Der Schaden für die Hoteliers auf Mallorca ist riesig. Über 50 Millionen Euro Entschädigung haben britische Urlauber im vergangenen Jahr von mallorquinischen Hotels eingeklagt, mehr als 10.000 Reklamationen sind registriert. Der Grund ist fast immer derselbe: eine angebliche Lebensmittelvergiftung, zumeist im All-inclusive-Angebot. Praktisch an der Erkrankung: Sie ist kaum nachprüfbar, die Briten benötigen kaum Nachweise, dass sie tatsächlich krank waren. Meist reicht ein Rezept für ein Medikament wie Immodium, es sind aber viele Fälle bekannt, in denen nicht einmal das nötig war. Das britische Verbraucherschutzrecht gesteht Reisenden noch bis zu drei Jahre nach dem Urlaub das Recht zu, die Unterkunft zu verklagen und Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Das deutsche Verbraucherschutzgesetz schreibt dagegen vor, dass man sich noch vor Ort bei der Reiseleitung beschweren muss, danach hat man vier Wochen Zeit, sich schriftlich beim Veranstalter zu melden. Der Vorfall muss genau dokumentiert werden, am besten mit Fotos, Videos, Zeugenaussagen.

Als Brite kann man einfach die Webseite www.sickholiday.com besuchen, hier arbeitet man nach einem Provisionsmodell. 25 Prozent der Entschädigung, die der Urlauber kassiert, gehen an die Eintreiber. Den Rest behält der Urlauber, der sich damit womöglich einen einwöchigen Gratisaufenthalt auf der Insel erschlichen hat.

Wie viel Geld mit ein paar Klicks herausspringen kann, macht der sogenannte Claim Calculator deutlich, der in die Seite integriert ist. Wir geben uns als Urlauber aus und behaupten, vier Tage lang auf Mallorca erkrankt gewesen zu sein. Schnell noch einen Namen und eine Telefonnummer eingeben - und der Claim Calculator spuckt für unseren Fall 1.000 Pfund Entschädigung aus. Ein lukratives Geschäft - für Urlauber wie für die Betreiber der Website. Als Nächstes folgt der Anruf eines Mitarbeiters von sickholiday.com, der in drei Minuten überprüft, was es mit dem Fall auf sich hat.

In Magaluf sind im Lauf des Jahres auch immer wieder Lieferwagen aufgetaucht, in denen Vertreter von Anwaltskanzleien Urlauber direkt vor Ort damit gelockt haben sollen, Reklamationen gegenüber den Hotels anzustrengen. Das Ganze wuchs sich so weit aus, dass vielen Hoteliers auf Mallorca inzwischen die Lust ordentlich vergangen ist, Briten zu beherbergen. Man schaue für die Saison 2018 verstärkt auf die Märkte aus der Schweiz, Frankreich und Holland, heißt es von der Hoteliersvereinigung FEHM.

Doch auch im Königreich könnte es bald mit den massenhaften Entschädigungen zu Ende sein. Die Gesetzeslage in Großbritannien dürfte sich demnächst ändern. Dann soll es deutlich schwieriger werden, mögliche Schadenersatzansprüche dieser Art geltend zu machen. Der britische Konsul für Katalonien und die Balearen, Lloyd Millen, räumt ein, dass das britische Recht an dieser Stelle derzeit noch zu einseitig auf Seiten der Verbraucher stehe. „Wenn es wirklich 10.000 Fälle von Lebensmittelvergiftung gegeben hätte, wäre der Flughafen von Palma geschlossen worden", sagte er vor einigen Tagen.

Das Konsulat schickte der MZ eine Stellungnahme, in der es heißt, dass man sich mit den spanischen Behörden kurzgeschlossen habe und außerdem die Urlauber darüber informiert würden, dass derartiger Betrug Strafen nach sich ziehen kann. Im Detail ist das Strafmaß allerdings bisher unklar, weshalb der Abschreckungseffekt wohl noch gering sein dürfte. Inzwischen ist auch ein Treffen zwischen Vertretern von britischen Reiseagenturen und spanischen Hoteliers für den 22. Mai in Madrid angesetzt. Hier soll das weitere Vorgehen besprochen werden - und der Schulterschluss gegen den Betrug vollzogen werden.

Manche Hotels auf Mallorca wollen aber nicht abwarten und sind zwischenzeitlich dazu übergegangen, die Gäste bei der Abreise ein Dokument unterschreiben zu lassen, mit dem die Urlauber ausdrücklich erklären, keine Lebensmittelvergiftung durch das Essen oder das Wasser im Pool erlitten zu haben. Britische Reiseveranstalter haben angekündigt, in diesem Jahr Privatdetektive zu engagieren, die sich in der Umgebung von Hotels aufhalten sollen und überprüfen, ob Urlauber von Vertretern von Anwaltskanzleien dazu angestachelt werden, ihre Unterkunft zu verklagen.