Der Kontrast zwischen den beiden geplanten Einkaufszentren könnte nicht größer sein: Während an der Ausfahrt der Flughafen-Autobahn bei Coll d´en Rabassa die von Baukränen umkreisten Rohbauten in die Höhe wachsen, tut sich etwas weiter in Ses Fontanelles, an der Ausfahrt Nummer zehn der Playa de Palma, scheinbar gar nichts.

Ein Bauzaun mit zerfledderten Werbeplakaten, Geröllhalden zwischen Unkraut, eine frisch asphaltierte Straße, die im Nichts endet: „Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes", meint Jörg Jung, Moderator vom Inselradio 95,8, der in der Nähe wohnt und täglich auf dem Weg zur Arbeit hier vorbeikommt. Einerseits vermisst er das frühere Ses Fontanelles mit seinen Seidenreihern, die sich hier wohlfühlten und in Scharen über dem Feuchtgebiet kreisten. Andererseits stört er sich am jetzigen trostlosen Eindruck des Stillstands. „Viele Einwohner sähen es lieber, wenn die Bauarbeiten weitergingen."

Das Projekt für das Einkaufs- und Vergnügungszentrum Palma Springs, wie es der Konzern Unibail-Rudamco getauft hat, musste zwar immer wieder Rückschläge einstecken. Doch derzeit ist es in einer besonders kritischen Phase, die den Bauherren und seine Anwälte genauso wie die Baudezernenten und Gerichte beschäftigt.

Baustopp? Welcher Baustopp?

Von einem Baustopp wegen fehlender Genehmigungen will man beim Konzern jedenfalls nichts wissen, auch wenn laut den Anwohnern seit Sommer kaum mehr Bewegung auf dem Gelände ist. Die Ende 2013 begonnenen Erschließungsarbeiten, für die man zweifelsfrei eine Genehmigung habe, seien fast abgeschlossen, so ein Sprecher, nach Straßen- und Kanalbau fehlten nur noch die Strom­anschlüsse. Vor Kurzem gab es wieder etwas Betrieb auf der Baustelle, was auch die Initiative „Say no to Palma Springs" mit Tweets kommentierte: „Dringend! Warum gehen die Arbeiten jetzt weiter, wenn sie gestoppt wurden?" Allerdings handelte es sich dabei um die Entnahme von Erdproben, wie der Konzernsprecher bestätigt.

„Das ist eben ein Feuchtgebiet, da hat man schon einmal Probleme mit dem Grundwasser", meint mit hörbarer Schadenfreude Margalida Ramis von der Umweltschutzvereinigung Gob, die seit Jahren gegen das Projekt kämpft. Im Gegensatz zu so manchem Anwohner sieht sie das Biotop noch nicht als verloren an: „Die Erschließungsarbeiten haben einiges zerstört, es ist aber noch nicht zu spät für eine umfassende Renaturierung." Biologen vergleichen die Bedeutung von Ses Fontanelles bisweilen mit der unter Schutz gestellten s´Albufera an der Ostküste Mallorcas.

Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass Ses Fontanelles schon längst keine Idylle mehr war wie noch Anfang des 20. Jahrhunderts. So landete während des Baubooms an der Playa de Palma viel Bauschutt zwischen den Schilfgräsern. Die Auflagen für das Einkaufszentrum sehen zudem die Schaffung einer renaturierten Grünzone auf einem kleinen Teil des 40 Hektar großen Areals vor. Dafür müssen unter anderem Exemplare des Limonium barceloi umgesiedelt werden, einer nur hier in Ses Fontanelles vorkommenden Unterart des Meerlavendels.

Die Probleme rühren zum einen wie so oft auf Mallorca von den unterschiedlichen Zuständigkeiten der Behörden und den zyklischen Machtwechseln her, aber auch von den Änderungen im Bauprojekt. Die bis Frühjahr auf den Inseln regierende Volkspartei (PP) hatte das Projekt zwar öffentlich gutgeheißen, das balearische Handelsministerium aber die Gewerbegenehmigung zweimal abgelehnt, weil das Grundstück wegen der noch nicht abgeschlossenen Erschließungsarbeiten noch nicht als städtisches Gebiet (suelo urbano) definiert war. Und ohne diese Lizenz will Palmas inzwischen von Linksparteien regierte Stadtverwaltung keine Baugenehmigung erteilen. Bau­dezernent Antoni Noguera drohte mit der Einstellung des Genehmigungsverfahrens wegen Fristüberschreitung. Dass der Inselrat kürzlich auch noch einen Annahmestopp für Anträge großer Handelsfilialen beschlossen hat, macht die Situation nicht leichter - ein Neuantrag wäre auf Jahre hinaus nicht möglich.

Wir sagen jetzt erst mal nichts

Dabei liegt bereits eine Baugenehmigung aus dem Jahr 2007 vor, die PP hatte sie kurz vor den damaligen Regionalwahlen ausgestellt. Zudem leistete Unibail-Rodamco eine Bürgschaft für die Erschließungs­arbeiten in Höhe von 12,8 Millionen Euro. Also eine politisch motivierte Verschleppung? Nach den vielleicht doch forschen Worten von Noguera vor einigen Wochen wolle man sich derzeit zum Thema Ses Fontanelles nicht äußern, so eine Sprecherin gegenüber der MZ.

Doch nicht nur der politische Rahmen hat sich geändert. Anfang 2014 wurde bekannt, dass das vom mallorquinischen Unternehmer Guillermo Alomar auf den Weg gebrachte Vorhaben in die Hände von Unibail-Rudamco übergegangen war. Die französisch-niederländische Gruppe, die auch hinter Shopping-Kolossen wie den Berliner Gropius Passagen oder den Münchner Pasing Arcaden steht, plant statt der ursprünglich vorgesehenen Einzelgebäude einen Gesamtkomplex - und reichte deswegen einen neuen Antrag in Palmas Rathaus ein.

Investition: 225 Millionen Euro

Angesichts geplanter Investitionen von 225 Millionen Euro setzt der Konzern nun alle Hebel in Bewegung. Der Fall ist schon länger beim balearischen Oberlandesgericht anhängig, die spanische Wett­bewerbsbehörde hat auf Betreiben des Konzerns eine Verwaltungs­klage beim Obersten Gerichtshof des Landes eingebracht und die Ausstellung einer vorläufigen Gewerbegenehmigung gefordert. Man sei aber weiter für Verhandlungen aufgeschlossen, so der Konzernsprecher gegenüber der MZ.

Eine schnelle juristische Entscheidung - wie immer sie auch ausfällt - dürfte auch im Interesse des Ökosystems sein. Denn derzeit ruhen auch die dem Konzern auferlegten Renaturierungsarbeiten für das geplante kleine Restbiotop zwischen Erschließungsstraße und Flughafen-Autobahn. „Der Baustopp gefährdet das Limonium barceloi" schreibt gar die MZ-Schwester­zeitung „Diario de Mallorca". Damit die endemische Pflanze nicht dem bürokratischen und juristischen Hickhack zum Opfer fällt, hat Palmas Stadtverwaltung erst einmal 19.000 Euro im Haushalt 2016 für Sofortmaßnahmen eingeplant.

Mit jedem Tag der Ungewissheit wächst unterdessen der Vorsprung für den französischen Carrefour-Konzern, der bereits im Juni sein Einkaufszentrum FAN in Coll d´en Rabassa eröffnen will und derzeit mit den noch fehlenden Handelskonzernen verhandelt, unter anderem Inditex. Die beiden Projekte liegen nicht nur geografisch nahe beieinander, die Konzepte klingen auch sehr ähnlich - von der mediterranen Bauweise über die internationale Zielgruppe bis hin zu den Freizeitangeboten. War ursprünglich von Herbst 2016 als Eröffnungsdatum in Ses Fontanelles die Rede, soll es nun bis Ende 2017 klappen.