Dass globale Probleme eben nicht nur in großen Gipfeltreffen, sondern auch lokal angegangen werden müssen, wird am Beispiel Klimawandel besonders deutlich. Als Mittelmeer-Inseln im Übergang zwischen dem europäisch gemäßigten und dem afrikanisch heißen Klima sind die Balearen von den sich zunächst langsam, aber leider nun immer schneller vollziehenden Veränderungen besonders betroffen. Eine neue Umweltstudie der Universität Aix-Marseille warnt erneut davor, was Forscher schon lange wissen: Südspanien und die Balearen könnten sich rasch in eine Wüste verwandeln, sollten die Emissionen nicht in kurzer Zeit drastisch gedrosselt werden.

Jetzt stand wieder einer dieser Tage an, an dem die Medien über den aktuellen Stand im Kampf gegen den Klimawandel berichten und dabei eine negative Bilanz ziehen. Denn am 4. November trat weltweit offiziell das Klima-Übereinkommen von Paris in Kraft, das auf der Konferenz im vergangenen Jahr beschlossen wurde.

Auf dem Treffen in Frankreich vereinbarte man, gemeinsam den Anstieg der globalen Durchschnitts­temperatur auf deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die anvisierte Marke liegt bei 1,5 Grad. Dieses Vorhaben tritt in Kraft, sobald mindestens 55 Staaten, die zudem mindestens 55 Prozent der globalen Emissionen verursachen, das Abkommen ratifizieren. Mit dem jüngsten Beschluss der EU, Kanadas und Nepals sind nun 71 Staaten dem Abkommen beigetreten, die für rund 57 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Ab Freitag werden die Vorsätze damit für alle Unterzeichner verbindlich.

Doch müssen die Ziele auch auf allen Ebenen umgesetzt werden. Und wer einen ehrlichen Blick auf das wirft, was bislang in Spanien, auf den Balearen, auf Mallorca, in den einzelnen Kommunen und eben auch im eigenen privaten Haushalt geschehen ist, kann da leicht skeptisch werden.

Auf den Balearen wird es nicht nur immer heißer und trockener. Auch die für den Klimawandel verantwortlichen Emissionen sind in den Jahren zwischen 1990 und 2014 um 34 Prozent gestiegen, wie das balearische Dokumentationszentrum für Nachhaltigkeit errechnete. Die Balearen sind zudem die spanische Region, in der der Kohlendioxid-Ausstoß in den vergangenen Jahren am stärksten anstieg.

Und die in den fernen Hauptstädten Paris, Brüssel oder Madrid unterzeichneten Abkommen finden eben nur selten ihren Weg in die Rathäuser und Haushalte der Insel. Ein konkretes Beispiel: Vor einem Jahrzehnt - im Jahr 2006 - regte die EU an, einen Pakt der Bürgermeister zu schließen, dem nach und nach alle Gemeinden beitreten sollten, um sich zu konkreten Zielen zu verpflichten. 2008 konstituierte sich die Institution unter dem Namen „Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie". Wer dem Konvent durch einen Ratsbeschluss beitritt, verpflichtet sich zunächst, bis zum Jahr 2020 die Kohlendioxid-Emissionen um mindestens 20 Prozent zu senken. Dafür müssen sie zunächst eine Bilanz erstellen, dann einen Aktions­plan entwerfen, diesen von Experten der EU bewerten lassen. Der überarbeitete Aktionsplan berechtigt die Kommunen dann, Projektanträge für Fördermittel für konkrete Verbesserungsmaßnahmen zu beantragen.

Die Resonanz auf Mallorca ist ernüchternd: In neun der 53 Gemeinden wurde das Thema den Ratsleuten nicht einmal vorgelegt, wie die Tageszeitung „Ara Balears" jüngst enthüllte: Diese Schlusslichter sind Alcúdia, Alaró, Fornalutx, Llubí, Marratxi, Muro, Selva, Sencelles und Sóller. Und selbst in vielen der 44 Rathäuser, die irgendwann einmal den Beitritt beschlossen haben, ist seitdem nichts mehr passiert. Manchmal wurde der Beschluss anscheinend nicht einmal gemeldet. Die ­Balearenregierung wusste Anfang November offiziell nur von 26 Mitgliedern des Bürgermeisterkonvents auf Mallorca. Und wer die Aktivität auf der internationalen Webseite des Konvents weiterverfolgt, stellt fest, dass die wenigsten dieser Kommunen über den Beschluss hinausgekommen sind. Ökologische Vorzeigegemeinden wie Esporles, die tatsächlich eine Klimabilanz erstellt, einen Aktionsplan entworfen und erste Projekte umgesetzt haben, sind die absolute Ausnahme.

Zu den Schlusslichtern, in denen es nicht einmal einen offiziellen Ratsbeschluss gibt, gehören sogar Gemeinden, die von ausdrücklich ökologisch ausgerichteten Parteien regiert werden. Die Bürgermeisterin von Llubí, Magdalena Perelló (Més), verteidigt sich, man habe das Thema Klimaschutz nicht vergessen. Dem Konvent wolle man im November beitreten, außerdem wolle man einen Großteil der kommunalen Beleuchtung auf stromsparende LED-Leuchten umrüsten.

In Felanitx, offizieller Unterzeichner, klingen die Pläne schon etwas konkreter: Bürgermeister Joan Xamena (ebenfalls Més) hat die Beleuchtung der Sporthalle als einen der größten Stromfresser ausgemacht und will sie „komplett auf LED-Lampen umrüsten". Zudem werde man für die Gemeinde ein Elektroauto und ein Motorrad anschaffen und entsprechende Stromtankstellen einrichten. Das Rathaus arbeite gerade an einem Gutachten, um zu ermitteln, welche Ortsteile mit weniger Beleuchtung auskommen können, um Strom zu sparen.

Mallorcas Inselrat ist damit beauftragt, den Gemeinden bei der Erstellung der Bilanz, des Aktionsplans und schließlich auch der Projekte zu unterstützen. Der zuständige Dezernent Joan Font wirbt um Verständnis für den langsamen Fortschritt der Bemühungen in den Gemeinden: „Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen haben viel Arbeit im Tagesalltag und sehen manchmal in dem Thema Klimawandel keine Priorität für die Gemeinde." Dabei locke der Inselrat mit jährlichen Projektgeldern von 1,5 Millionen Euro.

Und dabei sollte man die Dringlichkeit des Kampfs gegen Klimawandel auf Mallorca so gut verstehen wie an kaum einem anderen Ort Europas. Von einem Anstieg des Meeresspiegels wären akut all jene Bereiche betroffen, an denen direkt an der Küsten­linie gebaut wurde - wie zum Beispiel an der Playa de Palma. Der Wasserspiegel ist zwischen 1997 und 2007 jedes Jahr um drei Millimeter gestiegen. Und der Prozess wird immer schneller, wie das Dokumentationszentrum für Nachhaltigkeit ermittelte.

In den vergangenen 30 Jahren stieg die Wassertemperatur um 0,7 Grad. Auch der Salzgehalt des Wassers - vor allem in einigen Metern Tiefe - steige konstant. Durch die Rodung der Wälder und die Reduktion der Feuchtgebiete auf den Balearen steige die durchschnittliche Höhe der Wolkendecke jährlich an. Immer häufiger erreichen die Regenwolken eine Höhe, in der sie nicht über der Insel abregnen.