Alice Weber hat sich in Inca viel vorgenommen: „Wir müssen Integration auf Langzeitbasis schaffen", sagt sie. Als Stadträtin für Bildung und Arbeit hat die Deutsche die ausgeglichenere Verteilung von Kindern verschiedener Herkunft auf die Schulen zur Chefsache gemacht: „Wir wissen doch alle, was passiert, wenn wir in Grüppchen bleiben."

Ob Inca, Manacor, Sa Pobla oder Palma - das Problem gibt es vielerorts auf Mallorca: Die Schüler mit Migrationshintergrund konzentrieren sich auf einige wenige Schulen, während es auf den meisten anderen kaum ausländische Kinder gibt. Das balearische Kultusministerium will jetzt inselweit mit einer Quote gegensteuern: Demnach sollen Grundschulen bis zum 30. September pro Klassenstufe vier Plätze für „Schüler mit besonderen Erziehungsbedürfnissen" (NESE, so die spanische Abkürzungen) reservieren, alle anderen Schulen fünf Plätze. Zu den NESE-Schülern gehören Neuankömmlinge, die noch kein Spanisch oder Katalanisch sprechen sowie Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oder Hochbegabung, Bislang mussten für sie drei Plätze reserviert werden. „Wir wollen die Kinder gleichmäßig auf öffentliche und private Schulen verteilen", sagt Antoni Morante vom Bildungsministerium.

In der Praxis wird die bisherige Regelung häufig umgangen: Rein ­mallorquinische Klassen ohne Migrantenkinder und Inklusion von behinderten Schülern sind weit verbreitet. Zugleich gibt es Schulen, auf die fast nur Schüler lateinamerikanischer, asiatischer oder afrikanischer Herkunft gehen. Die Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund besuchen zu 79 Prozent rein öffentliche und zu 21 Prozent halb private Schulen (concertados).

In Inca gibt es sechs concertados und nur drei öffentliche Schulen. „Zwischen den beiden Lagern besteht ein tiefer Graben", sagt Alice Weber, die für die Linkspartei Més im Stadtrat sitzt. Die Kinder mit Migrationshintergrund - ihre Eltern kommen zumeist aus Marokko oder Schwarzafrika - ballen sich im öffentlichen CEIP Llevant. Der Anteil der ausländischen Schüler in der Schule am Stadtrand beläuft sich im Schnitt auf 75 Prozent, sagt die Direktorin Margalida Rosselló, in manchen Klassen sogar auf 90 Prozent.

Die Kinder, die dort mit drei Jahren in die Vorschule kommen, sprechen teils weder Katalanisch noch Spanisch und sind zum ersten Mal von ihrer Familie getrennt. So kann es durchaus vorkommen, dass ein Lehrer mit 25 plärrenden Kindern konfrontiert ist - die ihn nicht ­verstehen. Immerhin: Die Kleinen lernen schnell. „Sie sind wie Schwämme", sagt Margalida Rosselló. Trotzdem brauche ihre Schule angemessene Unterstützung. „Das Verhältnis von ausländischen zu spanischen Schülern müsste eigentlich genau umgekehrt sein." Sprich: bei einem Auslanderanteil von höchstens 25 Prozent liegen.

Die Stadtverwaltung erzielte nun Mitte Dezember einen ersten Erfolg: Die Leiter aller Schulen in Inca, Bürgermeister Virgilio Moreno und der balearische Bildungsminister Martí March unterzeichneten eine Vereinbarung, die eine bessere Verteilung garantieren soll. Inca folgte dabei dem Beispiel von Sa Pobla und Manacor, wo bereits Pilotprojekte zu einem neuen Schlüssel für die Verteilung der Schulanfänger laufen.

In Inca soll nun eine Schulkommission ins Leben gerufen werden, die die bislang in den einzelnen Schulen stattfindenden Einschreibungen koordiniert und die Eltern über die verschiedenen Möglichkeiten informiert. Das Recht auf freie Schulwahl soll dabei erhalten bleiben, aber ein noch festzulegender Schlüssel für die maximale Anzahl an NESE-Kindern soll verhindern, dass zu viele von ihnen auf einer Schule landen. In „drei, vier Jahren", so der zunächst auf die Grundschulen beschränkte Plan, soll das dann zu einer besseren Durchmischung führen.

Der kürzlich geschlossene Pakt sei insofern ein Schritt nach vorne, als dass er zumindest den guten Willen zeige, um ein schwieriges Thema anzupacken, sagt Schulleiterin Rosselló. „Es geht nicht nur um Bildung, sondern um soziale Integration." Alice Weber ist überzeugt, dass weitere Gemeinden dem Beispiel von Inca folgen werden, mit gewissen Einschränkungen: „Copy und paste geht nicht. Jede Gemeinde muss die bestehenden Modelle der eigenen Realität anpassen."

Dass auch mit Widerständen zu rechnen ist, zeigt eine Stellungnahme der kirchlichen Schulen. Kaum hatte die Regierung die Quote angekündigt, verteidigte deren Trägerverband das Recht auf freie Schulwahl und mehr Flexibilität. Man unterstütze eine gerechtere Einschulung und wolle kooperieren, um Ghettobildung zu vermeiden. Doch eine festgesetzte Anzahl von Plätzen werde dem jeweiligen Kontext der Stadtteile nicht gerecht.