Es ist ein Mammutprojekt, auf dessen Fläche der Küstenort Canyamel zweimal Platz fände. Auf einem 25 Hektar großen Grundstück gegenüber des Golplatzes Canyamel baut das Unternehmen Cap Vermell Investment Group zum einen eine weitläufige Luxus-Siedlung, deren erste, bereits fertiggestellten und zum Kauf stehenden Villen sich noch halbwegs verträglich in die grünen Hügel einfügen. Wie eine offene Wunde im Berg klafft hingegen die im Bau befindliche Fünf-Sterne-Hotelanlage, die am anderen Ende des Areals entsteht und künftig unter dem Namen Park Hyatt von der amerikanischen Hotelkette betrieben werden soll. Geplant sind 142 Zimmer und Suiten, dazu Restaurants, Spa-Bereich, eine Poollandschaft samt Wasserfällen, ein pittoresker Uhrenturm sowie ein Country Club. Die Baukosten sollen sich auf rund 250 Millionen Euro belaufen und von einem Investor aus Katar finanziert werden. Die Rohbauten stehen bereits.

„Es gibt also kein Zurück mehr", sagt Margalida Ramis, die Sprecherin von Mallorcas Umweltverband Gob, der jahrelang gegen das Bauvorhaben gekämpft hatte. Zuletzt habe man 2011 Anzeige gegen das balearische Umweltministerium und die Gemeinde Capdepera erstattet, bei der das Projekt 2005 erstmals eingereicht und einige Jahre später genehmigt worden war. Der Verdacht der Umweltschützer, hier würde zumindest zu Teilen ein ANEI-Naturschutzgebiet (Área natural de Especial Interés) zugebaut, wurden am Ende mit einem Gutachten des Consell Consultiu zerstreut. Das der Balearen-Regierung unterstellte Beratergremium war zu dem Schluss gekommen, dass der Komplex just innerhalb einer als Baugebiet ausgewiesenen Fläche liege.

„Dabei ist gemeinhin bekannt, dass die Grenzen der Naturschutzgebiete im Gesetz von 1991 ungenau berechnet wurden", sagt Ramis. Weil der verwendete Filzstift zu dick war, würden vielerorts die Maßstäbe nicht stimmen. „Aber der Bürgermeister traute sich nicht, die Ausweisung als Baugebiet rückgängig zu machen, auch wenn dies durchaus vertretbar gewesen wäre", ist die Gob-­Sprecherin überzeugt. Vor den mächtigen Investoren würde eben sogar die sozialistische PSOE kuschen. Der Seitenhieb gilt Rafel Fernández, dem Rathauschef von Capdepera - der das Hotelprojekt durchweg positiv sieht. Nicht nur wegen der Einnahmen, die Baulizenzen und künftig anfallende Steuern in die Gemeinde­kasse spülen. „Das ist zweitrangig. Wichtig ist vor allem, dass dadurch das ­touristische Angebot an Qualität gewinnt und Arbeitsplätze für qualifiziertes Personal entstehen, das hier an der Hotelfachschule in Cala Ratjada ausgebildet wird." Dass die im Februar 2014 eröffnete Außenstelle der balearischen Escola d´Hoteleria unter anderem mit Unterstützung des Bauträgers Cap Vermell zustande kam, lässt Fernández unerwähnt.

Auch Juan Ferrer, Vorsitzender des Hoteliersverbands von Capdepera, verspricht sich vom künftigen Hyatt Hotel, das zum Saisonstart 2016 eröffnen soll, nur Gutes. „Dadurch wird unsere Gegend über Europa hinaus bekannt, und wir können neue Märkte erschließen." Denn die Marke Hyatt dürfte vor allem mehr US-amerikanische Urlauber auf die Insel locken. Lediglich Pere Fuster, Bürgermeisterkandidat des Parteienverbunds Més, sieht die Sache etwas kritischer: „So einen Komplex mitten in die Landschaft zu setzen, entspricht nicht unseren Vorstellungen, wie man mit Boden­ressourcen umgehen sollte." Doch eine Rücknahme der Baugenehmigung würde die Gemeinde wegen der fälligen Schadenersatzzahlungen teuer zu stehen kommen. „Wir können deshalb nur hoffen, dass das Projekt so gut wie möglich zu Ende gebracht wird."

Das hofft auch Margalida Ramis - die dabei nicht nur an nie vollendete Geistersiedlungen wie Terrápolis an der Cala Rómantica denkt. „Wir wollen hier kein zweites Tschernobyl von Málaga", sagt die Gob-Sprecherin in Anspielung an einen Luxuskomplex bei Marbella, der 2006 begonnen, aber nie zu Ende gebaut wurde, weil das Geld ausging. Dass der Investor auch dort aus Katar kam und eines der Hotels ebenfalls von Hyatt betrieben werden sollte, hält Ramis für ein schlechtes Omen.

Nicht gerade verheißungsvoll stimmt außerdem eine Szene, die sich Mitte April auf der Riesenbaustelle zugetragen hat. Ein aus Marokko stammender Bauunternehmer harrte über Stunden auf einem Kran aus, um Außenstände in Höhe von 80.000 Euro für bereits erledigte Arbeiten einzufordern. Die Schulden seien inzwischen beglichen, doch dem Unternehmer wurde der Vertrag gekündigt und seine 61 Arbeiter von der Baustelle verjagt, berichtet Guillem Vadell von der Gewerkschaft UGT in Manacor. Ebenso sei es einer anderen Firma ergangen, die in Canyamel rund 40 Mann im Einsatz hatte. „Wer sein Soll nicht erfüllt, fliegt, und es wird der Nächste unter Vertrag genommen", sagt Vadell. „Bei so einem Projekt verdienen die beiden beauftragten Bauunternehmen und vielleicht noch ein paar wenige Subunternehmer." Doch alle anderen Firmen in diesem Geflecht von Sub- und Sub-Subunternehmen würden ausgebeutet. Da das Arbeitspensum in Quadratmeter und nicht in Stunden gemessen werde, müssten die meisten Arbeiter sechs Tage die Woche ran, bis zu zwölf Stunden pro Tag. Die meisten würden mit einem Hungerlohn abgespeist, viele nicht mal bei der Sozialversicherung angemeldet. „Aber da schaut kein einziger Politiker vorbei, ob alles mit rechten Dingen zugeht", poltert Vadell. Ebensowenig interessiere sich die Arbeitsaufsicht für die hermetisch abgeriegelte Baustelle, auf der derzeit an die 500 Personen beschäftigt sind.

Die Grupo Cap Vermell indes möchte zu all dem keine Stellungnahme abgeben. „Das stinkt alles zum Himmel", so das Fazit von Gob-Sprecherin Ramis. Und der Gipfel sei, dass das Park Hyatt vor Kurzem bei einem Forum über nachhaltigen Tourismus als Paradebeispiel für ebensolchen angeführt wurde - weil der Bau sich so wunderbar in die natürliche Umgebung einfüge und Ökologie und Sozialverträglichkeit groß geschrieben würden.

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