Zehntausende Katalanen sind am Dienstag (3.10.) dem Aufruf zu einem Generalstreik und Demonstrationen gefolgt, um gegen die Polizeigewalt vom Sonntag mit fast 900 Verletzten zu demonstrieren. In Barcelona blieben Schulen, Geschäfte, Büros und Cafés geschlossen. Die öffentlichen Transportmittel fuhren nur sehr eingeschränkt.

Katalonien-Premier Carles Puigdemont forderte die Demonstranten per Twitter auf, bei den Protesten gegen die Polizeigewalt friedlich zu bleiben. Nach dem Referendum hatte er die Ausrufung der Unabhängigkeit Kataloniens angekündigt, aber auch die Notwendigkeit einer Vermittlung hervorgehoben.

Die spanische Regierung unterdessen prangerte eine "Verfolgung" von Beamten der Guardia Civil und der Nationalpolizei in Katalonien an, die dort die Abhaltung des Referendums am Sonntag verhindern sollten. Innenminister Juan Ignacio Zoido warnte, man werde "alles Nötige unternehmen", um die Verfolgung zu stoppen. In verschiedenen Orten Katalonien gab es am Montag Proteste gegen die Präsenz der Einsatzkräfte. Teilweise mussten Polizisten wegen der heftigen Proteste der Nachbarn ihre Hotels verlassen und sich eine neue Bleibe suchen. Bislang steht noch kein Datum fest, wann die nach Katalonien verlegten Polizeieinheiten die Region wieder verlassen.

Uneinigkeit in Madrid

Der konservative spanische Regierungschef Mariano Rajoy (PP) traf sich am Montag (2.10.) mit den Vertretern der wichtigsten Oppositionsparteien, um das weitere Vorgehen zu koordinieren. Dabei konnte Rajoy, der eine Minderheitenregierung führt und somit im Parlament von den Stimmen der Opposition abhängt, zunächt keine einheitliche Linie festlegen.

Sozialistenführer Pedro Sánchez (PSOE) forderte den sofortigen Dialog mit Katalonien, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Albert Rivera, Chef der Partei Ciudadanos, plädierte hingegen dafür, den Artikel 155 der spanischen Verfassung anzuwenden und somit die regionale Autonomie Kataloniens aufzuheben.

Abwarten in Barcelona

In Barcelona herrschte am Dienstag (3.10.) Spannung, in welchem Moment der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont dem Parlament das offizielle Endergebnis des vom spanischen Verfassungsgericht verbotenen Unabhängigkeitsreferendums präsentiert. Gemäß des ebenfalls aus Madrid für illegal erklärten Referendumsgesetzes beginnt in diesem Moment eine Frist von 48 Stunden, um die katalanische Unabhängigkeit von Madrid auszurufen. Rund 90 Prozent der Katalanen, die an dem illegalen Referendum teilnahmen, hatten für die Schaffung einer unabhängigen katalanischen Republik gestimmt.

Unterdessen forderte Puigdemont die spanische Regierung zum Dialog unter der Vermittlung "eines internationalen Akteurs", wie er am Montag (2.10.) auf einer Pressekonferenz bekanntgab. Aus Madrid erwarte man Signale, wann die Regierung für ein Gespräch offen sei. Bislang bestünde keinerlei Kommunikation zwischen der spanischen und der katalanischen Regierung. Wenn ihn Rajoy "heute anruft, treffe ich mich mit ihm, wo auch immer", erklärte Puigdemont seine Dialogbereitschaft.

Zudem forderte Puigdemont den Rückzug der aus verschiedenen spanischen Regionen zusammengezogenen Polizeieinheiten, rund 12.000 Polizisten bestehend aus Nationalpolizei und Guardia Civil. Diese waren während des Referendums in einige Wahllokale - zum großen Teil Schulen - eingedrungen. Bei der gewaltsamen Räumung oder Schließung der Wahllokale war es überall in der Region zu Zusammenstößen gekommen. Dabei wurden laut Angaben der Behörden rund 1.300 Menschen verletzt: etwa 900 Zivilisten und über 400 Polizisten.

Reaktionen aus Europa

Die EU-Kommission rief die Regionalregierung und die spanische Zentralregierung zum Dialog auf. Gewalt könne nie ein Mittel der Politik sein, erklärte Sprecher Margaritis Schinas am Montag.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werde mit Spanien-Premier Mariano Rajoy telefonieren. Man vertraue darauf, dass dieser den "schwierigen Prozess managt und dabei die spanische Verfassung und die darin garantierten Grundrechte der Bürger vollständig respektiert". Ansonsten sei der Konflikt als innere Angelegenheit Spaniens einzustufen und das Referendum nach der spanischen Verfassung illegal.

Ähnlich äußerte sich Sprecher der Bundesregierung in Berlin. Man hoffe auf eine Einigung "auf der Grundlage des Rechtsstaats und des Dialogs sowie selbstverständlich im Rahmen der spanischen Verfassung". Die spanische Presse wertete die Aussagen als Unterstützung der spanischen Regierung.

Der französische Präsident Emmanuel Macron telefonierte am Montag mit Rajoy und stellte sich Regierungssprechern zufolge hinter die spanische Einheit. Rajoy gelte für Paris als einziger offizieller Gesprächspartner in der Angelegenheit. /tg