Die Hoffnung, dass Altkönigin Doña Sofía - ein gelegentlicher Fahrgast in Palmas Kutschen - sie doch einmal persönlich empfängt, hat Adela Vargas nach mehreren Jahren inzwischen aufgegeben. Sie erwartet nach den Briefen an ihr Sekretariat aber zumindest einen engen persönlichen Vertrauten, der sich zehn Minuten lang einmal die Sorgen und Nöte von Vargas und der von ihr repräsentierten Kutscher in Palma sowie der Gitanos - wie die Roma in Spanien genannt werden - insgesamt anhört. Länger dauere es ja gar nicht, versichert die eloquente Anfang 50-Jährige.

Was würden Sie Doña Sofía sagen, falls sie Sie doch eines Tages empfangen sollte?

Sie sollte sich einfach mal ein paar Minuten unsere Probleme anhören. Als Repräsentantin aller Spanier ist sie auch für uns Gitanos zuständig. Sie kümmert sich ja sonst sehr hingebungsvoll um die verschiedensten benachteiligten Gruppen. Und wir sind nun mal eine Gruppe, die am Rand der Gesellschaft steht.

Sie beklagen zum Beispiel, dass die Kutscher, von denen nahezu alle Gitanos sind, gezielt benachteiligt werden.

Ja, aber es sind ganz viele Kleinigkeiten, die man sehr einfach lösen könnte, wenn der politische Wille da wäre. Zum Beispiel wäre es wichtig, dass man uns für die Pferde Stallungen zur Verfügung stellt, die näher am Stadtzentrum sind. Unsere Tierärztin hat diese Idee schon vor einiger Zeit aufgebracht. Das schont die Tiere, weil wir nicht jeden Tag so weit zur Arbeit fahren müssten. Im Viertel Nou Llevant in Palma etwa, wo ich auch lebe, gibt es brachliegende Gelände, die zusehends vermüllen. Die könnte man doch für die Pferde nutzen. Wir haben unsere Tiere neben dem Krankenhaus von Son Espases stehen, aber andere Kutscher müssen noch deutlich weiter fahren.

Mal ganz allgemein über Gitanos gesprochen: Wie hat sich ihre Stellung innerhalb der Insel-Gesellschaft in den vergangenen Jahren verändert?

Trotz aller technischen Errungenschaften wie etwa dem Internet gibt es in dieser Hinsicht Rückschritte. Man beachtet uns inzwischen gar nicht mehr. Als ich jung war, gab es einen guten Austausch zwischen der Inselpolitik und unserer Gitano-Gemeinschaft. Nicht zuletzt wurden viele von ihnen, darunter etwa auch meine Mutter, mit gemeinnütziger Arbeit in Lohn und Brot gehalten. Die Stadt gab uns Gitanos vor allem im Winter, wenn andere Einnahmequellen wie die Pferdekutschen oder Verkäufe auf Märkten wegbrachen, befristete bezahlte Arbeit. Etwa, um öffentliche Plätze und Straßen zu säubern. Das ist irgendwann weggefallen, sodass es vielen Gitanos im Winter jetzt richtig dreckig geht.

Was tun Sie selbst, um in Lohn und Brot zu kommen? Die Analphabetenquote unter den Gitanos ist immer noch hoch, das Bildungsniveau ist sehr niedrig.

Das Thema gehen wir offensiv an. Ich kenne kein Gitano-Kind mehr, das nicht in die Schule geht. Die Mütter haben die Bedeutung von Bildung inzwischen weitgehend verstanden. Klar sind die einen bessere, die anderen schlechtere Schüler. Aber die allermeisten Unternehmenschefs entscheiden sich immer noch, wenn sie fünf Bewerbungen haben und eine davon von einem Gitano ist, gegen den Gitano. So ist es für die jungen Leute schwer, eine Zukunft aufzubauen. Und dann gibt es eben manche, die unredlicheren Dingen nachgehen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Das ist natürlich ein Teufelskreis.

Wie steht es um den Unternehmergeist unter den Gitanos?

Ich kenne zum Beispiel eine Familie, die einen Autohandel besitzt. Die arbeiten alle sehr hart und haben schon einige Familienmitglieder bei sich angestellt. Ansonsten gibt es nicht sehr viele Unternehmer mit einer eigenen Firma. Es ist nicht einfach. Selbst diejenigen, die eine Arbeit haben, erleben immer noch unliebsame Überraschungen. Meine Tochter, die im Telefondirektmarketing arbeitet, hat das auch erfahren. Sie ist schon acht Jahre fest angestellt, aber als ich sie vor Kurzem mal im Büro abgeholt habe, hat man zu ihr gesagt: Wir wussten ja gar nicht, dass du Gitana bist. Sie antwortete nur: Wenn das hier unerwünscht ist, dann kündige ich auf der Stelle. Aber man wollte sie nach so langer Zeit dann doch im Unternehmen behalten.

Spüren Sie im Alltag Ablehnung auf der Straße?

Als ich neu ins Viertel gekommen bin, hat man mich zunächst angeschaut, als sei ich ein schräger Vogel. Inzwischen sagen mir die meisten Nachbarn aber, ich solle nie wieder wegziehen. Ich fühle mich sehr gut behandelt. Hin und wieder kommt aber doch die etwas heuchlerisch gemeinte Frage auf: Was arbeitest du? Wovon lebst du? Dann sage ich: Ich bin Hausfrau und habe mein ganzes Leben lang die Kinder aufgezogen. Da bleibt nicht viel Zeit für anderes. Mein Mann, der inzwischen gestorben ist, wollte, dass ich mich um das Haus und die Kinder kümmere.