Den Blick auf Strand und Meer, der sich von der Dachterrasse bietet, konnten bislang nur Hausmeister und Wartungstechniker genießen. Hier oben auf dem fünfstöckigen Hotel Borneo in Cala Millor verlaufen Rohre, Kühlaggregate versperren den Blick. Sockel zeugen von den Solarmodulen, die hier bis vor Kurzem installiert waren. Im hinteren Teil der Dachterrasse kann man leer stehende Zimmer für das Hotelpersonal in Augenschein nehmen, die aber nie bezogen worden waren.

„Das alles wird abgebaut", sagt Uwe Prein, Director of Operations bei der Hotelkette Allsun, der das Haus seit Frühjahr 2015 gehört. Wenn das Hotel im April zur neuen Saison wiedereröffnet, sollen sich hier die Gäste auf Bali-Liegen rekeln, in der Panorama-Sauna beim Aufguss schwitzen und in einem dazugehörigen Ruhebereich auch hüllenlos und sichtgeschützt entspannen. Zu den 200 Zimmern in den unteren Etagen kommen oben noch einmal 14 Suiten und zwei Doppelsuiten hinzu - und obendrauf die Haustechnik sowie die Solar­module, die jetzt weichen mussten.

Mit vollen Taschen investieren

Es ist eine streng durchgetaktete Aktion, die in diesen Tagen beginnt, nachdem die letzten Urlauber Ende Oktober das Haus verlassen haben. Statt ihnen rücken nun die Bauarbeiter an, hier wie auch in vielen weiteren Hotels auf Mallorca, wo seit zwei, drei Jahren wieder kräftig investiert wird - in dieser Nebensaison sind es noch einmal geschätzte 300 Millionen Euro. Zum einen wirken noch die Gesetzesänderungen der konservativen Vorgängerregierung auf den Balearen nach. Zum anderen sind die Kassen der Hote­liers nach dem brummenden Geschäft der vergangenen Sommer gut gefüllt. Vor allem aber: Viele Häuser sind nun einmal in die Jahre gekommen und haben eine Renovierung und Modernisierung dringend nötig.

Das 1975 erbaute Borneo zeigt das exemplarisch. Bei einem Rundgang durch das Haus kann man sehen, was früher in Mallorcas Hotellerie so gemacht wurde, was hingegen heute gefragt ist - und wie man dieses neue Konzept der alten Bausubstanz buchstäblich überstülpt. Wichtig sei letztendlich allein der Standort, meint Manager Prein, alles andere lasse sich richten. Für die Frischzellenkur des Borneo nimmt man bei Allsun - mit jetzt 26 Häusern inzwischen nach eigenen Angaben die größte Hotelkette auf Mallorca - insgesamt 3,5 Millionen Euro in die Hand. In diesem Winter läuft die zweite und wichtigste von drei Modernisierungsphasen ab.

Keine Möglichkeiten verbauen

Die meisten Mallorca-Hotels dieses Alters haben vergleichbare Pro­bleme. Waren früher Pool, Fitnessraum oder Spa Zusatzangebote, die in erster Linie dem Sternesammeln dienten und eher kleinteilig ausfielen, werden sie nun für Hotelgäste immer wichtiger - gerade, wenn sie nicht in der Hochsaison kommen. Wo Restaurants früher mitunter im Untergeschoss untergebracht waren, ist heute Ausblick gefragt. Zunehmend wichtig wird zudem eine Gestaltung mit flexiblen Elementen, um schon mal für den nächsten Trend gerüstet zu sein.

Die Zielgruppe des neuen Borneo, einem Erwachsenen vorbehaltenen Hotels, sind Mallorca-Urlauber, die vor allem Fitness, Entspannung und Genuss suchen. Sie brauchen einen Pool, in dem man nicht nur planschen, sondern auch ein paar Bahnen schwimmen kann. Das alte Becken mit getrennter Kinderecke vor dem Hotel, auf das der Blick von der Dachterrasse fällt und das schon leergepumpt ist, kann da nicht mehr mithalten. „Wir wollen etwas Moderneres", sagt Prein.

Direkt daneben wird sich der neue Fitnessbereich mit Kraft- und Kursräumen erstrecken. Statt Bingo, Boccia oder Minigolf gibt es dann Indoor-Cycling, Body and Mind oder einen Sonnengruß. Der neueste Trend: Pound, ein schweißtreibender Work-out mit Drumsticks zu fetziger Rockmusik. „Das spricht auch viele Männer an", so Prein. Das Knowhow dafür wird nicht eingekauft, sondern im eigenen Haus entwickelt, „unsere Fitness-Koordinatorin macht gerade in London ihre Ausbilder-Lizenz." 15 eigene Fitnesstrainer hat die Hotelkette bereits eingestellt.

Bislang hat das Hotel vier Sterne, zur neuen Saison erhält es den Zusatz „Superior". Es ist der Deal, den der frühere balearische Tourismus­minister Carlos Delgado (Volkspartei, PP) Mallorcas Hoteliers angeboten hat: Wenn sie in Qualität und mehr Sterne investieren, dürfen sie sich im Gegenzug vergrößern, mit einem Anbau oder eben einem zusätzlichen Stockwerk. Die jetzige Linksregierung hat die Sonderkonditionen inzwischen weitgehend zurückgenommen - aber die bereits genehmigten Projekte werden weiterhin umgesetzt.

Bürokratischer Hürdenlauf

Das Einholen der Genehmigungen braucht ordentlich Vorlauf. Die Gemeinde muss eine Baulizenz ausstellen, das balearische Tourismusministerium Umbauten und Erweiterungen genehmigen, und je nach Projekt kommen weitere Stellen hinzu. Weil das Borneo per Geothermie klimatisiert werden soll, musste für die Bohrungen auch das Wasserwirtschaftsamt konsultiert werden.

„Man läuft da von Pontius zu Pilatus", kritisiert Prein: Lizenzen bedingten sich gegenseitig, es gebe unterschiedliche Ansprechpartner, Verzögerungen drohten von ungeahnter Seite. So berichtet der Manager, dass die zuständigen Mitarbeiter des Ministeriums an zwei unterschiedlichen Standorten arbeiteten und ein Kurier die Unterlagen hin- und her transportieren müsse. Als dieser einen Motorradunfall hatte, blieben sie erst einmal liegen. Man habe ohne Erfolg angeboten, den Transport selbst zu übernehmen - es musste abgewartet werden.

Räderwerk Renovierung

Nach der Planungs- kommt die Koordinationsarbeit: Acht Zulieferfirmen werden jetzt gleichzeitig im Hotel tätig sein, Elektriker, Maler, Maurer, Telekommunikations- und Fahrstuhltechniker, Robotik- und Geothermie-Spezialisten. Den Aufbau des neuen Fitnessstudios übernimmt die Lieferfirma selbst. Um die Entsorgung der alten Matratzen, die sich derzeit in der Lobby zu Bergen türmen, kümmert sich ebenfalls direkt die Lieferfirma.

Die Matratzen sind zu alt und zu kurz, der neue Standard misst zwei Meter. Die Inneneinrichtungs-Trends lassen sich im nahe gelegenen Bahía del Norte ablesen - einer Art Musterbeispiel für die Hotelumrüstung bei Allsun, um das sich Alltours-Konzernchef Willi Verhuven persönlich kümmerte. Die bei All-inclusive-Gästen kaum genutzte Minibar wird zum Allzweck-Kühlschrank, der nur auf Wunsch der Gäste aufgefüllt wird. Badewannen und Duschvorhänge verschwinden, eine zusätzliche Regendusche wird zum Standard, Abstellflächen und Spiegel werden größer. Die ­früheren Teppichböden in den Zimmern weichen Parkett-Vinyl-Böden, nur in den Gängen bleiben Teppichfliesen, der Schalldämpfung wegen.

Bei den Farben von Böden und Einrichtung sind helle Naturtöne Trumpf, Beige oder Hellbraun, auch Türkis. Rotbraune Türverkleidungen gehören der Vergangenheit an. Während die Bettwäsche weiß ist und auch bleiben wird, dürfen Vorhänge und sonstige Accessoires durchaus farbige Akzente setzen - sie haben den Vorteil, dass sie bei neuen Trends leichter ausgetauscht werden können als die Grundausstattung der Zimmer.

Und auch die Speisesäle bekommen eine neue Optik. Die Hotelkette verbannt die früher opulenten Tischdecken. Stattdessen gibt es strapazierfähige Setups und lediglich zum Abendessen, wenn nach wie vor klassisch eingedeckt wird, ein bisschen Stoff auf dem Tisch in Form von Läufern.

Trampó statt Rosenkohl

Weil die Modernisierung eines Hotels sozusagen nicht nur die Hard-, sondern auch die Software umfasst, wurde auch das von den früheren Besitzern geerbte Menü umgestellt und das Personal fortgebildet. Das ist seit einem Jahr der Job von Sebastian Reiff, dem Food and Beverage Director bei Allsun. Er hat das Foodkonzept in Form eines 14-Tage-Plans standardisiert, Fertigprodukte wie Empanadas wie auch Tiefkühlprodukte wie Rosenkohl weitgehend verbannt und genau hingeschaut, was von der heimischen Küche urlauberkompatibel ist. Paella und trampó sind es sehr wohl, spanische frittierte Kroketten dagegen nicht - mit dem Namen assoziieren die Deutschen nun einmal etwas anderes. Statt von allem etwas gebe es jetzt tägliche Schwerpunkte. Das Konzept sei zwar insgesamt etwas teurer, dafür ließen die Urlauber jetzt aber auch weniger als früher auf dem Teller liegen, so Reiff.

Wenn dann die neue Saison beginnt, ruhen zwar die Bauarbeiten, aber es wird weiter geplant. Vor allem auf den Kanaren mit derzeit sechs Häusern will Allsun weiterwachsen. Auf Mallorca könnte das „ein oder andere interessante Hotel" noch dazukommen, so Prein. Der Expansionskurs sei noch nicht zu Ende, „das wird so weitergehen".