Juan Jesús Vaquero ist bereits seit mehr als zwölf Stunden auf den Beinen. Um 5 Uhr morgens ist der Fischer aufs Meer hinausgefahren. Nun steht er in der kleinen Fischhalle von Port d´Alcúdia und sortiert mit seinen Kollegen den Fang des Tages: Garnelen in verschiedenen Größen, Kaiserhummer, Tintenfisch, Seehecht, Rotbarben, Zwergdorsche, Großen Roten Drachenkopf und vieles mehr. Punkt 17.45 Uhr öffnen die Männer die Tür des Verkaufsraums, vor dem bereits ein halbes Dutzend Kunden wartet. „Nur wenn man früh hier ist, hat man die volle Auswahl", sagt ein Mallorquiner, der regel­mäßig zum Direktverkauf der Fischer kommt. Wo sonst habe man schon die Garantie, dass der Fisch auch tatsächlich ganz frisch sei?

Denn in der Regel liegt zwischen Fischkutter und Endverbraucher mindestens ein Händler oder Restaurantbesitzer, der die Ware bei den Fischern einkauft und sie dann seinen Kunden anbietet oder auftischt. „Mallorca ist in dieser Hinsicht ein Sonderfall", sagt Rafael Más, der Vorsitzende von Palmas Fischerzunft. Während andernorts in Spanien jeder Hafen seine eigene Fischhalle habe, werde auf der Insel der Fang aller zehn Fischerzünfte in Palmas zentraler Fischbörse, der Lonja, versteigert.

Alcúdia hat diese Vorgabe als erste Küstengemeinde durchbrochen und bereits 2005 eine eigene Verkaufshalle in Betrieb genommen. „Das bedeutet für mich nochmal zwei Studen Arbeit mehr", sagt Juan Jesús Vaquero, einer von vier Fischern, die sich am Direktverkauf beteiligen - was bei insgesamt 34 Booten recht wenig ist. Allerdings rechnen sich die Überstunden: Für seine Ware bekomme er hier rund 15 Prozent mehr als an der Fischbörse in Palma. „Vor allem im Winter, wenn die Nachfrage zurückgeht und die Preise in Palma fallen, ist das eine wichtige Einnahmequelle."

Für die Verbraucher dagegen mache sich der Aufschlag nicht bemerkbar, da sie im Laden in etwa die selben Preise oder sogar noch mehr zahlen müssten, erklärt Vaquero. Über mangelnde Kundschaft könne er sich deshalb nicht beschweren, in den Sommer­monaten Juli und August kämen täglich an die 50 Leute. „Bei uns kaufen Ausländer, die sich Sankt-Petersfisch für 30 Euro das Kilo leisten können, ebenso wie einheimische Familien, die hier für 5 Euro potas (Kalmare) für ein Abendessen bekommen."

Die offizielle Regelung, die den Direktverkauf in den Häfen der Insel ermöglicht, wurde erst 2014 verabschiedet. Zu den Fischer­zünften von Alcúdia, Andratx, Porto Cristo oder Port de Sóller, die die venta directa zwischenzeitlich schon praktizierten, gesellte sich im vergangenen Jahr schließlich auch Cala Ratjada. Nur Palmas Fischer warten bisweilen vergeblich auf eine Genehmigung aus dem balearischen Fischereiministerium, um es ihren Kollegen in anderen Inselgemeinden gleichtun zu können.

Das Problem sei, dass es pro Ort nur eine Lonja geben dürfe, erklärt Fischer Rafael Más. „Allerdings brauchen wir ja überhaupt keine zweite Fischhalle, wenn wir die bestehende nachmittags für ein paar Stunden nutzen könnten." Betrieb herrsche dort schließlich nur zwischen 4 und 8 Uhr morgens, wenn die Fänge vom Vortag oder frühen Morgen verkauft werden. Danach stünde die Halle leer.

Doch mit diesem Vorschlag biss Palmas Fischerzunft bei der Erzeuger­gemeinschaft Mallorcamar, die den Konzessionsvertrag für den Betrieb der Lonja innehat, auf Granit. „Sie wollen uns nicht reinlassen", sagt Más, der den Grund dafür genau kennt: „Sie haben Angst, dass wir ihnen das Geschäft kaputt machen." Das allerdings sei völliger Unsinn, schließlich gehe es nur um eine geringe Menge, die an der Fischbörse vorbei verkauft werden würde: Palmas Fischer steuerten zum gesamten, rund um Mallorca gemachten Fang etwa zehn Prozent bei. Davon würden maximal 30 Prozent in den direkten Verkauf gehen. „Das wird wohl kaum den Fisch­handel auf der Insel durcheinander bringen", ist Más überzeugt.

Mallorcamar selbst hält sich bedeckt: Der Vorschlag der Fischer sei „komplex", heißt es. Man müsse ihn deshalb genau prüfen. Ángel López, der General­sekretär von Palmas Fischerzunft, glaubt indes zu wissen, dass die Fischverkäufer der Stadt Druck auf Mallorcamar ausüben, damit die Erzeuger­gemeinschaft den Direktverkauf verhindert. López hält diese Abwehrhaltung für unklug: Es sei zum einen eine Benachteiligung für die Bürger von Palma, die keine Möglichkeit hätten, fangfrischen Fisch zu kaufen. Zum anderen aber lasse sich die Stadt eine Touristenattraktion durch die Lappen gehen, die eine Fischhalle - wie es sie in vielen Küstenstädten auf dem spanischen Festland gibt - zweifelsohne darstellen würde. „Letztens kam ein italienischer Urlauber zu uns und wollte Fisch kaufen", erzählt López verärgert. „Wir mussten ihn wohl oder übel nach Port d´Andratx schicken."

Geschlagen geben wollen sich Palmas Fischer deshalb noch lange nicht. Der Vorsitzende Rafael Más will nun das Hafenamt um Räumlichkeiten für den Direktverkauf bitten. „Das ist auch nicht neu, das versuche ich auch schon seit Jahren", erzählt er. Unter dem früheren Leiter der Hafenbehörde, Alberto Pons, wurde den Fischern im vergangenen Jahr sogar einmal das Angebot unterbreitet, ihnen ein Verkaufslokal zur Verfügung zu stellen - wobei Pons den Fischern im Gegenzug ihren Anlegesteg wegnehmen wollte, weil ihm Liege­plätze für Charter­yachten fehlten, die er dem Real Club Naútico versprochen hatte.

Der neue, seit August im Amt befindliche Behördenleiter Joan Gual hat diesen Deal zwar nicht weiterverfolgt - doch für Rafael Más zählt allein die Tatsache, dass das Angebot einmal auf dem Tisch war: „Wenn sie uns das Verkaufslokal im Tausch geben können, können sie es auch so", argumentiert er. Denn im Prinzip scheine ja nichts dagegen zu sprechen. Er wolle deshalb weiterhin Druck machen und hofft, dass es bis Ende des Jahres, frühestens aber Anfang 2016 mit dem Direktverkauf in Palma klappt. „Es wäre allerhöchste Zeit."

Gar nicht eilig haben es dagegen die Fischer von Port de Pollença. Sie besitzen seit einigen Monaten die offizielle Lizenz zum Direktverkauf, nutzen diese bisher aber nicht. „Wir sind ein kleiner Hafen mit elf Booten", sagt Joan Suau, der Vorsitzende der Fischerzunft. Die Investition, die laut einem Kostenvoranschlag nötig wäre, um ein geeignetes Verkaufslokal samt Kühlanlage zu schaffen, könnten sie kaum stemmen. „Wir müssten viel Geld reinstecken, aber der Erlös hielte sich vermutlich in Grenzen", befürchtet Suau. Und deshalb wurde das Vorhaben vorerst auf Eis gelegt.

Juan Jesús Vaquero aus Alcúdia hat es indes noch nicht bereut, dass seine Arbeitstage nun statt nach zwölf erst nach 14 Stunden enden. „Mich freut es, dass die Leute aus dem Dorf zufrieden sind, weil sie jeden Tag frischen Fisch bekommen", sagt er und packt einer freundlichen Dame ein Kilo jurel (Bastardmakrelen) in eine Tüte. „Lasst es euch schmecken, danke, bis zum nächste Mal, adéu."

Direktverkauf in Port d´Alcúdia: montags bis freitags von 17.45 bis max. 19.30 Uhr in der Lonja.