Fotos eines gemütlichen Zimmers mit Bett auf Mallorca, im Vordergrund eine Blumenvase, im Hintergrund ein Fenster, das die Sicht auf eine Palme im Garten freigibt. Dazu ein Anzeigentext: „Helles WG-Zimmer in gepflegter, renovierter WG in Meeres­nähe (80 Meter) zwischen Palma-Zentrum und Arenal". Als die Erlangerin Alisa Weber Anfang August von Deutschland aus auf dem Online-Wohnungssuch-Portal idealista.com die Annonce sah, war sie begeistert. Wegen des Gemeinschaftspools und des geräumigen Wohnzimmers, und auch, weil die Anzeige perfekt zu ihren Plänen passte. „Ideal für Jobstart, Praktikum, Probezeit", heißt es weiter unten in einer auf Deutsch verfassten Beschreibung. Auch eine englische Version verweist darauf, dass die Untermiete für einen oder für mehrere Monate möglich sei. „Eine perfekte Masche: Die Anzeige richtet sich an Ausländer, die nur kurz auf der Insel sind und sie bald wieder verlassen", vermutet Alisa Weber heute.

Damals war sie froh darüber, auf die Anzeige gestoßen zu sein - sie plante ein Praktikum bei der MZ: zwei Monate in die Redaktion auf Mallorca hineinschnuppern, von Mitte August bis Mitte Oktober. „Der Preis von 450 Euro pro Monat für die Zimmermiete war meine Schmerzgrenze", erzählt sie. Doch der Mietmarkt sei spärlich bestückt gewesen und die Lage der Wohnung in Ordnung. Also telefonierte Alisa mit dem Vermieter, der sich als „Chris" aus Nordrhein-Westfalen vorstellte. „Er erzählte mir, dass er selbst auch in der Wohnung lebt. Wir haben uns gut verstanden, und ich fand ihn sympathisch." Und so willigte Alisa in die Bedingungen ein und unterschrieb den Untermietvertrag auf Distanz.

Endlich in Palma angekommen überwog zunächst die Erleichterung: Das Wohnhaus in Coll d'en Rabassa existierte tatsächlich, das Zimmer stand für sie bereit, der Mallorca-Aufenthalt konnte beginnen. Wie vorher abgemacht, zahlte Alisa neben der ersten Monatsmiete auch 400 Euro in bar an Chris; eine Kaution, die sie am Ende ihres Aufenthalts zurückerhalten sollte. Schnell freundete sich Alisa mit einer anderen deutschen Untermieterin an, die schon seit mehreren Monaten in einem der anderen Zimmer unterkam. „Sie erzählte mir, dass drei meiner Vorgänger ihre Kaution nach ihrem Aufenthalt nicht wieder zurückbekommen haben", berichtet Alisa. Eine davon, so stellte sich später heraus, war ebenfalls Praktikantin bei der MZ gewesen. „Ich war zuerst geschockt, doch dann habe ich den Gedanken verdrängt. Ich wollte meinen Aufenthalt nicht sofort durch die Geschichte mit der Kaution vermiesen lassen." Immerhin machte Chris auch im persönlichen Gespräch einen netten Eindruck. „Mein Plan war es zu fragen, ob ich die Kaution abwohnen kann, wenn ich die nächste Monatsmiete in bar zahlen sollte."

Von da an blieb Alisa wachsam, achtete genau darauf, immer alles sauber zu halten, um ihrem Vermieter keinen Anlass zu geben, die Kautionsrückzahlung zu verweigern. Sie wurde stutzig, als sie erfuhr, dass sich Chris den anderen Untermietern mit unterschiedlichen Namen vorgestellt hatte und sein eigenes Zimmer ständig verschloss. Die Stimmung in der WG verschlechterte sich von Tag zu Tag - auch, weil einer der ehemaligen Mitbewohner seine Kaution zurückforderte, und Chris sich weigerte, das Geld zu überweisen.

„Mit mir gingen die Probleme Ende August los", berichtet Alisa. Sie teilte Chris schriftlich mit, dass sie die Kaution abwohnen wolle, anstatt die September-Miete zu zahlen. Daraufhin sei eine Diskussion per Whatsapp ausgebrochen. „Er hat mich immer wieder beleidigt und ist vom Thema abgekommen", so die 24-Jährige, die den Nachrichtenverlauf noch immer in ihrem Handy gespeichert hat. Anfang September entschied sich Alisa gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin, Ende September auszuziehen - einen Monat früher als geplant. „Da in meinem Mietvertrag stand, dass ich bis zum 15. kündigen kann, schickte ich ihm gleich Anfang September eine Kündigungsmail."

Als Chris schriftlich nicht da­rauf einging, suchte Alisa das persönliche Gespräch und forderte den Deutschen auf, ihr zu zeigen, dass er die 400 Euro Kaution noch nicht ausgegeben habe. Die Situation eskalierte. „Er schlug mich zwei Mal ins Gesicht und trat mir einmal zwischen die Beine", berichtet Alisa. Sie rief die Polizei, erstattete Anzeige und zog noch in derselben Nacht gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin Hals über Kopf aus. Sie kam notdürftig in Hotels und bei Bekannten unter und berichtete aufgelöst in der

MZ-Redaktion von ihren Erlebnissen. „In den ersten Tagen danach hat er meiner Mitbewohnerin weiter bei Whatsapp gedroht und sie beschimpft." Seitdem herrsche Funkstille. Trotz wiederholter Anfragen der MZ lehnt Chris eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.

Seit Mitte Oktober ist Alisa wieder in Deutschland. Von ihrem Geld fehlt bis heute jede Spur. Insgesamt sechs weitere Geschädigte konnte sie ausmachen, fast alle Ausländer, die nach ihrem Mallorca-Aufenthalt in ihre Heimatländer zurückreisten und vergeblich auf das Geld warteten. Sie überlegen, gemeinsam rechtliche Schritte einzuleiten. Zwar sei das aus der Ferne kompliziert, so Alisa, und sie sei vor allem froh, dass ihr missglückter Mallorca-Aufenthalt zu Ende sei. „Aber vermutlich spekuliert der Kerl genau darauf."