Laura Camargo gilt als einflussreichste parteiinterne Gegenspielerin des balearischen Podemos-Generalsekretärs Alberto Jarabo. Die 43-jährige Linguistik-Professorin an der Balearen-Universität stieß aus den Reihen der „anticapitalistas", der radikalen Linken, zu der Protestpartei. Noch heute sind ihre Positionen gewöhnlich kompromissloser als jene von Jarabo, der dieser Tage vorgeschlagen hat, Regierungsverantwortung zu übernehmen (bislang toleriert Podemos lediglich das Linksbündnis von Sozialisten und Més). Bei den nun für Ende September angesetzten Urwahlen des balearischen Podemos-Ablegers könnte Laura Camargo für den Posten der Generalsekretärin kandidieren.

Podemos gleicht immer mehr einer gewöhnlichen Partei. Jarabo will Regierungsverantwortung. Wie passt das zur Protestbewegung?

Im Prinzip schließt das eine das andere nicht aus. Wir werden weiter für unsere Ideale auf der Straße kämpfen. Wir sagen immer, wir haben einen Fuß in den politischen Gremien und 1.000 Füße auf der Straße. Außerdem regiert Podemos ja schon in einigen Regionen mit, vor allem auf kommunaler Ebene.

Was die Regierungsbeteiligung auf den Balearen betrifft, haben Sie aber Bauchschmerzen.

Es bereitet mir kein persönliches Unbehagen. Aber ist es sehr kompliziert, zur Halbzeit einzusteigen, weil es etwa ein halbes Jahr dauern wird, bis wir in allen Gremien angekommen sind. Und dann haben wir gerade mal ein Jahr Zeit, Veränderungen anzustoßen, bevor schon wieder der Wahlkampf beginnt. Das ist zu kurz. Um mitzuregieren, müssten wir auch erst einmal das Programm der Regierungsparteien gutheißen. Beim Thema Tourismus ist das nicht der Fall. Wir sind für eine Begrenzung der Urlauberzahlen, die Regierung nicht. Hinzu kommt, dass wir den Rücktritt von Tourismusminister Biel Barceló gefordert haben. Er ist aber noch da. Wir können unsere Wertvorstellungen nicht über den Haufen werfen.

Im Wahlprogramm von 2015 forderte Podemos noch: mehr Kreuzfahrttourismus, mehr Flugverbindungen.

Mit dem, was in dieser Hinsicht damals geschrieben wurde, bin ich selbst nicht glücklich. Aber an dem Programm haben viele Leute mitgearbeitet, die heute gar nicht mehr bei Podemos sind. Außerdem war die touristische Überfüllung damals noch nicht ganz so offensichtlich. 2015 stiegen die Zahlen gerade an.

Wie sieht Ihr Modell eines Urlauberlimits aus? Wollen Sie in Palma oder Sa Calobra Schranken aufstellen?

Das Problem ist sehr viel komplexer. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist, eine Obergrenze für Gästebetten einzuführen. Dazu gehört vor allem, der illegalen Ferienvermietung einen Riegel vorzuschieben und ein Moratorium für Boutique-Hotels in Palma einzuführen. Das hätte man schon vor einiger Zeit machen müssen. Diese Hotels überschwemmen die Altstadt, Palma kollabiert regelmäßig angesichts der Urlauberzahl. Ich wohne selbst in der Altstadt und muss mir manchmal fast mit einem Säbel den Weg durch die Leute schneiden.

Aber wie wollen Sie der Ferienvermietung Herr werden?

Mir ist bewusst, dass es viel zu wenig Inspekteure gibt. Aber man könnte auch die Sicherheitskräfte und besonders die Ortspolizei mit den Kontrollen beauftragen.

Sie haben in Ihrer eigenen Partei einen Fall von Ferienvermietung. Generalsekretär Alberto Jarabo vermietete eine Wohnung in Son Serra de Marina und versteuerte seine Einnahmen nicht korrekt.

Ich glaube, Alberto hat die nötigen Erklärungen dazu abgegeben und seinen Fehler in der Steuererklärung eingeräumt. Außerdem: Son Serra ist nicht Palma, und er vermietete die Wohnung in einer Zeit, als das noch nicht so thematisiert wurde.

Podemos will die Touristensteuer verdoppeln. Wollen Sie Einkommensschwächeren den Urlaub auf Mallorca verleiden?

Die Inseln haben nun mal ein begrenztes Territorium. Außerdem liegen die Balearen ganz hinten, wenn es um die Höhe der Touristensteuer geht. In Rom etwa zahlt man sechs Euro am Tag in einem Vier-Sterne-Hotel, und die Leute fahren trotzdem hin. Die viel größeren Preiserhöhungen haben aber die Hoteliers zu verantworten. Einige haben für 2018 schon zehnprozentige Aufschläge angekündigt. Da fällt die Touristensteuer nicht ins Gewicht.

Thema Vorwahlen: Wäre es nicht möglich, sich mit Jarabo zusammenzuraufen und eine gemeinsame Liste zu präsentieren?

Ich finde, man muss Einheit nicht als vorrangiges Ziel definieren. Man sollte sie im Lauf der Zeit erreichen, und ich hoffe, dass bei den Vorwahlen eine möglichst große Einheit entsteht. Aber dass es verschiedene Kandidaten gibt, ist doch völlig normal. Und ob ich dann auf einer Liste stehe, ist zweitrangig. Es geht vor allem um das Inhaltliche, wie können wir die Balearen voranbringen.

Aber Sie würden schon gerne eine der Kandidatenlisten anführen?

Es gab in den vergangenen Wochen viele Leute, die mich darum gebeten haben, dass ich mich aufstellen lasse. Mein Ziel ist erst einmal, mich einzubringen. Aber ich schließe nicht aus, selbst zu kandidieren.

Können Sie die Enttäuschung mancher Podemos-Wähler nachvollziehen, die sich einen größeren Wandel der Gesellschaft gewünscht hatten, als sie Podemos wählten?

Zunächst einmal: Wir haben die mit Abstand kritischsten Wähler, was ich für positiv halte. Wir sind immer noch eine sehr junge Formation, und wir haben in den vergangenen zwei Jahren gesehen, wie schwierig es ist, die Sache zumindest gut zu machen. Ich verstehe, dass sich manche auch mehr Möglichkeiten der Mitbestimmung wünschen. Und da sollten wir dringend aktiv werden.

2019 streben Sie ganz selbstbewusst einen Wahlsieg auf den Balearen an. Wie wollen Sie dafür den Weg ebnen?

Wir müssen uns noch stärker in den einzelnen Dörfern auf den Inseln verwurzeln und versuchen, da mehr Präsenz zu zeigen. Das ist die größte Herausforderung in den kommenden zwei Jahren. Ich denke auch, dass ein Wahlsieg wahrscheinlicher wäre, wenn wir jetzt nicht in die Regierung einsteigen. Regierungsparteien zeigen mehr Verschleißerscheinungen.