Der neueste deutsche Coup auf Mallorca ist auf der Hauptstraße von Santa Maria del Camí gar nicht zu verfehlen. Strahlend weiß leuchtet die Fassade der sogenannten Villa Wesco. „Die Türen könnten wir noch etwas dunkler lackieren", sagt von der anderen Straßenseite her Silvia Neuhaus, Frau des Firmenchefs Egbert Neuhaus, zu ihrem Sohn ­Hendrik. Der 27-Jährige verantwortet als Prokurist die Neueröffnung. In drei Wochen, am 14. März, sollen sich hier die Türen zu einem „Markenerlebnis­zentrum" öffnen.

Wesco, das ist zunächst ein auf Blechbehälter spezialisierter Hersteller aus dem sauerländischen Arnsberg. „Manche nennen uns das deutsche Alessi", sagt Egbert Neuhaus mit Verweis auf den italienischen Hersteller von Küchen­accessoires. Ebenso wie bei Alessi geht es bei Wesco formschön und vor allem bunt zu: „Wir arbeiten mit 16 Farben", sagt Neuhaus, der, so geht die Geschichte, in den 70er-Jahren als Austauschstudent in den USA die bunten Schwingeimer für sich entdeckte. Jahre später beschloss er nicht nur, dieses Design als „Pushboy" in Deutschland zu adaptieren, sondern auch gleich die bis dahin produzierten blümchenverzierten Brotkästen des 1867 gegründeten metallverarbeitenden Traditionsunternehmens über Bord zu werfen. Egbert Neuhaus, das ist ein Unternehmer, der es geschafft hat, aus „Abfallsammlern" (Firmensprech) eine Lifestyle-Marke zu machen.

Heute erwirtschaften die 250 Wesco-Mitarbeiter einen Jahres­umsatz von 50 Millionen Euro. „Wir haben uns produktmäßig durchgesetzt", sagt der 62-jährige Sauerländer zufrieden, „viele Leute beginnen uns zu sammeln." Neben den Deutschen begeistern sich für die bunten Mülleimer, Brotkugeln und anderen Küchenaccessoires bislang vor allem Briten und Skandinavier. Also just jene Nationalitäten, die besonders gerne auf­

Mallorca urlauben und leben. „Wir haben hier einen schönen Querschnitt unserer Zielgruppen", formuliert es Hendrik Neuhaus.

In der „Villa" in Santa Maria sollen sie nun nach Herzenslust abtauchen können in die bunte Wesco-Welt mit ihren rund 1.500 Produkten. In Wahrheit handelt es sich dabei um ein großes Dorfhaus, in dem auch schon mal ein ­leibhaftiger Bischof geboren wurde, und um ein kleineres Nachbarhaus. Die Fassade steht noch, fast alles andere ist unter der Leitung eines deutschen Architektenteams und der Mitwirkung auch etlicher mallorquinischer Firmen seit Januar 2015 neu gebaut worden. Die Verkaufsräume sind ebenso wie eine Kochschule im Haupthaus untergebracht; im Nebenhaus gibt es - zum Teil auch von Wesco produzierte - Möbel; der großzügige Garten mit Infinity-Pool steht für Events bereit. Gesamtinves­tition in die Markenwelt, die mit 12 dreisprachigen und größtenteils deutschen Mitarbeitern an den Start geht: etwa 4 Millionen Euro. Nach dem sogenannten Softopening am 14. März soll es Anfang April zunächst ein Fest für die Nachbarn und Freunde geben, um dann am 27. und 28. Mai ganz offiziell Eröffnung zu feiern.

Vorbild für all dies ist die noch einmal doppelt so große Villa Wesco am Produktionsstandort Arnsberg. Wie in Santa Maria fahren auch dort, allerdings auf der anderen Seite der Ruhr, Radfahrer vorbei, die Egbert Neuhaus eines Tages beschloss, in sein ­Blech-Reich zu locken. Auch dank eines gut besuchten Weihnachtsmarkts gehen dort Jahr für Jahr etwa 100.000 Besucher ein und aus. Und werden schon jetzt, etwa mit ­mallorquinischen Abenden, auf den Ableger in Santa Maria heißgemacht. „Die Resonanz ist sehr hoch", sagt Egbert Neuhaus. Wesco will dann auch Reisen nach Santa Maria verkaufen.

Das Gros der Besucher erwarten sich Vater und Sohn allerdings von den Urlaubern, die ohnehin schon auf der Insel sind. Gemeinsam mit Reiseveranstaltern sollen inselweit Wesco-Touren nach Santa Maria angeboten werden, auch für Kreuzfahrttouristen. Die Besucher davon zu überzeugen, Strand, Pool oder Finca zu verlassen, um bunte „Abfallsammler" zu bestaunen - die Marke Wesco steht auf Mallorca durchaus vor einer Bewährungsprobe ihrer Attraktivität. „Wir wollen erst einmal anfangen, und dann langsam aufbauen", sagt Egbert Neuhaus.

Und die Mallorquiner? Bis auf die Mitarbeiter des Rathauses Santa Maria, die sehr angetan sein sollen, wissen noch die wenigsten von der Villa Kunterbunt. Wesco verkauft bisher so gut wie gar nicht nach Spanien. Da war es eine glückliche Fügung, dass man mit Marcel Reß zusammenfand, jenem 27-jährigen deutschen Koch, der vor ein paar Monaten die spanische TV-Show „Top Chef" gewann. Reß soll hier fortan Kochkurse geben, und das könnte durchaus auch Mallorquiner und Spanier interessieren. Überhaupt verspricht man sich bei Wesco viel von der regen Gastro-Szene auf der Insel. Und auch mit einem anderen vielversprechenden Partner, dem ein paar Meter weiter gelegenen Weingut Macià Batle, haben sich die Neuhaus schon zusammengesetzt. Die Bodega stellt jetzt den Hauswein in Arnsberg.