Für die Zeitungen war die Geschichte nur eine Notiz am Rande: Eine deutsche Urlauberin hatte sich Ende Mai bei einem Ausflug mit einer Charteryacht vor Magaluf verletzt und musste anschließend in einem Krankenhaus stationär behandelt werden. Doch der letztlich glimpflich verlaufende Vorfall hatte ein nicht unbedeutendes juristisches Nachspiel zur Folge. Während der Untersuchung über den Unfallhergang stellte sich heraus, dass an Bord des Charterbootes ein Skipper angeheuert worden war - der dafür nicht die vorgeschriebene Lizenz besaß. Wenige Wochen später wurden der Bootskapitän und das Charterunternehmen zu einer Geldstrafe von über 10.000 Euro verdonnert.

Die Charter­branche auf Mallorca reagiert auf den Fall mit einer Mischung aus Besorgnis, aber auch Verwunderung. Bereits seit Jahren schippern die meisten Charterskipper auf Mallorca in der Illegalität. Grund sind die bis dato unklaren und teils paradoxen rechtlichen Vorgaben zur Ausübung ihres Berufes. „Um Touristen auf Charteryachten zu fahren, braucht man auf den Balearen erst einmal ein spanisches Kapitänspatent, den sogenannten PPER-Schein", sagt Frank Wilhelm*. Der Deutsche arbeitet seit über zwölf Jahren in der Hochsaison von Juli bis September als Tages- und Wochen-Skipper für verschiedene Charteragenturen in Palma. Kommerzielle Bootsführerscheine aus dem Ausland, wie der deutsche Sportschifferschein (SSS) oder der britische ­Yachtmaster-Offshore Schein (YMO), werden in Spanien offiziell nicht anerkannt. „Der PPER-Schein gilt aber ausschließlich für Boote mit spanischer Flagge. Im Ausland registrierte Yachten, die besonders häufig von Charter­unternehmen im Auftrag ihrer Eigner vermietet werden, dürfen mit der spanischen Kapitänslizenz gar nicht erst bewegt werden."

Die meisten Charterboote auf der Insel - egal welcher Herkunft - werden daher als sogenannte bare boats, also als Yachten ohne Crew vermietet. „Verlangen die Kunden aber einen Skipper, weil sie die Yacht nicht selbst fahren wollen oder können, greifen die meisten Charterfirmen seit Jahren in die Trickkiste", erklärt Wilhelm. Der angeheuerte Kapitän wird dabei für die Dauer seines Einsatzes einfach als weiterer Kunde in den Chartervertrag eingesetzt. „Sollte die Yacht von einem Patrouillenboot des Zollamtes oder der Guardia Civil kontrolliert werden, gibt sich der Skipper nicht als Berufskapitän aus, sondern als einer der Chartergäste an Bord."

Wie die meisten seiner Kollegen wirtschaftet auch Wilhelm vollkommen schwarz in die eigene Tasche. „Unser Tageshonorar, das in der Regel zwischen 150 und 180 Euro beträgt, bekommen wir von den Kunden bar ausgezahlt", so der Deutsche. Eine Festanstellung als Skipper bei einem Charter­unternehmen sei in der Branche vollkommen unüblich.

Diese ist aber ebenfalls Voraussetzung dafür, um überhaupt als professioneller Schiffs­führer auf den Balearen arbeiten zu können. „Freiberufliche Skipper, also autónomos, sind nach spanischem Recht nun einmal nicht vorgesehen", sagt Biel Llabrés, Sachbearbeiter in der balearischen Hafenbehörde und zuständig für die Registrierung von Kapitänspatenten. Die Verantwortung liege einzig und allein bei den Charterunternehmen. „Wer einen Skipper für kommerzielle Zwecke anbietet, muss ihn eben auch als solchen einstellen und bei uns registrieren", so der Beamte.

So wie Carsten Piwek, Geschäftsführer des Charter­unternehmens „Best Boats" in El Toro unterhalb von Mallorcas Nobel-Marina Port Adriano. „Wir arbeiten seit über zwei Jahren mit einem festangestellten Berufskipper. Anders ist das gar nicht möglich. Außerdem sind alle unsere Boote für die Nutzung mit einem Kapitän an Bord gesondert versichert", so Piwek. Das sei nicht billig und auch der Hauptgrund dafür, warum die meisten anderen Unternehmen auf der Insel ihre Yachten als bare boats registrieren ließen.

Für die meisten in der Branche auf Mallorca tätigen Firmen existieren Charter-Skipper denn auch gar nicht. Kaum ein Charterunternehmen wollte auf Anfrage überhaupt Stellung zu diesem Thema beziehen. Zu groß ist die Angst vor möglichen juristischen Konsequenzen, die das illegale Verchartern von Yachten mit einem Skipper derzeit nach sich ziehen kann. „Wir würden unseren Kunden gerne diesen Service anbieten, schließlich ist die Nachfrage nach Charter-Skippern insbesondere im Sommer sehr hoch", sagt Anton Gschwandtner von der Firma MBS Charter in Palma. „Aber die bürokratischen Hürden auf Mallorca sind einfach unüberwindbar."

An einer Lösung wird auf der Insel dennoch gearbeitet. „Erster Schritt zur Legalisierung der Arbeitssituation von ausländischen Berufsskippern auf Mallorca ist die europaweite Anerkennung aller kommerziellen Bootsführerscheine", glaubt Silja Teege vom Charter- und Ausbildungszentrum „Sea Teach" in Cala d´Or. Mithilfe eines EU-Förderprojektes kämpft die Deutsche seit über vier Jahren für die Homologisierung von Führerscheinen für Skipper, die auf so genannten „Short Comercial Vessels" (SCV), in der Regel Charter­yachten von maximal 25 Meter Länge, arbeiten.

„Zusammen mit unseren Partnern, wie beispielsweise dem Bundesverband für Wasserwirtschaft oder dem Dachverband der Europäischen Bootsindustrie, haben wir die geforderten Kenntnisse für den in Deutschland gültigen SSS-Schein mit dem britischen Yachtmaster Offshore- und dem spanischen PPER-Schein detailliert verglichen", so Teege. Ergebnis: Die Übereinstimmung der drei kommerziellen Bootsführerscheine liegt bei 75 Prozent. Steege hofft, dass ihre Studien irgendwann zur Einführung eines europäischen Kern-Führerscheins für Bootsskipper führen wird,

ähnlich wie der EU-Führerschein für Pkw.

Beim deutschen Segelverband DSV in Hamburg hält man die fehlende europaweite Anerkennung von kommerziellen Bootsführerscheinen in der Praxis eher für irrelevant. „In den meisten Ländern drückt man doch ein Auge zu, kaum eine ausländische Behörde verfolgt Skipper auf Charteryachten", so ein Sprecher des Verbandes.

Für Silja Teege ist das jedoch kein Argument. „Im Ernstfall, wenn also die Charteryacht Schiffbruch erleidet, untergeht oder gar einer der Passagiere verletzt wird, kommt immer heraus, wer das Kommando an Bord hatte. Stellt man dabei fest, dass der Kapitän als Profi angestellt wurde, jedoch nicht über die entsprechende nationale Lizenz verfügt, dann zahlt die Versicherung nicht - und der Skipper wird zur Rechenschaft gezogen".

Eine EU-weite Anerkennung von kommerziellen Bootsführer­scheinen würde außerdem der gesamten Berufsgruppe zu einem besseren Ansehen verhelfen. „Die Zahl der schwarzen Schafe in der Branche ist groß. Ein klarer, international anerkannter Ausbildungsstandard sorgt für

Transparenz", sorgt Teege.