Renate Brückner schlägt wild um sich. „Wir haben hier so viele Mücken, man kann kaum mehr draußen sitzen", klagt die Deutsche, die mit ihrem Mann Manfred seit 1981 eine Ferienwohnung in Cales de Mallorca besitzt.

Den Aufenthalt in diesem Sommer trübt aber nicht allein eine Mückenplage - sondern vielmehr der Grund dieses Übels, den das Ehepaar auf der anderen Straßenseite vermutet: Dort befinden sich auf einem völlig verwahrlosten Gelände ein 25-Meter-Pool und ein kleines Kinderbecken, die seit ­Jahren nicht mehr in Betrieb und nur behelfsmäßig mit einem Netz abgedeckt sind. „Darin lagert seit etlichen Monaten altes, brackiges Wasser, in dem sogar tote Vögel treiben", berichtet Manfred Brückner. Außerdem sei die ekelhafte Brühe die reinste Brutstätte für Tigermücken. „Ich frage mich, wie die den Ort mit Fünf-Sterne-Hotels aufrüsten wollen, mit so einer Jauchegrube vor der Haustür", poltert der Rentner.

Der Ärger um den Pool, der die Brückners und zahlreiche andere Anwohner seit Monaten umtreibt, ist ein Paradebeispiel für die unklaren Besitzverhältnisse und Zuständigkeiten in der Siedlung, die an der Ostküste der Gemeinde Manacor liegt und ihre besten Zeiten längst hinter sich hat. Angelegt hat das Schwimmbad einst der Betreiber des angrenzenden Hotels, allerdings auf einem Grundstück, das der Gemeinde gehört. Nachdem dies jahrelang niemanden störte, beschloss Manacor unter der bis Mai regierenden PP, sich das Gelände zurückzuholen - ohne sich weiter um den stillgelegten Pool zu kümmern: Drahtgitter drüber, Zaun rum, fertig. „Wir müssen nun dringend mit dem Hotelbesitzer zu einer Einigung kommen", sagt Amanda Fernández von den Sozialisten, die seit Juni Stadträtin für Tourismus ist. Denkbar sei, dass man dem Hotel das Gelände wieder zur Nutzung überlasse und der Eigentümer im Gegenzug an anderer Stelle beispielsweise einen Park anlegt.

Doch das Dilemma von Cales de Mallorca ist damit bei weitem nicht gelöst. Die Siedlung wurde in den 60er Jahren von privaten Bauträgern errichtet, die auch Straßen inklusive Laternen und Kanalisation bauten. Der eigentlich übliche zweite Schritt - nämlich die Abnahme der Siedlung durch die Gemeinde, wodurch die gesamte Infrastruktur in deren Besitz übergehen würde - erfolgte jedoch bis heute nicht. Offiziell ist Manacor somit gar nicht für die Instandhaltung zuständig, während die privaten Investoren sich längst zurückgezogen haben oder im Zuge der Krise schlichtweg pleite gegangen sind.

Die Folgen sind weithin sichtbar: Straßen und Gehwege bestehen aus zahlreichen Schlaglöchern, im versiegten Springbrunnen an der Plaça de Mallorca lagert eine dicke Dreckschicht, und am Ortsrand stehen verlassene Apartmentblocks, die leise vor sich hin verfallen - oder von Hausbesetzern in Beschlag genommen wurden. „Uns sind die Hände gebunden. Da der Großteil Privatgrund ist, können wir eigentlich nichts machen", bedauert Stadträtin Fernández beim Ortstermin. Weder zugemüllte Grundstücke reinigen, noch eine Verordnung erlassen, die es den Händlern verbieten würde, kreuz und quer auf den Gehsteigen ihre Reklameschilder oder Verkaufsstände aufzustellen. Angesichts der verzwackten juristischen Lage müssten aber noch viele Aktenberge abgearbeitet werden und möglicherweise sogar noch einige Gerichtsverfahren ins Land ziehen, bis die Siedlung komplett an die Gemeinde überschrieben ist, prophezeit Fernández.

Der maroden Straßenlaternen von Cales dem Mallorca habe man sich dennoch schon mal erbarmt. „Die werden derzeit im ganzen Gemeindegebiet durch LED-Leuchten ersetzt." Auch den kaputten Brunnen am Hauptplatz, der seit jeher auf Gemeindegrund liegt, wolle man demnächst reparieren, verspricht Fernández - wohlwissend, dass das Klären der Eigentumsfragen nichts an einem anderen Problem ändert: der misslichen Finanzlage der Gemeinde. „Hier hat sich über die Jahre so viel angestaut, dass wir Unsummen investieren müssten." Doch für die Erneuerung des Straßen- und Kanalnetzes fehle derzeit schlichtweg das Geld. Vorerst konnte die Gemeinde nur zwei zusätzliche Arbeiter zum Erledigen kleinerer Reparaturen einstellen. Für den großen Wurf indes müssten andere Wege und Mittel gefunden werden, sagt Fernández.

Und Manacors Bürgermeister Miquel Oliver hätte da auch schon eine Idee: Die Einnahmen aus der von der Balearenregierung ab 2016 geplanten Touristensteuer sollten für umfassende Sanierungsprojekte in den in die Jahre gekommenen Urlaubsgebieten wie Cales de Mallorca verwendet werden.

Gelingen könne ein solches Vorhaben in Cales de ­Mallorca allerdings nur, wenn die ­Hoteliers mit der Gemeindeverwaltung Manacor an einem Strang ziehen, betont die Tourismusstadträtin. Das Hotel Palia Maria Eugenia habe inzwischen auf vier Sterne aufgestockt, zwei weitere Häuser planen Sanierungen. „Doch es müssten noch viele weitere folgen." In Cales de Mallorca gebe es schließlich über 10.000 Gästebetten.

Gefragt sei zudem das Engagement der Händler und Gastronomen - deren Angebot sich bislang im Wesentlichen auf Strandartikel, Billigramsch und Fast Food beschränkt. An der niedrigen Qualität werde sich kaum etwas ändern, solange nicht an oberster Stelle gegen die All-inclusive-Angebote in den Hotels vorgegangen werde, gibt Vanessa Bailón zu Bedenken, die in einer der wenigen ansprechend wirkenden Bars arbeitet. „Warum sollen die Geschäftstreibenden investieren, wenn sie kaum etwas verdienen", fragt sich die Kellnerin des „Grand Central", das vor zwei Jahren renoviert wurde und nun in modernem, weißen Design erstrahlt. „Die Leute kommen mit genau abgezählter Urlaubskasse. Die einzigen, die was für Drinks ausgeben, sind die Engländer." Und was das heruntergekommene Erscheinungsbild von Cales de Mallorca betrifft, gehen die Erwartungen von Vanessa Bailón gegen Null. „Wir sind das absolute Stiefkind der Gemeinde, hier wurde seit Jahren kein Geld in die Hand genommen."

Ein so düsteres Bild zeichnen allerdings nicht alle in Cales de Mallorca. Anke Weber und Andre Schlüter aus Hagen etwa haben sich erst im Mai eine Ferienwohnung in der Siedlung gekauft und fühlen sich dort rundum wohl. „Es gibt gute Restaurants, schöne Läden, die Müllabfuhr kommt täglich, wenn auch manchmal um 23 Uhr nachts", sagt das Paar.

Gegenüber ihrem ersten Besuch im Frühjahr dieses Jahres seien ihnen zudem sogar Verbesserungen aufgefallen: Die Gemeinde habe die Bäume zurückgeschnitten und das Geländer am Fußweg entlang der Küste repariert. Dass Cales de Mallorca keinen Luxus versprüht, stört die beiden nicht. „Hier ist eine Immobilie im Vergleich zu anderen Ecken der Insel wenigstens noch erschwinglich."