In der Staatskrise um die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien waren lange Zeit männliche Politiker die Hauptdarsteller. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy lieferte sich sterile Wortgefechte mit dem katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont und dessen Stellvertreter Oriol Junqueras. Doch in der Kampagne für die von Madrid angeordneten Neuwahlen in Katalonien am 21. Dezember treten nun die Frauen ins Rampenlicht.

Da Junqueras wegen der Anschuldigung der Rebellion und anderer Delikte in Untersuchungshaft sitzt und Puigdemont vor der Justiz nach Belgien floh, ist Marta Rovira nun die wichtigste Kandidatin der Independentistas, die den Wahlkampf vor Ort bestreitet. Die Generalsekretärin der republikanischen Linken (ERC) genießt das volle Vertrauen von Parteichef Junqueras und es wird nicht ausgeschlossen, dass die 40-Jährige im Falle eines Sieges anstelle des inhaftierten Spitzenkandidaten zur Ministerpräsidentin gewählt werden könnte. „Es wird Zeit, dass in diesem Land eine Frau die Regierung anführt", erklärte Junqueras.

Dieser Wunsch könnte sich erfüllen, doch statt Rovira wäre es auch möglich, dass Inés Arrimadas, die Spitzenkandidatin der liberalen, anti-separatistischen Ciudadanos zukünftige Chefin der Generalitat von Katalonien wird. In den Umfragen liegen beide Parteien vorne, mit leichten Vorteilen für ERC.

Die Emotionale

Marta Rovira steht wie kaum jemand für den extrem emotionsgeladenen Wahlkampf, der im Wesentlichen auf der Forderung nach der Freilassung der „politischen Gefangenen" und dem Protest gegen die Intervention der Autonomieverwaltung durch die Zentralregierung basiert. Die Frau aus Vic scheut sich nicht davor, den spanischen Staat als Diktatur zu bezeichnen, in dem die Strukturen des Franco-Regimes fortbestehen.

Ihre Gegner erinnerten daraufhin daran, dass einer ihrer Großväter unter Franco Bürgermeister in einem kleinen Ort in Katalonien war, was ihrem häufig erhobenen Argument widerspricht, dass es unter den Katalanen keine Franquistas gab. Rovira studierte Jura und Politikwissenschaften in Barcelona und trat 2005 mit 28 Jahren in die ERC ein, wo sie schnell Karriere machte. Sie wurde Abgeordnete im katalanischen Parlament, Generalsekretärin der Partei und deren Fraktionssprecherin.

Die Stellvertreterin von Junqueras gab vor Wochen die Marschroute für die Kampagne der Separatisten vor, als sie erklärte, warum die Regierung Puigdemonts nach der förmlichen Unabhängigkeitserklärung im Parlament am 27. Oktober untertauchte und die katalanische Republik bis heute nur auf dem Papier existiert. „Die (spanische) Regierung hatte dieses Szenarium der Gewalt vorgesehen, in dem Waffen nach Katalonien gebracht werden, es Tote auf den Straßen gibt, Blut und Kugeln, und zwar keine Gummigeschosse wie beim Referendum am 1. Oktober", sagte Rovira. Diese Behauptung, für welche die Separatisten bis heute keine halbwegs glaubwürdigen Beweise vorgelegt haben, sorgte für einen Sturm der Entrüstung aufseiten der Verfechter der Einheit Spaniens.

Rovira muss nun selbst fürchten, hinter Gittern zu landen. Der Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo) hat die Ermittlungen wegen der Anschuldigung der Rebellion auf weitere Politiker ausgeweitet, darunter die Nummer zwei der ERC. Denn die streitbare Politikerin gehörte zum engen Beraterstab Puigdemonts, der den „Prozess" zum Referendum und der folgenden Unabhängigkeitserklärung ausgearbeitet hatte.

Die Versöhnliche

Ihre schärfste Rivalin ist Inés ­Arrimadas. Seit der Parteichef von Ciudadanos, Albert Rivera, vor zwei Jahren ins spanische Parlament einzog, ist die 36-Jährige Oppositionsführerin in Katalonien. Die Separatisten stellen auf mehr oder weniger dezente Weise ihre „Katalanität" infrage, da ihre Eltern aus Nordkastilien stammen und sie im andalusischen Jérez de la Frontera auf die Welt kam. Arrimadas erzählt dagegen, wie sie schon in frühen Jahren einen Hang zu Katalonien hatte, wo ihre Eltern in den 60er-Jahren gelebt hatten, wie sie die Sprache lernte und immer schon glühende Anhängerin des FC Barcelona gewesen sei.

Nach dem Jurastudium verschlug es sie 2006 beruflich in die katalanische Hauptstadt, wo sie vier Jahre später von einer Veranstaltung von Ciudadanos so überzeugt wurde, dass sie der Partei beitrat und kurz danach ins Regionalparlament gewählt wurde. Die wortgewandte Politikerin mit der eher zierlichen Stimme schaffte es sogar, ihren heutigen Ehemann umzustimmen, ein ehemaliger Abgeordneter von Convergència i Unió, die Partei, zu der auch Puigdemont gehörte.

Ciudadanos wirbt ungeniert mit dem attraktiven Aussehen seiner Spitzenfrau, etwa auf einem Wahlplakat im Pop-Art-Stil. Die Rollenaufteilung der Liberalen ist eindeutig. Während Rivera mit Blick auf das nationale Publikum die härtesten Attacken gegen die Separatisten führt, gibt sich Arrimadas etwas versöhnlicher. „Wir müssen alle großzügig sein und nicht auf 100-prozentige Erfüllung unseres Wahlprogramms pochen", sagte sie. Ein direktes Fernsehduell zwischen Rovira und Arrimadas bescherte dem bekannten katalanischen Journalisten Jordi Évole hohe Einschaltquoten. Beide Kandidatinnen bekleckerten sich freilich nicht mit Ruhm, als sie auf die Frage nach der aktuellen Arbeitslosenquote in Katalonien keine Antwort fanden.

Die Mitspielerinnen

Vieles deutet darauf hin, dass Catalunya en Comú-Podem eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung zukommen wird. Diese Linkskoalition wird von Ada Colau, der Bürgermeisterin von Barcelona, angeführt. Im Gegensatz zu den Wahlen 2015, als sie sich zurückhielt, macht Colau diesmal Kampagne für die Linken, obwohl sie selbst nicht kandidiert.

Auch nicht zur Wahl steht eine andere Frau, die eine Schlüsselrolle in Katalonien spielt. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Spaniens, Soraya Sáenz de Santamaría, ist Rajoys oberste Konflikt-Managerin in Katalonien. Wie auch immer die Wahl ausgeht, es wird dieser Juristin zukommen, eine Neuauflage der Krise zu verhindern.