Wenn es auf Mallorca um Umweltschutz und den Kampf gegen Baudelikte geht, wird seit vielen Jahren im gleichen Atemzug der Gob genannt, die aus einer Gruppe von Vogelfreunden hervorgegangene Organisation Grup Balear d´Ornitologia i Defensa de la Naturalesa. Seit ein paar Monaten taucht aber immer häufiger ein weiterer Name auf: Terraferida, zuletzt beim Skandal um die Vorwürfe illegaler Trinkwasser-Entnahme auf einem Golfplatz. „Wenn die Landesregierung keine Namen sagt, tun wir es - es war Camp de Mar", hieß es in einem Tweet vom 8. September.

Terraferida bezieht Stellung, veröffentlicht Bilder von Umwelt- oder Bausünden und nennt Verursacher beim Namen. Vom Abwasserleck im Vogelschutzgebiet s´Albufera über die private Okkupation öffentlicher Strände durch Yachturlauber bis hin zu illegalen Bauten im Naturschutzgebiet - viele Schlagzeilen haben ihren Ursprung in den Posts und Tweets der Aktivisten. Mehr als zwei Dutzend Umweltdelikte auf den Inseln wurden in den vergangenen Monaten auf diese Weise öffentlich.

So präsent die Arbeit in den sozialen Netzwerken, so unsichtbar die Aktivisten dahinter. „Wir sind nur eine Art Lautsprecher", meint Xavier Mas aus Campos, einer der Initiatoren. Die Gruppe bestehe aus 18 Aktivisten auf der ganzen Insel, die sich Ende 2014 zusammentaten. Dank ihrer guten Vernetzung würden ihnen immer wieder Fotos und Videos zugespielt, die sie dann nach einer Prüfung - auch hier helfe die gute Vernetzung - über Facebook, Twitter sowie einen Blog (terraferida.cat) veröffentlichen. Die Macht der Bilder, die Algorithmen der sozialen Netzwerke und die Zitate in den traditionellen Medien tun ihr Übriges.

Dabei geht es nicht einfach darum, die Umwelt zu schützen. Terraferida ist wie die meisten ökologischen Bewegungen Mallorcas ideologisch fest im linken Lager verankert, ohne dass sich damit eine parteipolitische Ausrichtung verknüpft. „Verletzte Erde", heißt der Name auf Deutsch. „Wir fühlen uns vom herrschenden Wirtschaftsmodell misshandelt", so der studierte Geograf, der in der Biolandwirtschaft arbeitet. Er meint die touristische Monokultur und ihre Folgen für die natürlichen Ressourcen. Die Schlagworte lauten Wasserknappheit, überlastete Kläranlagen oder Zersiedelung der Küste.

Dass die derzeitige Linksregierung auf den Balearen seit mehr als einem Jahr einen neuen Kurs fährt, beruhigt die Aktivisten von Terra­ferida wenig. „Was haben sie denn bisher gemacht?", fragt Mas und lässt Hinweise zur Touristensteuer, der stärkeren Verfolgung von Baudelikten oder den Plänen für neue Naturschutzgebiete nicht gelten. Das meiste seien Ankündigungen, die Umsetzung und vor allem die nötige Finanzierung ließen auf sich warten. „Man hat den Eindruck, dass sie Angst haben." Dabei laufe die Zeit davon - die Erfahrung zeige schließlich, dass in der ersten Hälfte der Legislaturperiode Tatsachen geschaffen werden müssten, bevor das politische Pendel auf den Balearen im Vier-Jahres-Rhythmus wieder in die andere Richtung ausschlage. „Nehmen Sie das Beispiel Matas, er baute ohne viel Diskussionen seine Autobahnen", so der 34-Jährige über die Regierungszeit des früheren PP-Balearen-Premiers zwischen 2003 und 2007.

In die Mallorca Zeitung schaffte es Terraferida erstmals im April 2015, mit einem Bild der Baustelle des Hyatt-Resorts in Canyamel, die wie eine offene Wunde im Berg klafft. Im Sommer dieses Jahres ging es dann Schlag auf Schlag. Nach der Anprangerung eines illegalen Hausbaus in der Nähe des Es-Trenc-Strands, Fotos von Yachten, die über Seegraswiesen ankern, und Bildern der geschrumpften Stauseen aufgrund der Trockenheit folgte Mitte August ein Video über ein riesiges Leck in einer Abwasserleitung, die durch das Feuchtgebiet der s´Albufera führt. Die Landesregierung bestätigte das Umweltdesaster kurz darauf und beeilte sich, die Reparatur zu vermelden.

Pünktlich zu den Feierlichkeiten anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Nationalparks Cabrera kamen dann Fotos im Umlauf, die zeigten, wie dort Urlauber dreier Luxusyachten den eigentlich öffentlichen Strand mit großen Sonnenschirmen und Liegen in ihren „privaten Beachclub" verwandelten. Das balearische Umweltministerium kündigte daraufhin die Einleitung eines Bußgeldverfahrens ein.

Ein noch größeres Echo hatte schließlich die Anprangerung des Golf de Andratx vorvergangene Woche - weil die Landesregierung zum Verfahren wegen mutmaßlich illegaler Trinkwasserentnahme keine Namen nennen wollte, gab Terraferida gegenüber den Medienvertretern Auskunft. Dank der Kontakte in Andratx - „hier auf Mallorca kennt jeder jeden" - sei man sich der Vorwürfe sehr sicher gewesen. Und die Landesregierung habe schließlich auch nicht dementiert, im Gegenteil: Das Tourismusministerium twitterte umgehend, den Golfplatz nicht mehr offiziell bewerben zu wollen.

Dass die Golfplätze ein ideologischer Sündenbock seien - im Regelfall darf schließlich nur Brauchwasser zum Einsatz kommen -, bestreitet der Geograf: „Anlagen, die täglich bewässert werden müssen, haben im Mittelmeer-Klima keinen Sinn." Die Erfahrung habe gezeigt, dass sie oftmals Vorwand gewesen seien, um Hotel- und Wohnprojekte voranzutreiben. Mas macht aber auch keinen Hehl aus seiner Ablehnung gegen den „elitären Sport".

Die nebenberuflichen Umweltaktivisten, die inzwischen laut Mas regelmäßig Anrufe von Politikern bekommen und gefragte Gesprächspartner werden, stoßen mit ihrer Gruppe nach dem frenetischen Sommer an ihre Kapazitätsgrenzen. Jetzt wollen sie erst mal an einer Art Manifest für das „verletzte Mallorca" arbeiten. Und dank der Hilfe deutscher und britischer Mitstreiter soll das dann auch die ausländischen Residenten und Urlauber erreichen.