Wie steht es eigentlich um die geplanten Erdölbohrungen im Mittelmeer rund um die Balearen? Vor gut einem Monat wurde das Projekt des belgischen Unternehmens Schlumberger eingestellt, bereits im Juni 2015 hatte Cairn Energy nach langen Auseinandersetzungen selbst davon Abstand genommen, vor den Balearen nach Öl zu suchen. Ist also alles gut? Wir fragen nach beim Generalsekretär der Alianza Mar Blava, Carlos Bravo. Die Allianz ist eine Interessensgemeinschaft aus den Inselräten, der Balearen-Regierung, zahlreichen Gemeinden, Fischern und Hotelunternehmern, die gegen die Bohrungen kämpft.

Man sieht auf der Straße kaum noch Leute im blauen T-Shirt mit der Aufschrift „Balears diu no". Ist die Gefahr von Bohrungen vor den Inseln gebannt?

Keinesfalls. Es stimmt natürlich, dass zurzeit nicht sehr viel Sichtbares passiert. Wir kämpfen gerade eher auf der Verwaltungsebene. Das heißt aber nicht, dass nicht, wenn es nötig wäre, sofort wieder Tausende von Leuten auf die Straße gehen würden. Hinter den Kulissen ist alles organisiert. Sobald wir Einwände gegen die geplanten Projekte anbringen können, werden wir aktiv.

Welche Projekte beschäftigen Sie derzeit am meisten?

Vor allem das des Unternehmens Spectrum Geo Limited. Der Konzern möchte östlich der Balearen nach Erdöl bohren. Bei diesem Projekt gibt es einige Unregelmäßigkeiten. Im Juni 2015 hätte die Umweltverträglichkeitsstudie im Gesetzesblatt BOIB veröffentlicht werden müssen. Wir hatten alle Einwände vorbereitet und baten das Unternehmen, die Pläne zurückzunehmen. Dann allerdings wurde das Projekt nicht veröffentlicht, und die Frist dazu lief ab. Im Mai dieses Jahres baten wir endgültig um die Einstellung des Projekts. Dann plötzlich verlängerte das Ministerium die Frist für Spectrum bis Anfang Januar 2017. Seitdem ist wieder nichts passiert. Aber es kann jeden Moment veröffentlicht werden. Wir sind in Wartestellung.

Daneben möchte ein italienisches Meeresforschungsinstitut seismologische Untersuchungen des Meeresbodens anstellen. Sie glauben, die Aktion hat keinen ausschließlich wissenschaftlichen Hintergrund. Was lässt Sie zweifeln?

Es gibt einen wissenschaftlichen Anstrich, aber wir haben herausgefunden, dass hinter dem Projekt die Erdölindustrie steckt. Nicht weniger als sieben große Erdölkonzerne sind höchst interessiert an den Untersuchungen, die bisher keine Lizenz haben. Allerdings wissen wir nicht genau, in welchem Stadium sich das Projekt gerade befindet. Wir hätten es aber auch abgelehnt, wenn es ausschließlich wissenschaftliche Zwecke hätte, denn der Schaden für das Ökosystem wäre immens. Auch bei diesem Vorhaben soll mit Druckluft auf den Meeresboden geschossen werden, um Schallwellen zu erzeugen, die Tiere und Pflanzen massiv irritieren.

Droht dem balearischen Meer sonst noch Ungemach?

Ja, Cairn Energy hat weitere Eisen im Feuer. Derzeit hat der Konzern zwölf verschiedene Lizenzen beantragt, um das Meer um die Balearen nach Erdöl abzusuchen. Das Industrieministerium hat hier die letzte Entscheidung. Wir glauben aber, dass die Projekte gestoppt werden.

Was macht Sie optimistisch?

Dieses Gebiet würde mit einem Wanderkorridor für Wale kollidieren. Die Zentralregierung in Madrid hat uns bereits schriftlich zugesichert, dass dieser Korridor besonders geschützt werden soll. Das würde auch bedeuten, dass die anderen beiden Projekte im Grunde gestoppt werden müssten, weil auch sie im Gebiet des Korridors liegen. Wir hoffen, wir können uns auf die Zusicherungen aus Ma­drid verlassen. Das wäre ein großer Schritt für den Meeresschutz.

Warum haben Sie nicht den Sommer genutzt und Millionen Touristen auf die Gefahren der Ölbohrungen hingewiesen?

Wir haben darüber gesprochen, uns dann aber dagegen entschieden, in einer Phase etwas zu machen, in der wir keine konkreten Einwände vorbringen können. Damit würden wir unnötig Kräfte vergeuden, die wir vielleicht jeden Moment brauchen können, etwa wenn das Projekt von Spectrum aktuell würde.

Gehen Sie davon aus, dass es im Mittelmeer nie zu Erdölbohrungen kommen wird?

Wir arbeiten auf jeden Fall darauf hin. Ich glaube auch nicht, dass die Zentralregierung, wie auch immer sie aussehen wird, etwas zulassen kann, das eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung nicht will.