Es ist einer der letzten weißen Flecken auf Mallorcas touristischer Landkarte: In der Feriensiedlung Son Serra de Marina in der Bucht von Alcúdia gibt es kein Hotel, keine Apartmentanlage, keinen Liegenverleih - und selbst im Hochsommer keine Menschenmassen am kilometerlangen Sandstrand. Ab der kommenden Saison allerdings soll die Playa Grossa erstmals mit einer Strandbar sowie einem Sonnenschirm-, Liegen- und Tretbootverleih aufwarten. Das zumindest sehen die Pläne der Gemeinde Santa Margalida vor, zu der die Siedlung gehört und die auf diese Weise neue Einnahmequellen erschließen möchte.

Anwohner, Mitglieder einer Bürgerinitiative und Oppositionspolitiker laufen seit Wochen Sturm gegen das Vorhaben. „Son Serra würde dadurch seinen Reiz verlieren", sagt Euclides Rendón, der seit zehn Jahren ganzjährig in der rund 300 Einwohner zählenden Siedlung lebt, während es im Sommer auch zahlreiche Mallorquiner aus Petra, Inca oder Palma und natürlich ausländische Urlauber in den Küstenort zieht. „Das Getümmel am Strand lässt sich zur Hauptsaison längst nicht mehr vermeiden, aber mit einem Chiringuito und weiteren Touristenattraktionen würden noch viel mehr Menschen angelockt", befürchtet Rendón. Der ursprüngliche Charme Son Serras und einer der letzten unberührten Naturstrände der Insel wären damit ein- für allemal verloren.

Im Rathaus von Santa Margalida, wo seit den Wahlen im Mai 2014 eine Koalition aus PP und dem Zentrums­bündnis Convergència-El Pi regiert, sieht man weniger den Verlust, sondern vielmehr den Gewinn, den das Vorhaben mit sich bringen würde: Die Vergabe einer Konzession für den Betrieb der Strandbar sowie des Schirm- und Liegenverleihs könnte jährlich bis zu 45.000 Euro in die Gemeindekasse spülen, schätzt ­Tourismusgemeinderat Eugenio Garrido. „Damit könnten wir das Defizit der Strände von Son Serra deutlich senken." Bisher müsste Santa Margalida 70.000 Euro pro Jahr für Reinigungsarbeiten, das Instandhalten der Duschen oder den Rettungsschwimmer berappen -

ohne auch nur einen Cent Profit daraus zu schlagen. „Uns schwebt eine ähnliche Lösung wie in Can Picafort vor, wo ein Unternehmen sich um alle Dienstleistungen kümmert." Zudem wolle man sich in der neuen Saison um die Blaue Flagge bemühen, die Strände für ihre Sauberkeit, aber auch ihr Serviceangebot auszeichnet, erklärt Garrido.

Am Es Trenc gibt es auch Bars

Einen schädlichen Eingriff in die Natur fürchtet der Tourismusverantwortliche nicht. „Am Naturstrand Es Trenc gibt es auch Bars", argumentiert er. „Sollte die balearische Küstenbehörde unseren Antrag ablehnen, werden wir Widerspruch einlegen: Warum sollten andere das dürfen und wir nicht?"

Außerdem handle es sich lediglich um einen sehr kleinen Strandabschnitt, versucht Garrido zu beruhigen. Vorgesehen sei, auf Höhe des Torrente, der nahe des Restaurants El Sol am östlichen Ortsrand von Son Serra ins Meer mündet, 50 Schirme, 100 Liegen und einen 20 Quadratmeter großen und vollständig zerlegbaren Kiosk aufzustellen sowie eine kleine Fläche für Tische und Stühle zu schaffen. „Da wird also noch genug Platz bleiben, um sich mit dem Handtuch in den Sand zu legen." Zumal der komplette Strandabschnitt westlich des Ortes, Richtung Finca Son Real, unberührt bleibe - so wie auch der Strand Sa Canova, der sich vom Torrente bis nach Colònia de Sant Pere erstreckt und bereits zur Gemeinde Artà zählt.

„Zum Glück", poltert Antónia Riera von der Bürgerinitiative SOS Son Serra, die kurz nach Bekanntwerden der Pläne ins Leben gerufen wurde. „Artà schützt seine Küste wesentlich besser als Santa Margalida und würde ein Chiringuito niemals zulassen", ist die Frau aus Petra überzeugt, die seit ihrer ­Kindheit den Sommer in Son Serra verbringt und vor allem die Ruhe des kleinen Ortes schätzt. Tatsächlich hat die Gemeinde Artà bislang die Genehmigung eines Strand­kiosks, der zur Saison 2015 am Sa Canova-Strand nahe Colònia de Sant Perre errichtet werden sollte, verweigert. Auch mehrere Megaprojekte an dem Küstenabschnitt, darunter eine 5.000 Betten zählende Ferienanlage, konnten in den 70er und 80er Jahren erfolgreich verhindert werden.

Die Initiative SOS Son Serra macht seit Wochen auf Facebook und mit Flyern gegen das Vorhaben mobil und hat inzwischen hunderte Unterschriften gesammelt, die dem Bürgermeister übergeben werden sollen. Eine Online-Petition auf der Internetplattform change.org haben sogar schon weit über 5.500 Gegner unterzeichnet - und dennoch lässt sich die Gemeinde bisher nicht beirren: „Das raubt mir nicht den Schlaf", sagte etwa der stellvertretende Bürgermeister Joan Monjo in einem Zeitungsinterview. Zumal die meisten Unterzeichner gar nicht in Son Serra wohnten - und damit nicht zu seinen potenziellen Wählern zählen. Stattdessen hätten viele Leute aus Palma unterschrieben, „die jeden Sommer nach Son Serra kommen und den Strand verschmutzen".

Tourismusdezernent Garrido kritisiert indes die Doppelmoral der Chiringuito-Gegner, zu denen auch die Oppositionellen im Gemeinderat, insbesondere die Partei Més zählen. „Sie sind gegen eine Strandbar, aber befürworten die neue Klär­anlage in Can Picafort, deren Abwässer drei Kilometer vom Strand entfernt ins Meer geleitet würden. Das ist in meinen Augen ein wirklicher Angriff auf die Natur", sagt Garrido, der wie seine Convergència-Kollegen und die PP für den Ausbau der bestehenden Anlage an der Playa de Muro plädiert.

Auffallend zurückhaltend geben sich die Gastronomen in Son Serra, wenn man sie nach den Plänen fragt. Die deutschen Pächter des Restaurants El Sol, das im Sommer scharenweise Gäste anzieht und sich in direkter Nachbarschaft und somit auch Konkurrenz zum künftigen Chiringuito befinden würde, wollen sich nicht öffentlich posi­tionieren - betonen aber, dass ihnen das Wohl des Naturstrandes sehr am Herzen liegt.

Nur der erste Schritt

Auch Antònia, die Wirtin einer etwas weiter Richtung Ortsmitte liegenden Bar, will sich nur ungern zu dem Thema äußern. „Son Serra würde sich dadurch natürlich verändern", gibt sie schließlich zu bedenken. Nicht wegen des einen Chiringuitos. „Aber viele hier haben Angst, dass das nur der erste Schritt ist." Und dass der kleine Ort irgendwann so endet wie Can Picafort einige Kilometer weiter im Norden, wo sich Hotelbunker, Restaurants und Souvenirläden aneinanderreihen. „Am schönsten war Son Serra damals vor 30 Jahren, als es noch keine asphaltierten Straßen und keine Straßenlaternen gab", sagt Antònia dann, während zwei Gäste am Tresen zustimmend nicken.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative hoffen indes auf die Vernunft der Küstenbehörde, die bis 15. Januar über den Antrag der Gemeinde Santa Margalida entscheiden muss. „Dort haben wir bereits zahlreiche Einsprüche eingereicht", sagt Albert Diaz, der Sprecher von SOS Son Serra. Ausbremsen könnte die Pläne zudem das balearische Umweltministerium, bei dem die Küstenbehörde ein Gutachten einholen muss, bevor es sein Plazet gibt. „Noch ist also alles offen", ist Diaz optimistisch.

Infos zur Bürgerinitiative unter www.facebook.com/SOSSonSerra. Am Sonntag (10. Januar) um 11.30 findet an der Playa Grossa in Son Serra eine Menschenkette zum Protest gegen das Chiringuito statt.