Bei Pilar Urbano gerät sogar das simple Heruntersteigen einer Treppe zu einem filmreif gewaltigen Ereignis. Wortreich beschreibt die langjährige „El Mundo"-Journalistin ganz am Anfang ihres neuen Buchs „Pieza 25" (Ed. Esfera de los Libros, 596 Seiten, 22,60 Euro), wie der geerdete Star-Richter José Castro („er bügelt seine Hemden selbst") in seinem Apartment in Palmas Stadtteil El Molinar eines Nachts gegen 4 Uhr aufwacht. Und wie er gedankenversunken erst die Treppe herabsteigt und dann, während Jazz-Musik durch die Luft wabert, an seinem Computer die letzten Zeilen der 104-bändigen Anklageschrift im Fall um das Nóos-Institut niederschreibt - jene komplizierte Angelegenheit um dunkle Geschäfte, wegen derer die Infantin Cristina am 17. Februar in Palma bekanntlich freigesprochen, ihr Gatte Iñaki Urdangarin aber zu sechs Jahren und drei Monaten verurteilt wurde. Man muss halt dramatisch schreiben, um diesem Polit-Thriller gerecht zu werden.

Dem Untersuchungsrichter Castro, der die Sache vor Jahren ins Rollen gebracht hatte, war es am Ende allerdings nicht vorbehalten, Recht über die von ihm 2013 angeklagte Infantin und die vielen anderen Angeklagten zu sprechen. Dafür waren drei Kolleginnen zuständig. Urbano stellt den bald 70-jährigen, kurz vor der Pensio­nierung stehenden Andalusier, der nach Stationen in Katalonien und auf Lanzarote seit 1985 auf Mallorca arbeitet, als den einzigen anständigen Menschen inmitten dubioser bis sinistrer Gestalten wie Urdangarin-Kompagnon Diego Torres oder Ex-Balearen-Premier Jaume Matas dar. Als einen, der in einfachen Bars verkehrt und sogar ein Abonnement für Kinobesuche hat, um etwas Geld zu sparen.

Die inzwischen 77-jährige Pilar Urbano stellte ihr Buch am Montag (4.12.) in Anwesenheit des ihr applaudierenden José Castro wortreich im Club der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" vor. Sie ist davon überzeugt, dass die Infantin Cristina tiefer als bekannt in die trüben Geschäfte ihres luxussüchtigen und geldgierigen Gatten verstrickt war. Und sie hat sich in ihrer seit Jahrzehnten bekannten Besessenheit, was Spaniens Königsfamilie angeht, in noch viel mehr verbissen: Ihre These ist, dass der Freispruch der Infantin von langer Hand eingefädelt wurde - und das mit Hilfe des damaligen Staatsanwalts Pedro Horrach, der mittlerweile als Rechtsanwalt arbeitet. Den 51-Jährigen - er erschien nicht zur Buchvorstellung - beschreibt Urbano denn auch wesentlich unvorteilhafter, nämlich als einen gnadenlosen Beißer, der dem Glamourleben nicht abhold sei.

Pedro Horrach ist nach Überzeugung der Autorin allerdings nur ein Rädchen im Getriebe: Der Bösewicht sei der, der ihm den Befehl gegeben habe, die Infantin zu schonen, „und ihn dann fallen ließ", sagt sie. Horrach sei insofern auch ein Opfer gewesen. Dass Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits vor der Zusammensetzung des Nóos-Tribunals geäußert habe, der Infantin werde es „gut gehen", habe sie aufhorchen lassen, so Pilar Urbano weiter.

Um den Freispruch zu erreichen, musste die vom Verfassungsvater Miquel Roca verteidigte Adelige (Urbano: „Sie ist viel intelligenter als Urdangarin") allerdings mitspielen. Sie habe sich ahnungslos und dumm gestellt, so Urbano. „Das hat ihr genützt." In dieser Hinsicht habe sie von ihrem Vater, dem ehemaligen König Juan Carlos gelernt, der das Gleiche 25 Jahre gemacht habe, um in den Augen des Diktators Francisco Franco als Leichtgewicht zu gelten.