Zum Interview­termin am Vormittag in einem Café in Palma bestellt Andreu Manresa lieber Wasser. „Ich hatte heute schon drei Kaffee", meint der 60-Jährige aus Felanitx, der inzwischen seit rund einem Monat Intendant des TV- und Radiosenders IB3 ist. Der angesehene Vollblutjournalist leitete bereits im Alter von 30 Jahren den staatlichen spanischen Rundfunk RNE in Katalonien und auf den Balearen. In den vergangenen 25 Jahren war er Korrespondent der linksliberalen Zeitung „El País" auf den Inseln. Um ihn mit den Stimmen von Sozialisten, Més, Podemos und El Pi zum IB3-Intendanten zu wählen, hatte die Linksregierung eigens per Gesetzesänderung die nötige Mehrheit von zwei Drittel auf drei Fünftel der Abgeordneten gesenkt. In Manresa werden große Erwartungen gesetzt: Er soll den 2004 gegründeten, bislang politisch gegängelten TV- und Radiosender reformieren und trotz erneut auf 28,6 Millionen Euro gekürztem Budget neue Zielgruppen erschließen.

Hat sich schon ein Politiker getraut, bei Ihnen anzurufen und einen Wunsch zu äußern?

Nein. Ich bin Journalist und jetzt Hauptverantwortlicher eines öffentlich-rechtlichen Mediums. Die Politiker können natürlich ihre Meinung äußern, aber weder über Personalien noch Inhalte entscheiden.

Stellen wir uns vor, die Regionalpartei El Pi ist sauer, weil sie kaum in den Nachrichten vorkommt, obwohl Sie Ihre Ernennung zum Intendanten unterstützt hat. Was würden Sie antworten?

Ich habe weder von Politikern, noch von Freunden irgendwelche Quoten akzeptiert. Die Parteien, die meine Wahl unterstützt haben, wissen um meine 40-jährige journalistische Laufbahn. Allein deswegen wurde ich ernannt. Außerdem werde ich jeden Monat dem Parlament Rechenschaft ablegen - nicht der Regierung. Wir werden uns in Transparenz, Pluralismus und Unabhängigkeit üben.

Wie lief in den vergangenen Jahren der politische Missbrauch von IB3 ab?

Ich war nur Zuschauer, sah aber das Ergebnis. In den vergangenen vier Jahren war ich zudem mit einem Bann belegt, ich wurde von allen Diskussionen ausgeschlossen.

Man hat Sie in der Zeit kein einziges Mal angerufen?

Zweimal, für ein Unterhaltungsprogramm, das habe ich abgelehnt. Die Dinge haben sich erst zum Ende der Legislaturperiode geändert, als sich der Machtwechsel abzeichnete. Ich weiß auch von Politikern, die ausgeladen wurden. Ich habe nichts gegen die Angestellten, aber der Sender war zeitweise eine Art No-Do (Propaganda-Nachrichten des Franco-Regimes, Anm. d. Red.). Er wurde in der Zeit des politischen Größenwahns gegründet und war sozusagen der Pyramidenbau von Ex-Premier Matas. Es diente im Regierungsauftrag der Propaganda.

Manche sagen, immer wenn man IB3 einschaltet, fährt ein Traktor durchs Bild. War der Sender bislang nicht vor allem apolitisch?

Das stimmt. Es fehlten Magazin- und Interview-Formate zu aktuellen Fragen. Auch die Debatten des Balearen-Parlaments wurden nicht übertragen, was ich bereits geändert habe. Es ging sehr rustikal zu im Programm, obwohl 80 Prozent der Bevölkerung städtisch geprägt sind. Der Sender muss sich der gesellschaftlichen Realität öffnen.

Wir Deutschen ziehen gerne Vergleiche mit unserem Heimatland - dort wird kein Intendant direkt vom Parlament bestimmt. Wie wird sich IB3 durch die geplante Senderreform ändern?

Wir brauchen ein Modell, das die journalistische Unabhängigkeit garantiert, finanzierbar ist und einer Region mit 1,2 Millionen Einwohner entspricht, die jährlich mehr als zehn Millionen Urlauber empfängt. Aber zunächst müssen wir die jetzige Situation genau analysieren, zum Beispiel die Tatsache, dass die Nachrichtenredaktion an eine externe Firma ausgelagert ist.

Welchen Sinn hat eine solche Praxis?

Das war eine ökonomisch-politische Entscheidung in der Gründungsphase - Matas vergab Aufträge für Programme an ihm gefällige Firmen. Ich bin dagegen der Auffassung, ein öffentlich-rechtlicher Sender muss eine eigene Redaktion mit Journalisten haben.

Wie hat Sie die Belegschaft aufgenommen?

Ich habe mit vielen Mitarbeitern gesprochen und spüre viel Hoffnung. Ich betone immer wieder, dass ich mich nicht aufgedrängt habe, sondern wegen meiner Erfahrung gefragt wurde. Jetzt kann ich mit meinen 60 Jahren machen, wovon viele als junger Journalist träumen.

Man sieht Sie als Heilsbringer?

Nein. Man ist auch skeptisch, und das ist auch gut so. Ich will niemanden enttäuschen, aber es gibt viele äußere Zwänge durch den öffentlich-rechtlichen Charakter des Senders.

Als eine Ihrer ersten Entscheidungen haben Sie den Film „Pa Negre" von Agustí Villaronga ins Programm genommen. Warum?

Die katalanische Sprache war ja bislang aus dem fiktionalen Programm ausgeschlossen. Deswegen habe ich den Film eines Regisseurs ersten Ranges aus Palma ausgewählt. Das ist eine Geste - genauso wie die Entscheidung, dass man nun bei uns im Sender keinen Sicherheitscode mehr eingeben muss, um in die Chefetage zu gelangen.

Werden Sie die Hollywoodfilme aus dem Programm nehmen?

Information ist die wichtigste Säule des Programms, aber Unterhaltung wird eine wichtige Rolle spielen. Es wird Traktoren und Mikrochips geben, avantgardistische Animationsfilme und pa amb oli. Wir werden Filme ausstrahlen, auch wenn die Rechte sehr teuer sind, und zwar im Mehrkanalton, um zwischen Katalanisch und der Originalsprache wählen zu können. Wir haben eine gute Kooperation mit dem Sender TV3, der uns synchronisierte Filme überlässt. Aber auch die große Zahl der Deutschen soll trotz knapper Ressourcen im Programm fündig werden.

Derzeit spielen die Deutschen nicht mal in der Serie „Hotel Bellavista" eine große Rolle, obwohl sie vom Tourismus handelt.

Ganz klar, die multikulturelle Identität Mallorcas muss sich im Programm spiegeln. Wenn deutsche Unternehmer vom Kaliber eines Erwin Müller oder Peter Eisenmann auf Mallorca aktiv sind, muss sich das wiederfinden. Dafür suchen wir die richtige Form, sei es auf der Website, in Youtube oder bei Facebook. Zumindest im Sommer wollen wir versuchen, Programm- oder Nachrichtenfenster für Deutsche zu machen.

Welche Ziele haben Sie sich für die Quote gesetzt?

Sie liegt derzeit bei etwa sechs Prozent und ist ausbaufähig. Die Quote ist aber keine Obsession. Als öffentlich-rechtliches Medium brauchen wir eine gesellschaftliche Relevanz und eine gesunde Kostenstruktur, schließlich reden wir von Steuer­geldern. Wenn die Lokalnachrichten am Nachmittag laufen, kommen wir schon jetzt auf bis zu 19 Prozent.