht der erste Flugzeugabsturz, aber dieser war im Vergleich zu den letzten einfach so nah dran."

Mindestens ein Passagier hatte auf Mallorca gelebt: Der 28-jährige Brite Paul Bradley hatte bis 2012 seinen Wohnsitz bei seiner Mutter in Santa Ponça, studierte aber zuletzt in der Schweiz. An Bord war zudem ein deutscher Unternehmer mit Zweitwohnsitz auf Ibiza.

Kurz nach dem Unglück hatte die Nachrichtenagentur Efe eine Meldung verbreitet, der zufolge viele der betroffenen deutschen Passagiere auf der Heimreise vom Insel-Urlaub gewesen wären. Die Information stammte angeblich von Mitarbeitern der Handling-Firma Swissport, die in Barcelona für Germanwings die Passagier- und Gepäckabfertigung übernimmt. Bestätigen konnte diese Information auch am Mittwoch niemand. Swissport-Sprecher Kurt Rossi erklärte, sein Unternehmen habe erst aus der Zeitung von den vermeintlichen Aussagen erfahren, und verwies für alle anderen Auskünfte an Germanwings. Doch auch dort gab es keine näheren Auskünfte: „Wir können das nicht bestätigen. Die offizielle Passagierliste ist den deutschen Behörden übergeben worden", so eine Sprecherin am Mittwochnachmittag. Bis nicht alle Angehörigen der insgesamt 150 Todesopfer informiert seien, könne man sich nicht äußern.

An Palmas Flughafen war bis Redaktionsschluss nichts davon bekannt, ob Urlauber von Mallorca über Barcelona nach Düsseldorf hatten reisen wollen. Da die Namensliste der verunglückten Passagiere nicht vorläge, sei ein Abgleich mit Fluggästen, die zuvor in Palma eingecheckt hätten, nicht möglich. „Da Germanwings aber Direktverbindungen von Palma nach Düsseldorf anbietet, stellt sich ohnehin die Frage, wieso ein Passagier unter der Woche und in der Nebensaison über Barcelona fliegen sollte", heißt es in der Presseabteilung von Son Sant Joan - zumal Germanwings die Strecke Palma-Barcelona gar nicht im Angebot hat und diese Teilstrecke über eine andere Fluggesellschaft hätte gebucht werden müssen.

Die Meldung über Mallorca-Opfer wurde auf der Insel nicht zuletzt zum Grund genommen, öffentlich zu kondolieren. Sowohl Palmas Bürgermeister Mateo Isern als auch Erzbischof Xavier Salinas bezogen sich in ihren Beileidsbekundungen auf die Urlauber, die vermeintlich von Palma aus ihre letzte Reise ange­treten hatten.

Dass auch die beiden großen Parteien der Insel am Dienstag alle geplanten Wahlkampfveranstaltungen absagten, im Parlament eine Schweigeminute abgehalten wurde und der Inselrat den Angehörigen der Opfer sein Beileid aussprach, lag natürlich auch an der großen Anzahl spanischer Opfer - nicht nur auf dem Festland, sondern auch auf der Insel wurde am Mittwoch eine dreitägige Halbmastbeflaggung angeordnet. Im deutschen Konsulat legten die Mitarbeiter im Auftrag des Auswärtigen Amts in Berlin ein Kondolenzbuch aus, in dem sich die Bürger eintragen können (Donnerstag 9-12 Uhr und 14-16 Uhr, Freitag 9-12 Uhr).

Auf einer Insel, die von der überwiegenden Mehrheit der Besucher nun einmal per Flugzeug angesteuert wird, stellt sich unterdessen die Frage nach möglichen Konsequenzen für das Tourismusgeschäft. Doch zu wirtschaftlichen oder sonstigen Auswirkungen des Unglücks wollte sich die Vorsitzende des Hoteliersverbandes (FEHM), Inma de Benito, nicht äußern: Derzeit gehe es vor allem um „Trauer, Schmerz und Solidarität".

Die Gefahr von Rückgängen bei den Buchungen sehen Experten nicht. Eduardo Gamero, Vorsitzender des mallorquinischen Fremdenverkehrsverbandes, betonte nach der offiziellen Schweigeminute vor der Vertretung der Madrider Zentral­regierung in Palma am Mittwochmittag, Flugzeuge seien nun mal statistisch nach wie vor „das sicherste Transportmittel" - und für eine Insel wie Mallorca schlicht unverzichtbar.

Der Panoramablick auf die französischen Alpen aus dem Flugzeugfenster wird dessen ungeachtet wohl bei mehr als einem Mallorca-Urlauber noch lange ein mulmiges Gefühl auslösen.