Catalina Torrents schüttelt den Kopf. Das sei eine ganz tolle Idee, sagt die Chefin des Schreibwarenhandels Casa Roca in Palmas Altstadt - und der Unterton in ihrer Stimme verrät sofort die Ironie ihrer Worte. Sie gelten einer gerade auf den Weg gebrachten Initiative der Stadtverwaltung, die die traditionsreichen Geschäfte der Innenstadt, die von Jahr zu Jahr weniger werden, vom Aussterben bewahren soll. „Das kommt ein bisschen zu spät. Außerdem hat davon schon die vorherige und die vorvorherige Regierung gesprochen und getan hat sich nichts", schimpft die Mallorquinerin - fest entschlossen, ihren Laden nach dem seit Anfang April laufenden Ausverkauf spätestens im Juli zuzusperren. Für immer, nach 166 Jahren und fünf Generationen, weil keines ihrer Kinder weitermachen will. Denn vom Vorschlag der Stadt, sie bei der Suche nach einem Nachfolger zu unterstützen, hält Torrents nicht viel. „Dann kommt hier jemand rein, der sich überhaupt nicht auskennt", sagt sie und lässt ihren Blick durch den Laden schweifen, in dem sich in Regalen, Schränken und Schub­läden Hunderttausende Schreibwaren-, Geschenk- und Karnevalsartikel stapeln. „Das würde doch nie im Leben gut gehen", ist sie überzeugt und schüttelt erneut mit dem Kopf.

Gänzlich anders sieht das Joana Maria Adrover, Palmas Stadträtin für Handel und Tourismus, die vergangene Woche erste Details zum in Arbeit befindlichen Rettungsplan für den sogenannten comercio emblemático bekannt gegeben hat. Denkbar sei demnach, Geschäftsinhaber ohne Nachfolger über PalmaActiva, die städtische Agentur für Entwicklung und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, mit Existenzgründern in Kontakt zu bringen, die sich vorstellen können, einen Traditionsladen zu übernehmen, erklärt Adrover. Um die Nachfolge-Sorgen so manch eines Juweliers im Carrer de l´Argenteria zu lösen, schwebt der Stadträtin außerdem eine Kooperation mit den örtlichen Schulen

für Goldschmiede und Schmuckmacher vor.

Um weitere Maßnahmen zu ersinnen, ist inzwischen eine Kommission gegründet worden, in der Vertreter von PalmaActiva, der ­Rathausabteilungen für Handel, Stadtplanung, Kultur, Tourismus und Finanzen, Mitglieder der Denkmalschutzvereinigung Arca sowie der Architektenkammer und die Stadtarchäologin vertreten sind. Während die Finanzexperten sich über steuerliche Vergünstigungen für den traditionellen Einzelhandel Gedanken machen sollen, haben Denkmalschützer und Architekten den Auftrag, die Geschäfte auf schützenswerte architektonische Elemente oder Fassaden hin unter die Lupe zu nehmen. Zu den vorrangigen Zielen zähle außerdem die Katalogisierung der Traditionsgeschäfte, erläutert Adrover. Zwar habe die Stadtarchäologin bereits 2014 eine Liste angefertigt, wonach es in Palmas Altstadt 93 Läden gibt, die seit mehr als 75 Jahren bestehen. Außer dem Gründungsjahr seien darin aber keine weiteren besonderen Merkmale erfasst, bedauert Adrover. Und mindestens fünf der damals aufgeführten Läden gibt es inzwischen nicht mehr, zwei - Casa Roca und Espardenyeria Llinàs - stehen kurz vor der Schließung.

Die Zeit drängt also - doch guter Rat ist teuer, das weiß auch Stadträtin Adrover. Für ein vorbildhaftes Projekt wie in Paris, wo die Stadt kurzerhand 100 Millionen Euro in die Hand nahm und alle Traditionsgeschäfte aufkaufte, sei in Palma nicht mal im Ansatz Geld vorhanden. Dabei sei dies die einzige Möglichkeit, um als Stadtverwaltung über die Zukunft der alten Läden mitbestimmen zu können. Solange man aber nicht der Eigentümer sei und einen Laden zum Beispiel ganz gezielt als Süßwaren­laden verpachte, habe man als Behörde keine Handhabe. „Wir können keine Privatperson und kein Unternehmen zu einer bestimmten Geschäftstätigkeit verpflichten, das verbieten Artikel 38 der spanischen Verfassung und das EU-Recht."

Den Schutz der Traditionsläden hat die linke Stadtregierung bereits vor elf Monaten auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Agenda gesetzt. Dass das Thema nun hochkochte, lag an einem Antrag der Oppositionspartei Ciudadanos, eine entsprechende Initiative zu starten. „Diesen Vorschlag werden wir deshalb ablehnen", sagt Joana Maria Adrover bestimmt. Weil die Pläne der Stadtregierung zum einen längst in Arbeit und zum anderen viel weitreichender seien. Dennoch muss sich auch die Stadträtin für Handel und Tourismus eingestehen: „Das sind alles noch Ideen, wir fangen ja gerade erst an." Konkret ist bisher nur ein vor Kurzem ausgeschriebenes 46.000 Euro schweres Förderprogramm für Einzelhändler. Wer seinen Laden modernisiert und beispielsweise bei der Barrierefreiheit nachrüstet oder auf erneuerbare Energien setzt, kann bis zu 2.300 Euro erhalten.

Darüber kann die Inhaberin des Kurzwarengeschäfts Casa Bet nahe der Plaça d´en Coll nur müde lächeln. „So viel sind die Reißverschlüsse in verschiedensten Farben und Längen wert, die ich hier auf Lager habe." Da sie nicht nur auf die Stadtpolitiker, sondern ebenfalls auf die Presse ex­trem schlecht zu sprechen ist, möchte sie ihren Namen nicht verraten. Eine explizite Meinung zum Zustand des tradtitionsreichen Einzelhandels hat die Mittfünfzigerin trotzdem. „Es ist mit jedem Tag schlechter um ihn bestellt." Die Arbeit werde ständig mehr und der Umsatz weniger. Da sie selbst keine Kinder habe, käme höchstens einer ihrer 23 Neffen und Nichten als Nachfolger infrage. „Doch die haben alle ihren Beruf oder leben auf dem Festland." Sobald sich deshalb ein Interessent melde, der den Laden übernehmen will, werde sie die Segel streichen, erklärt die Mallorquinerin.

Neus Aguiló vom Spielwarenladen La Industrial dagegen will weiterhin die Stellung halten. „Aus Leidenschaft." Und weil es ihr das Herz brechen würde, den Familienbetrieb nahe der Sant-Nicolau-Kirche, den ihr Großvater 1929 übernahm, aufzugeben. Doch auch Aguiló ist der Ansicht, dass die Politik viel früher aktiv hätte werden müssen, um Palmas alteingesessenen Läden das Überleben zu erleichtern. „Man hätte niemals all die Einkaufszentren und großen internationalen Ketten auf dieser kleinen Insel zulassen dürfen." Denn genau diese „unlauteren Wettbewerber" würden den kleinen Händlern das Genick brechen. Sie kämpfe dagegen an, öffne inzwischen von 10 bis 20 Uhr und am Samstag auch nachmittags, obwohl sie keine Angestellten habe, sagt Aguiló. Dank der Touristen laufe das Geschäft einigermaßen. „Aber viele Läden sind schon den Bach runter­gegangen."