Was wäre Mallorca ohne seine Strände? Das kann Marta Marcos nicht beantworten. Sie hebt die Hände, lässt die Frage bewusst im Raum stehen. Die Physikerin weiß nur: Wenn weiterhin so viel C02 in die Luft geblasen wird wie derzeit, dann wird es Ende des Jahrhunderts kaum noch playas auf der Insel geben. Man muss kein Experte sein, um zu ahnen: Nicht nur für die Tourismuswirtschaft könnte das ein böses Erwachen bedeuten.

„Natürlich forschen weltweit Wissenschaftler zum Anstieg des Meeresspiegels durch den Klimawandel, aber in Europa gehört unser Team zu den relevantesten", berichtet Marta Marcos. Die 41-Jährige aus Palma forscht seit 2008 am Institut Mediterráneo de Estudios Avanzados (kurz Imedea) in Esporles und arbeitet mit dem Postdoc Juan Manuel Sayol und der Doktorandin Alejandra Rodríguez Enríques zusammen.

Tatsächlich sind einige Erkenntnisse aus Mallorcas Bergdorf weltweit von Bedeutung: „Dass der Meeresspiegel kontinuierlich ansteigt, ist allgemein bekannt. Wir können jedoch zeigen, dass dies sehr viel schneller passiert als ursprünglich angenommen", so Marcos. Denn: Bis zum Jahr 1992 waren die Messtechniken, die den aktuellen Pegelstand aufzeigen, nicht gerade zuverlässig. Bis damals wurde allein auf sogenannte Mareografen zugegriffen, also Pegelmesser, die an bestimmten Punkten im Meer angebracht sind und den dortigen Wasserstand messen. „Aber vor allem die älteren Mareographen bergen viele Fehlerquellen", weiß Marcos. So berechneten diese Geräte den Wasserstand im Vergleich zur Küste, berücksichtigten jedoch nicht, dass auch die Küste selbst sinken kann. Solche und ähnliche Ungenauigkeiten aus den alten Messwerten herauszufiltern und die Werte zu korrigieren, gehört zu den Hauptaufgaben der ­mallorquinischen Forscher um Marta Marcos.

Seit 1992 gibt es zusätzlich zu den Mareografen auch Satelliten, die den Meeresspiegel exakt messen. Aufgrund der nicht bereinigten Messergebnisse war man bisher davon ausgegangen, dass der Meeresspiegel weltweit zwischen 1900 und 1990 um 1,7 Millimeter pro Jahr angestiegen ist und zwischen 1992 und 2013 um 3,3 Millimeter. „Dadurch, dass wir die Messfehler bereinigt haben, konnten wir jetzt zeigen, dass er früher nur durchschnittlich um 1,1 Millimeter pro Jahr gestiegen ist. Der Unterschied zu den 3,3 Millimetern jährlich in den vergangenen 25 Jahren ist also noch größer als gedacht."

Oder, einfacher ausgedrückt: Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Meeresspiegel sind größer als gedacht, und

auch zukünftig dürfte er deutlich schneller steigen als befürchtet.

„Das hat Auswirkungen auf den gesamten Planeten", so Marcos. Denn 3,3 Millimeter jährlich in den vergangenen 25 Jahren machen acht Zentimeter in einem Vierteljahrhundert. „Und ein Zentimeter Anstieg des gesamten Meeresspiegels bedeutet in etwa, dass die Küstenlinie um einen Meter verschoben wird. Allerdings nicht überall auf der Erde in gleichem Maße."

Natürlich sind die Auswirkungen auf Mallorca nicht so dramatisch wie auf pazifischen Inseln oder in Ländern mit großen Flächendeltas wie Bangladesch. Auf den Balearen seien es „nur" die Strände, die dem Klimawandel nach und nach zum Opfer fallen werden. „Da der Meeresspiegel immer schneller steigt, könnte er bis zum Jahr 2100 rund ­60 bis 70 Zentimeter höher liegen als jetzt. Damit würden bis zu 70 Prozent der Strände auf Mallorca verloren gehen." Mittelfristig würden wohl nur die Naturstrände bestehen bleiben. „Dort wird der Strand wohl weiter in die angrenzenden Dünen hineinwandern."

Doch vor allem die bebauten Strände, die an Straßen, Strandpromenaden oder Häuserfronten grenzen, würden einfach verschwinden. „Als Fallbeispiele für unsere Studien nehmen wir die Playa de Palma und Cala Millor", sagt Marta Marcos. Es sind die am besten erforschten Strände der Balearen, und die Ergebnisse lassen sich problemlos auf andere, ähnliche urbane Strände übertragen.

„Noch sind die Auswirkungen kaum sichtbar, aber es wird umso schlimmer, je mehr der Meeresspiegel ansteigt." Wie viel genau das sein wird, kann niemand sagen. Eine Rolle spielen Faktoren wie die Geschwindigkeit, mit der die Polkappen schmelzen. „Es hängt letztlich alles davon ab, inwiefern wir Menschen den Emissionsausstoß verringern oder weiter vorantreiben."

Gut sind die Aussichten so oder so nicht. „Selbst wenn noch heute jegliche Abgase und Luftverschmutzungen eingestellt würden, befänden sich noch so viele Schadstoffe in der Atmosphäre, dass der Klimawandel zunächst weiterginge und der Meeresspiegel nicht aufhören würde zu steigen."