In Katalonien hat sich die Lage im Verlauf des Sonntags (1.10.) zugespitzt: Vielerorts ist die Nationalpolizei und die Guardia Civil angerückt, um das vom spanischen Verfassungsgericht für illegal erklärte Referendum über die Unabhängigkeit der Region zu unterbinden. Dabei ist es auch zu Auseinandersetzungen mit Befürwortern der Abstimmung gekommen.

Das bestätigt auch MZ-Fotograf Sebastiàn Terrassa, der sich selbst unter die Besetzer mischte. Die Polizei setzte Gummigeschosse und Schlagstöcke ein. Am Abend war seitens der katalanischen Regionalregierung von 761 zumeist leicht Verletzten die Rede, zwei Personen seien schwer verletzt. Das Inneministerium in Madrid vermeldete zwölf verletzte Polizisten. Im Vorfeld hatten sowohl die Separatisten als auch die Zentralregierung in Madrid betont, auf jeden Fall einen Gewaltausbruch verhindern zu wollen.

Die Wahllokale schlossen um 20 Uhr. Wie aussagekräftig das Ergebnis sein wird - und wie es überhaupt ermittelt werden soll - war am Abend weiter unklar.

Aus Sicherheitsbedenken beschloss der Fußballclub FC Barcelona am Nachmittag, sein Heimspiel gegen Las Palmas ohne Zuschauer auszutragen. Zuvor hatte die Clubführung erwogen, das Spiel ganz abzusagen - eine Option, die allerdings vom spanischen Fußballverband untersagt wurde.

Der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont verurteilte das Vorgehen der Sicherheitskräfte am Mittag als "ungerechtfertigte und völlig überzogene, unverantwortliche Gewalt", fügte aber hin zu: "Das hat geholfen, Zweifel an der Abstimmung zu beseitigen." Dass die Zentralregierung beschlossen habe, "Schlagstöcke gegen Urnen" einzusetzen, zeige die Willkür Madrids.

Die spanische Vize-Regierungschefin Soraya Saénz de Santamaría bezeichnete das Vorgehen der Sicherheitskräfte hingegen als "verhältnismäßig" . Man sei nicht "gegen Personen" vorgegangen, sondern habe sich die Infrastruktur des Referendums vorgeknöpft: Wahllokale, Wahlurnen, Computersysteme.

Spaniens Innenminister Juan Ignacio Zoido appellierte derweil an die Regionalregierung: "Wenn sie auf spektakuläre Bilder aus waren, dann haben sie es geschafft. Jetzt sollten sie wieder ihren Verstand einschalten." Auch der Vertreter des Zentralstaats in Katalonien, Enric Millo, schob die Schuld der Regionalregierung zu. "Sie allein ist dafür verantwortlich, was heute passiert ist und was noch passieren könnte, wenn sie diese Farce nicht beenden."

Die katalanische Regionalpolizei Mossos d'Esquadra hatte sich am frühen Sonntagmorgen (1.10.) geweigert, die Wahllokale zu schließen, obwohl ein Gerichtsbeschluss sie dazu verpflichtet hatte. In den frühen Morgenstunden schalteten sich daraufhin die Nationalpolizei und die Guardia Civil ein.

Die Befürworter des Referendums hatten vielerorts schon zuvor die häufig in Schulen untergebrachten Wahllokale besetzt, in denen die Katalanen trotz des Verbots durch das Verfassungsgerichts ihre Stimme für oder gegen eine Abspaltung Kataloniens von Spanien abgeben wollen. Unter Sprechchören "Votarem"- "Wir werden wählen" weigerten sie sich, die Polizisten einzulassen. Die Beamten haben die Order, die Wahlurnen und -unterlagen zu beschlagnahmen.

In einer Schule in Sant Julià de Ramis, in der der Präsident der Regionalregierung Carles Puigdemont am Sonntagmorgen wählen sollte, schlugen Polizisten die Scheiben ein und arbeiteten sich mit Gewalt zu den Wahlurnen durch. Dennoch gelang es Puigdemont, seine Stimme abzugeben.

Trotz der Polizeieinsätze konnte vielerorts noch gewählt werden. Allerdings geht die Informationslage hier auseinander. Während die Regionalregierung am Nachmittag versicherte, dass 96 Prozent aller Wahllokale geöffnet seien, erklärte die Zentralregierung, dass kein einziges Lokal rechtmäßig funktioniere.

Die katalanische Landesregierung hatte am Sonntagmorgen angekündigt, dass die Wähler nicht mehr nur in dem ihnen zuvor zugewiesenen Wahllokal ihre Stimme abgeben können, sondern in allen Wahllokalen. Bereits zu Hause dürften sie die Stimmzettel ausfüllen. Wie die spanische Zeitung "El País" berichtet, wählten die Menschen in einigen Lokalen in Gruppen und ohne sich rechtmäßig auszuweisen.

Auch Mallorquiner sind nach Katalonien gereist, um das Referendum zu unterstützen und an den Besetzungen der Wahllokale teilzunehmen. Am Sonntagabend wird auch auf Mallorca zu Kundgebungen aufgerufen.

Lesen Sie hier alles über die Hintergründe des Konflikts in Katalonien

Wird aktualisiert.