Die Gefahr, dass Mallorcas Lehrer wieder in den Streik treten, ist gebannt. Nach fast zweieinhalb Jahren sprach sich in der Urabstimmung vergangene Woche eine große Mehrheit dafür aus, den unbefristeten Streikaufruf an den öffentlichen Schulen zurückzunehmen. Trotzdem liegt im Bildungswesen noch so einiges im Argen, sagt Hartmut Botsmann, Deutschlehrer am IES Mossèn Alcover in Manacor.

Dank der bildungspolitischen Kehrtwende der Linksregierung scheint an den Schulen die Normalität zurückgekehrt. Ist die Welt wieder in Ordnung?

Die Einstellung des Streiks bedeutet nicht, dass wir mit der gegenwärtigen Bildungspolititk und der Situation unseres Berufsstandes einverstanden wären. Nun beginnt eine neue Etappe der Auseinandersetzung, in der es vor allem um die Lösung der Probleme überfüllter Klassenräume oder fehlender Lehrkräfte geht. Es wird nicht leicht. Die meisten Menschen haben weder Lust noch Zeit, sich für irgendetwas einzusetzen. Aber das ist die Ausgangssituation, die gleiche wie 2013. Und dann standen plötzlich 100.000 Menschen auf der Straße, Lehrer, Eltern, Schüler (die gegen die Schulpolitik demonstrierten, Anm. d. Red.). Die Schulreform Lomce wird den Leidensdruck erhöhen, und vielleicht auch die Bereitschaft, sich zu wehren.

Was ist so schlimm an der Schul­reform Lomce?

Die Fächer werden neu strukturiert, der Kunst- und Musikunterricht wird zusammengestrichen und ­demokratische Organe wie der Schulrat werden ihrer Kompetenzen beraubt. Mich persönlich betrifft, dass Deutsch als freiwillige zweite Fremdsprache in der 7. Klasse wegfällt und künftig erst ab der 8. Klasse gewählt werden kann. Dazu müssten die Schüler aber ein anderes Fach abwählen. Die Hürde, Deutsch zu lernen, wird also viel größer.

Was war das Problem mit dem Drei-Sprachen-Modell TIL?

Es hat nicht funktioniert, zumindest bei uns in Manacor nicht. Man stellte sehr junge Kollegen ein, nur weil sie ein B2-Zertifikat in Englisch hatten, um die Fächer Musik und Technologie zu unterrichten. Langjährige, aber nicht verbeamtete Kollegen mit viel Erfahrung mussten stattdessen gehen. Dass der TIL wieder abgeschafft wurde, ist gut. Ebenso die Rücknahme der ley de símbolos (das Gesetz verbot unter anderem katalanische Symbole an den Schulen), obwohl wir die Fahnen bisher gar nicht wieder aufgehängt haben.

Ist so viel Ideologie gut für die Schule?

Ich würde es nicht Ideologie nennen. Man sollte ein Beispiel sein für seine Schüler und sich zur Wehr setzen, wenn man mit der Politik nicht zufrieden ist - wobei natürlich auch die Schüler ihre Meinung sagen dürfen. Davon abgesehen hat nicht viel mit Politik zu tun, wenn man sich für seine Muttersprache einsetzt, das ist vielmehr ein Grundrecht.

Ist die Sprache wirklich in Gefahr?

Gefahr hört sich sehr drastisch an, aber die Sprache ist durchaus bedroht. Es gibt Leute, die sie verdrängen wollen. Auch an unserer Schule hat sich eine Schülergruppe gebildet, die der PP nahesteht. Die sind mit allem einverstanden, nur an der Sprache stoßen sie sich, die wollen kein Katalanisch. Wobei ich diese Auseinandersetzung spannend finde, eine Schulgemeinschaft muss ­kontroverse Meinungen aushalten.

Wie altmodisch ist der Unterricht an spanischen Schulen?

Die Grundschulen arbeiten teils mit sehr modernen Konzepten. Als mein Sohn 1994 in Felanitx in die Schule kam, war ich erstaunt: Es gab keine Stühle, sondern Teppich und Bastel- und Spielecken. Aber an den ­weiterführenden Schulen kommt dann der brutale Wechsel, da gibt es kein experimentelles Lernen, sondern nur Frontalunterricht: möglichst viel Stoff in möglichst wenig Zeit. Ich mache mit einer Deutschklasse gerade ein Planspiel, das kennen die Schüler hier überhaupt nicht. Dabei müssen sie Produkte entwickeln, die andere Gruppen interessieren könnten. Ich spreche auch nur mit dem Sprecher, den jede Gruppe ernennen musste. Damit fördert man Sozial- und Problemlösekompetenzen.

Was sagen Ihre Kollegen zu so einem Projekt?

Ich werde die Auswertung meinen Kollegen und dem Lehrerfortbildungsinstitut zur Verfügung stellen. Meinen Lehrplan habe ich so gestaltet, dass ich mir derartige Umwege erlauben kann. Außerdem habe ich sehr viel mehr Freiheit als meine Kollegen in Deutschland: Ich bin seit 1995 im Staatsdienst und hatte noch nie eine Kontrolle von der Schulaufsicht im Klassenzimmer.

Wie schätzen Sie die Qualität der Lehrer an den öffentlichen Schulen ein?

Es gibt gute und schlechte. Die ­maestros an den Grundschulen sind gut ausgebildet, aber bei den profesores für die Sekundarstufe hapert es. Ein Mathe-Lehrer studiert Mathe, aber ist kein Pädagoge, es gibt keine Didaktikausbildung. Jetzt gibt es immerhin einen verpflichtenden Master für Lehrer, doch das ist noch nicht ideal. Eine Forderung der Assemblea ist deshalb auch eine verbesserte, integrierte Lehrerausbildung. Spanische Lehrer sind gut, wenn sie ein paar Jahre Erfahrung haben und diese Erfahrungen umsetzen können. Aber die, die von der Uni kommen, haben es nicht leicht.

Ihre Kinder waren hier auf öffentlichen Schulen, sind die gut gerüstet fürs Leben?

Auf jeden Fall. Mein Sohn hat Design und Kunst studiert und arbeitet als Graffiti-Künstler in Granada, meine Tochter ist an der Schauspielschule in Palma. Ich würde Kinder nie auf eine Privatschule schicken. Es ist wichtig, dass es im Klassenzimmer auch Ausländer oder Zigeuner gibt. Ich rate Eltern, die mich fragen, immer zu öffentlichen Schulen.