„Ets idiomes no salven vides", steht auf dem Transparent, das die Demonstranten durch Palmas Innenstadt tragen: „Sprachen retten keine Leben." Es ist ein Protestmarsch von rund 2.500 Personen, die von der Plaça d'Espanya bis zum Regierungssitz Consolat de Mar ziehen. Dort verliest die Unternehmerin Úrsula Mascaró ein Manifest, in dem sie die „Apartheid" im balearischen Gesundheitssystem anprangert. Ärzte und Pfleger ohne Katalanisch-Kenntnisse dürften nicht davor abgeschreckt werden, sich auf den Inseln zu bewerben, so die Sprecherin der Bürgerinitiative „Mos Movem" (Wir bewegen uns).

Mascaró ist die lautstarke Anführerin einer Gegenbewegung zur Katalanisch-Politik der balearischen Linksregierung. Die rhetorisch gewandte Unternehmerin ergriff nicht nur bei der Demonstration am vergangenen Sonntag (18.2.) das Wort, sondern führt auch in Debattenrunden im spanischen Fernsehen das Wort gegen die „Katalanisierung" auf den Balearen. Praktisch zeitgleich macht auch eine neue Partei von sich Reden, die der langjährige Anführer der Anti-Katalanisch-Lobby Círculo Balear, Jorge Campos, gegründet hat. „Actúa Baleares" (in etwa: Jetzt handeln) will sich in der Nische rechts von der oppositionellen Volkspartei (PP) breitmachen, nachdem diese ihren strikten Anti-Katalanisch-Kurs unter ihrem neuen Vorsitzenden Biel Company aufgegeben hatte.

Auslöser für das erneute Auflodern des Sprachenstreits auf Mallorca ist das neueste Dekret der Landesregierung zu Sprachkenntnissen von Medizinern im öffentlichen Gesundheitssystem. Der Kompromiss zwischen Sozialisten, Regionalpartei Més und Gewerkschaften sieht zwar vor, dass sich auch Kandidaten ohne Katalanisch-Kenntnisse auf alle Stellen bewerben dürfen. Doch spätestens nach zwei Jahren müssen sie Sprachkenntnisse nachweisen, um in den Genuss von Gehaltszulagen oder Beförderungen zu kommen.

Bislang gaben Katalanischkenntnisse zusätzliche Punkte bei Bewerbungen und Beförderungen, waren aber nicht zwingend. Besonders die kleinere Regierungspartei Més beharrt aber darauf, dass jeder Patient das Recht darauf hat, in der Inselsprache behandelt zu werden, wenn er das so wünscht.

Der Streit hat längst die spanische Politik erreicht. Die Madrider Gesundheitsministerin Dolors Montserrat kritisierte die Balearen-Vorschriften als „dantesk" und warnte vor drohendem Fachkräftemangel. Die Diskussion überlappt sich mit einem Vorstoß der spanischen Regierung, in Katalonien wieder mindestens 25 Prozent des Schulunterrichts auf Spanisch abzuhalten. Die Eltern sollten darüber das letzte Wort haben (S. 15). Das könnte auch auf die Balearen übertragen werden, wo in den öffentlichen Schulen hauptsächlich auf Katalanisch unterrichtet wird. Die PP schütte unnötig Öl ins Feuer und wolle mit der Aktion offenbar andere Probleme kaschieren, heißt es bei der Balearen-Regierung. Madrid hält dagegen, dass die Zweisprachigkeit einer Region kein Alibi dafür sein dürfe, eine Amtssprache ganz zu verdrängen.

Von der aufflammenden Debatte profitieren vor allem die Parteien am linken und rechten Rand. Während die linke Regionalpartei Més per Mallorca von inneren Spannungen (re. Spalte) angesichts des gemeinsamen Feinds der Inselsprachen-Gegner ablenken kann, kommt der sozialistischen Ministerpräsident Francina Armengol die schwierige Aufgabe der Gratwanderung zu: Sie fordert Dialog und Mäßigung, darf aber ihren Juniorpartner Més, der sich mit den Separatisten in Katalonien solidarisiert, nicht vergraulen.

Aber auch die PP steckt in der Bredouille. Einerseits hatte ihr das von Ex-Premier José Ramón Bauzá initiierte und letztendlich gescheiterte Drei-Sprachen-Modell an den Schulen (TIL) 2015 eine Wahlniederlage beschert. Andererseits schwimmen die aufstrebende liberale Partei Ciudadanos sowie die neuen Initiativen Actúa und Mos Movem auf der Anti-Katalanisch-Welle. Company, eigentlich Vertreter der Mallorquinisch sprechenden Inselmitte, hat inzwischen einige Bauzá-Initiativen reaktiviert, so die Wahlfreiheit der Unterrichtssprache in der Vorschule. Auf der Demonstration vom Sonntag waren dann sowohl Company wie Vorgänger Bauzá vertreten.