Sebastián López wohnt in einer Einzimmer-Kellerwohnung in Palma de Mallorca. Kein Tageslicht, kaum Platz. Jahrzehnte lang hat López auf dem Feld geschuftet, später auf dem Bau. Trotzdem reicht die Rente des 73-Jährigen nicht aus, um sich eine bessere Behausung leisten zu können. 600 Euro bezieht er im Monat, 450 davon gehen für Miete, Strom, Wasser und den Telefonanschluss drauf. Mit den 150 verbleibenden Euro muss López jedes Mal jonglieren, um bis zum Ende des Monats über die Runden zu kommen.

Sein Fall ist ein extremer, aufgrund eines Arbeitsunfalls, den die Krankenversicherung nicht als solchen anerkannte, musste er vor dem Rentenalter seine Arbeit niederlegen und Abzüge in Kauf nehmen. Doch vielen anderen Rentnern auf Mallorca geht kaum besser. 856,58 Euro beziehen Ruheständler laut der Gewerkschaft UGT im Durchschnitt auf den Balearen - deutlich weniger als der ohnehin geringe spanienweite Durchschnitt von 925 Euro. Eingerechnet sind dabei auch Senioren, die nicht ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben. „31 Prozent der Rentner auf den Inseln beziehen nur 500 bis 600 Euro im Monat und liegen damit unter der Armutsgrenze. 54 Prozent bekommen weniger als 700 Euro", so Gewerkschaftlerin Xisca Garí.

Geteilte Demonstration

Samstagvormittag (17.3.), Plaça d'Espanya in Palma de Mallorca: In Scharen haben sich zum nationalen Aktionstag auch auf den Inseln Senioren zusammen gefunden, aus Wut über die angekündigte Minimalerhöhung der Renten von 0,25 Prozent. Von gut 5.000 Demonstranten in Palma ist später die Rede. Sie alle haben genug vom unwürdigen Dasein, von jahrelanger Stagnation der Rentengelder, während die Kosten der Lebenshaltung steigen. „Wir sind alt genug, respektiert zu werden", ereifert sich Javier Pons. Auch er lebt am Existenzminimum. „Wo sind eigentlich die jungen Leute", ruft Antonio aus. 39 Jahre lang zahlte er in die Rentenkasse ein, trotzdem bleibt ihm kaum etwas zum Leben. „Die Jungen sollten hier sein, sie wissen nicht, was sie erwartet", schimpft er.

Tatsächlich ist der Altersdurchschnitt auf der Demo hoch, Gesichter mittleren Alters, die aus der Masse hervorstechen, stammen fast ausschließlich von linken Insel-Politikern wie Sozialministerin Fina Santiago, Arbeitsminister Iago Negueruela oder Gewerschaftsvertretern - und die sind an diesem Samstag nicht von allen gern gesehen. „Mir hat nie irgendeine Gewerkschaft bei meinen Rentenverhandlungen geholfen. Ich weiß nicht, was die jetzt hier wollen", so Senior Alfonso abfällig. Andere stimmen ihm zu. „Man sollte diese Demonstration nicht politisieren", findet auch Juan. Fairerweise müsse man aber sagen, dass die Unterstützung der Gewerkschaften auf der Demonstration der Kundgebung mehr Nachdruck verleihe.

Als sich der Protestzug durch die Stadt hin zur Vertretung der Zentralregierung in Bewegung setzt, trennt sich die Masse. Ein Teil der Demonstranten schließt sich dem Gewerkschaftszug an, ein anderer geht andere Wege. Die Ziele aber bleiben die gleichen: Man protestiert für die Rücksetzung des Rentenalters auf 65 Jahre, für Rentenzahlungen von mindestens 1.084 Euro im Monat, für die Garantie, den Grundbedarf an Lebenshaltungskosten decken zu können und gegen die Arbeitsmarktreformen aus den Jahren 2011 und 2013, die die größten Kürzungen der Renten mit sich brachten.Strom sparen im Rentnerverein

Dienstagnachmittag, in den Räumlichkeiten der Vereinigung für Rentner und Pensionäre in La Vileta: Das Lokal ist gut gefüllt. Bingo wird hier angeboten und Paartanz im Nachbarraum, man trifft auf andere Altersgenossen, plauscht - und spart gleichzeitig Strom und Wasser im eigenen Haus. Rosa Borgoñoza kommt regelmäßig hierher. 370 Euro erhält die 68-Jährige monatlich vom Staat. „Dabei habe ich mein ganzes Leben lang gearbeitet", erzählt sie. „Ich war immer als Zimmermädchen tätig", fährt sie fort. „Da arbeitest du, aber zahlst kaum in die Rentenversicherung ein." Zumindest damals, vor mehreren Jahrzehnten, als es Bewegungen wie die der „Kellys" noch nicht gab. Viele Stunden seien schwarz bezahlt worden. Brot für heute, Hunger für morgen, das ist Rosa Borgoñoza klar, seit sie im Ruhestand ist. „Und durch die Rentenerhöhung bekomme ich jetzt 1,50 Euro am Ende des Monats mehr heraus. Wie soll ich damit klar kommen", fragt sie. Ihre Töchter helfen ihr, kaufen Essen oder laden sie gelegentlich ein. Anders geht es nicht. Sich einmal etwas zu gönnen, das kommt für Borgoñoza nie in Frage. „Den Gasofen schalte ich nie ein. Wenn mir kalt ist bleibt mir nur eine Decke."

Felicidad Millán schaut ebenfalls oft in den Vereinsräumen vorbei. Ihre Rente sei passabel, zumindest, wenn man sie mit der ihres Mannes zusammen rechnet. Trotzdem ist bei ihr ständiges Sparen angesagt. Wie viele ihrer Generation hat sie noch ihre drei erwachsenen Söhne und Töchter bei sich wohnen. Jeden Tag müsse gerechnet werden, um die Ausgaben zu kontrollieren. „Ich helfe meinen Kindern, und auch meiner alten Mutter", sagt Felicidad Millán und fügt hinzu: „Aber ich bin mir sicher, dass unsere Kinder dazu in meinem Alter nicht in der Lage sein werden."

Auch die Jungen leiden

Tatsächlich sei es gerade auf den Balearen, wo viel mit Zeitverträgen gehandelt werde, weder für die Jungen, noch für die Alten ein Zuckerschlecken, bewertet auch Xisca Garí von der Gewerkschaft UGT. Denn wer nicht regelmäßig Geld verdiene, müsse sich nicht nur vor, sondern auch im nach dem Eintritt in den Ruhestand finanziell einschränken. Und durch die Krise seien die prekären Arbeitsbedingungen noch verschärft worden.„In den vergangenen vier Jahren ist alles den Bach runter gegangen, was wir in den Jahrzehnten davor erreicht haben", findet Francisco González. Sein Leben lang hat der 63-Jährige im symbolischen Schützengraben verbracht und in der UGT für würdige Arbeitsbedingungen, Gehälter und eben auch Renten gekämpft. Mittlerweile ist er in Frührente. Er sei enttäuscht darüber, wie wenig fordernd die Stimmung in der aktuellen Arbeiterklasse sei, wie viel sich die Jüngeren gefallen ließen - und darüber, wie wenig seine Generation von der Zentralregierung respektiert werde. „Wir sind nur noch Nummern."

Diesen Eindruck scheinen viele der Senioren zu haben. Ob auf der Demonstration oder im Rentnerverein - überall wird fehlender Respekt durch die Politik beklagt. Wohl auch ein Grund dafür, dass viele nicht mehr schweigen wollen. Francisco González jedenfalls ist sich sicher, dass er weiter kämpfen wird. „Wir werden weiter Gas geben und nicht aufhören, bis es keine würdige Erhöhung der Renten gibt."