Private Pool­besitzer müssen sich keine Sorgen um ihre sommerliche Abkühlung machen, eher schon die Hoteliers und, wenn's ganz schlecht läuft, die Urlauber. Der Grund: Das Flüssigchlor könnte dieses Jahr knapp werden, in Spanien werden Lieferengpässe erwartet. 70.000 Schwimmbäder gibt es auf den Balearen, öffentliche Bäder und Hotelpools mitgerechnet. Joan Miquel Matas, der Vorsitzende des sogenannten Clusters der chemischen Industrie der Balearen (CliQIB), beruhigt zwar gegenüber der MZ: „Wir müssen keinen Alarm schlagen. Ich glaube nicht, dass es zum Äußersten kommen wird." In Einzelfällen könne es aber Probleme geben.

Zum Hintergrund: Die Europäische Kommission hatte bereits im Jahr 2010 eine Richtlinie verabschiedet, nach der die Herstellung von Flüssigchlor ab dem Jahr 2018 in ganz Europa ohne Quecksilber auskommen muss. Ersetzt werden sollte das umwelt- und gesundheitsschädliche Element, das sich bei der Chlorgewinnung im Wasser zersetzt, durch eine Art Membran, laut Matas völlig unbedenklich und umweltfreundlich.

Und diese neue Produktionsweise wäre ja auch kein Problem, wenn die spanischen Unternehmen gehandelt hätten. Zeit genug zum Umrüsten hatten sie ja, sieben Jahre lang. „In Deutschland, in Frankreich, in Belgien und in vielen anderen Ländern haben bis zu 90 Prozent der Fabriken ihre Technologie umgestellt. In Spanien hat es nicht einmal die Hälfte gemacht. Und so mussten die Unternehmen dann eben zum Jahresende 2017 schließen", fasst Matas zusammen. Man müsse schon Prophet sein, um zu verstehen, wieso die spanischen Hersteller nicht gehandelt hätten. „Vielleicht haben die Unternehmen auf eine Verlängerung der Umstellungsphase oder auf Subventionen der spanischen Regierung beim Umrüsten gehofft", glaubt der Vorsitzende des Clusters.

Fakt ist, dass es in diesem Jahr in Spanien rund 55 Prozent weniger Flüssigchlor geben wird. Ein Import aus dem Ausland kommt wegen der Vergänglichkeit der Ware nicht infrage. „Das flüssige Chlor muss schnell verarbeitet werden, damit es seinen Zweck erfüllt", erklärt Matas. Er geht zwar nicht davon aus, dass reihenweise Schwimmbäder gesperrt werden müssen, aber er befürchtet, „dass es im Juli zu einer Art Versteigerung des Flüssigchlors kommen könnte". Wer mehr zahle, bekomme das begehrte Chlor. Die drastischen Mehrausgaben würden speziell für die öffentliche Hand mit ihren zahlreichen Freibädern und die Hotels auf den Inseln zur Belastung.

Denn diese können, im Gegensatz zu privaten Poolbesitzern, wegen der Größe ihrer Becken nicht auf Chlortabletten oder pulverisiertes Chlor zurückgreifen. In den großen Becken verlieren die Tabletten und das Pulver ihre Wirkung. Für private Poolbesitzer sind die Tabletten und das Pulver die bessere Option. Viele private Schwimmbäder sind zudem Salzwasserpools, die in einer Saline das Chlor selbst erzeugen. Sie betrifft das Problem nicht.

Es steht nicht zu erwarten, dass sich die Situation für die öffentlichen Schwimmbäder und die Hotelpools in den kommenden Jahren entspannt. Deshalb spricht sich Matas mittelfristig dafür aus, auf den Balearen eine Chlorfabrik zu bauen. Vorbild ist ein Unternehmen auf Teneriffa, das in Zusammenarbeit von örtlichen Unternehmern und einem internationalen Investor entstand. Nötig wäre auf den Balearen eine Investition von sieben bis neun Millionen Euro. Gespräche gab es bereits mit der Betreiberfirma der Müllverbrennungsanlage Son Reus, Tirme sowie den Stadtwerken von Palma, Emaya. Seitens der Balearen-Regierung werden die Bemühungen des Chemie­clusters mit Wohlwollen aufgenommen. Zwar handele es sich um eine private Initiative in einer frühen Phase, „aber kommt das Projekt zustande, werden wir prüfen, inwiefern wir mit öffentlichen Geldern Unterstützung bieten können", sagt ein Sprecher des ­Industrieministeriums der MZ.

Ein wenig Abhilfe könnte es bereits ab 2019 geben. Dann will der Chemnitzer Chemieanlagenbau (CAC) im kantabrischen Torrelavega eine neue Anlage für Chlor-Alkali-Elektrolyse errichten. Das könnte die Lage ein Stück weit entspannen.