Jorge Gambín ist schon 34 Mal zu Fuß von der Plaça Güell in Palma zum Kloster Lluc gelaufen. Doch das 35. Jubiläum hätte der 70-jährige Mallorquiner beinahe um ein Jahr verschieben müssen. Die Organisatoren der traditionellen Inselwallfahrt hatten die „Marxa des Güell a Lluc a Peu" (Fußmarsch von Güell nach Lluc) aus Geld- und Sponsorenmangel zunächst abgesagt. Bartomeu Barceló, besser bekannt als Tolo Güell, der den Marsch vor 42 Jahren ins Leben gerufen hat (siehe Kasten), standen Tränen in den Augen, als er den Inselreportern die traurige Nachricht überbrachte.

Dank einer Finanzspritze in Höhe von 17.690 Euro, die Mallorcas Inselrat Mitte Juli zugesagt hatte, kann „Lluc a Peu" nun doch stattfinden - allerdings nicht wie üblich am ersten, sondern erst am zweiten Augustwochenende (Start am 13.8. um 23 Uhr). Pep Egea, seit fünf Jahren Vorsitzender der Grup Güell, die die Wallfahrt alljährlich organisiert, wirkt trotzdem immer noch ein bisschen enttäuscht. „Ich finde es schade, dass der Marsch im 43. Jahr infrage gestellt wurde." Schließlich handle es sich nicht um irgendeine beliebige Sportveranstaltung, die sich erst noch etablieren muss, sondern um eine echte Insel-Institution. „Lluc a Peu ist eine Tradition, ein Kulturgut", sagt Egea.

Doch umsonst lasse sich ein Event, das inzwischen mehr als 15.000 Teilnehmer anlockt, eben nicht organisieren. Auch nicht, wenn in der Nacht des Marsches rund 100 Freiwillige an den Verpflegungsstationen entlang der Route stehen, Dutzende Ehrenamtliche des Zivilschutzes sowie von den Gemeinden abgestellte Polizeieinheiten zur Absicherung der Straßen im Einsatz sind und die Rathäuser Tanklaster mit Trinkwasser bereitstellen, damit keine Plastikflaschen gekauft werden müssen. „Die Kosten für die Krankenwagen, die Transporter oder die Musikanlage am Startpunkt werden immer höher", klagt Egea. Zudem kämen Jahr für Jahr neue bürokratische Auflagen hinzu, die ebenfalls ins Geld gingen. Seit diesem Frühjahr etwa muss laut einer Vorgabe der Balearen-Regierung für jede Sportveranstaltung - und hierzu zählt auch die Lluc-Wallfahrt - ein Sicherheitsprotokoll erarbeitet werden. „Hierfür mussten wir eigens einen Ingenieur verpflichten", berichtet Egea. Alles in allem 40.000 Euro wären 2016 für die Organisation nötig gewesen, haben Egea und seine Mitstreiter errechnet.

Einen Teil des Etats stemmen seit jeher private Sponsoren. Die Zuwendungen der öffentlichen Hand hingegen seien im Laufe der Krisenjahre immer weiter gesunken oder - wie im Fall einer Subvention der Stadt Palma - ganz weggefallen, berichtet Egea. Schon vor Jahren reichte das Geld nicht mehr aus, um alle Kosten zu decken. „2013 fingen wir an, den Fehlbetrag durch eine kleine Startgebühr auszugleichen." 2015 war das Finanzloch so groß, dass die Teilnehmer statt der anfänglichen zwei bereits 3,50 Euro berappen mussten. In diesem Jahr kam der Moment, in dem die Organisatoren die Notbremse zogen. „So kann es nicht weitergehen, wir können doch die Leute nicht dafür bestrafen, dass die Institutionen ihren Pflichten überhaupt nicht mehr nachkommen", poltert der Güell-Vorsitzende.

Dass Tolo Güell schließlich Mitte Juli mit der Nachricht von der Absage des Marsches vor die Presse trat, sei das Ergebnis langer Diskussionen innerhalb des Vereins gewesen, erzählt Egea. „Wir haben da durchaus gepokert, denn der Schuss hätte auch nach hinten losgehen können."

Doch er tat es nicht. Inselratspräsident Miquel Ensenyat hörte den Warnschuss, setzte eiligst alle Hebel in Bewegung und konnte bereits wenige Tage später die nötige Summe zusagen. Das Budget konnte man am Ende sogar noch um 10.000 Euro abspecken, sagt Egea. „Wir haben gespart, wo es nur ging." Als äußerst günstig erwies sich zudem die Tatsache, dass der für das Sicherheitsprotokoll beauftragte Ingenieur Feuerwehrmann beim Inselrat ist - und der Auftrag somit kurzerhand mit seinem Gehalt abgegolten war.

Jorge Gambín ist froh, dass noch mal alles gut gegangen ist. „Sonst hätte mir was gefehlt", scherzt er beim Entgegennehmen seiner Teilnahmeunterlagen am Stand der Grup Güell am gleichnamigen Platz an der Avenida Aragón. Die Anmeldeliste sei bereits lang, vor allem die Zahl der jungen Leute werde von Jahr zu Jahr größer, sagt Cristobal Pastor, der mit seinen 80 Jahren zu den Veteranen im Organisationsteam zählt. „Vor Jahren hat sich auf dem Marsch sogar ein Paar kennengelernt, das später in Lluc heiratete", erzählt er.